
DMZ – GESUNDHEIT ¦ Sarah Koller
Long Covid – eine Erkrankung, die nach einer Covid-19-Infektion fortbesteht – betrifft nicht nur Erwachsene, sondern auch immer mehr Kinder und Jugendliche. Doch trotz der wachsenden Zahl an Betroffenen wird Long Covid bei jungen Menschen häufig nicht erkannt, und viele Eltern kämpfen mit der Schwierigkeit, die richtige medizinische Unterstützung zu erhalten. Der Zustand, der mit einer Vielzahl von Symptomen einhergeht, von chronischer Erschöpfung bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen, bleibt in vielen medizinischen Fachkreisen noch immer ein Mysterium.
Ein zunehmendes Problem
Dr. Jack Lambert, ein auf Infektionskrankheiten spezialisierter Berater aus Dublin, erinnert sich daran, dass er schon früh in der Pandemie, im März 2020, erste Anzeichen für Long Covid bei Erwachsenen bemerkte. „Ich wusste, dass es kommen würde“, sagt Lambert, der auch eine Spezialklinik für Long Covid ins Leben rief. Während er zunächst Erwachsene behandelte, kamen ab 2021 auch Jugendliche in seine Klinik – und im Laufe der Jahre auch immer mehr Kinder. „Die Zahlen steigen weiter, aber es fehlt an einer strukturierten Versorgung“, so Lambert. Tatsächlich berichten viele Eltern von jahrelangen Kämpfen, bis ihre Kinder endlich die Diagnose Long Covid erhielten. Viele Fachkräfte, darunter Kinderärzte und Hausärzte, seien oft noch nicht ausreichend geschult und könnten den Zustand nicht richtig einordnen.
Symptome, die nicht ernst genommen werden
Long Covid bei Kindern äußert sich häufig durch Symptome wie extreme Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen und Schwindel. Für Kinder, die früher gesund und aktiv waren, ist der Zustand oft ein tiefer Einschnitt in ihr Leben. Christina Doyle, deren 18-jähriger Sohn Conor von Long Covid betroffen ist, beschreibt den Zustand ihres Sohnes: „Er konnte kaum aus dem Bett aufstehen, außer um auf die Toilette zu gehen oder sich zu übergeben. Es waren starke Nasenbluten, Gelenkschmerzen und ein Gefühl, als ob sein Körper nicht mehr richtig funktionierte.“ Trotz der schwerwiegenden Symptome wurde sie von vielen Ärzten zunächst nicht ernst genommen. Es dauerte Monate, bis Conor und auch ihre Tochter Holly die richtige Diagnose erhielten. „Es war eine Erleichterung, endlich gehört zu werden“, sagt Doyle.
Doch für viele Familien bleibt Long Covid ein Stigma. Kinder, die die Symptome äußern, werden nicht selten für „psychisch labil“ oder „überempfindlich“ gehalten. Die Vorstellung, dass Long Covid bei Kindern existiert, wird oft abgetan, da die Erkrankung noch nicht weit verbreitet bekannt ist. In vielen Fällen wird den betroffenen Kindern geraten, sich „zusammenzureißen“ oder einfach abzuwarten, in der Hoffnung, dass die Symptome von selbst verschwinden. Diese Ratschläge, so Lambert, seien „die schlechtesten, die man geben kann“. Long Covid ist eine ernsthafte, physische Erkrankung, die es den Betroffenen oft unmöglich macht, den normalen Alltag zu führen.
Die medizinische Lücke
„Es gibt noch immer keine spezielle Langzeitbehandlungseinrichtung für Kinder mit Long Covid in Irland“, erklärt Lambert. Tatsächlich sind es vor allem Privatkliniken, die sich zunehmend um die Behandlung von Long Covid bei Jugendlichen kümmern. Doch der Zugang zu diesen Kliniken ist teuer und nicht alle Familien können sich diesen Service leisten. In vielen Fällen erhalten Kinder und Jugendliche nur die Empfehlung, sich zu schonen oder ihre Symptome zu ignorieren – Empfehlungen, die keine echte Lösung bieten.
Erhebungen zeigen, dass zwischen 5% und 10% der Kinder und Jugendlichen, die an Covid erkranken, langfristige Symptome entwickeln. In einer Reihe von Gesprächen mit Eltern, die mit Long Covid kämpften, berichten sie von jahrelangen medizinischen Tests, bei denen die Symptome ihrer Kinder oft als psychische Probleme abgetan wurden. „Meine Kinder waren immer gesund und aktiv“, erinnert sich Natalie Kilbane, eine weitere Mutter, deren Kinder von Long Covid betroffen sind. „Es war unvorstellbar, dass sie mit solchen Beschwerden kämpfen würden. Aber die Ärzte sagten immer wieder, sie seien einfach ängstlich.“
Lösungsansätze und dringend benötigte Aufklärung
Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Behandlung können Long-Covid-Symptome erheblich lindern, betont Dr. Lambert. „Es ist wichtig, den Kindern beizubringen, ihre Belastung zu dosieren, ihre Energie zu schonen und Techniken zur Entspannung zu erlernen.“ Diese Behandlungen umfassen nicht nur Atemübungen und Meditation, sondern auch den Einsatz von Medikamenten wie Melatonin, das bei der Regulierung des Schlafes hilft, sowie Niedrigdosis-Naltrexon, das entzündliche Prozesse im Gehirn lindern kann.
Die Politik und das Gesundheitssystem müssen sich jedoch stärker auf die Langzeitfolgen von Covid konzentrieren. Es gibt zwar Fortschritte, doch die erforderliche Sensibilisierung bei Hausärzten, Kinderärzten und Schulen bleibt noch aus. „Ohne Bildung und Aufklärung können medizinische Fachkräfte und Schulen nicht wissen, wie sie mit Long Covid umgehen sollen“, warnt Lambert. Auch Sarah O’Connell von Long Covid Advocacy Ireland fordert eine dringend notwendige Überarbeitung des bestehenden Modells für die Behandlung von Long Covid bei Kindern. Ihre Organisation ist in eine Arbeitsgruppe involviert, die daran arbeitet, ein effektiveres Versorgungssystem für betroffene Kinder und Jugendliche zu etablieren.
Fazit: Ein dringender Handlungsbedarf
Long Covid bei Kindern ist ein ernstes und wachsendes Problem, das mehr Aufmerksamkeit und eine gezielte Versorgung benötigt. Es ist höchste Zeit, dass das Gesundheitssystem und die Gesellschaft insgesamt Long Covid als ernstzunehmende Erkrankung anerkennen und nicht weiter die Betroffenen stigmatisieren. Eltern, wie Christina Doyle und Natalie Kilbane, fordern mehr Unterstützung und eine breitere Aufklärung, um sicherzustellen, dass Kinder, die unter den langfristigen Folgen von Covid leiden, die Hilfe erhalten, die sie benötigen.
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