
DMZ – JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦
Oldenburg – Ein junger Mann ist tot, erschossen von einem Polizisten. Es ist die Nacht zum Ostersonntag, mitten in der Oldenburger Innenstadt. Was genau geschah, ist noch unklar. Sicher ist nur: Der 21-Jährige starb durch drei Schüsse in den Rücken. Hüfte, Oberkörper, Kopf. Ein vierter traf ihn am Oberschenkel.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Totschlags – nicht gegen den Getöteten, sondern gegen den Beamten, der geschossen hat. 27 Jahre alt, vorläufig suspendiert. Die Polizeiinspektion Delmenhorst übernimmt die Ermittlungen – um Interessenkonflikte zu vermeiden, heißt es.
Ein eskalierter Abend – und ein tödliches Ende
Laut Polizei soll alles mit einem Streit vor einer Diskothek begonnen haben. Dem jungen Mann sei der Zutritt verwehrt worden, woraufhin er Reizgas versprüht habe. Mehrere Personen erlitten leichte Verletzungen. Die Situation eskalierte, der Mann flüchtete – und griff laut Polizei auch Einsatzkräfte mit Pfefferspray an. Dann fielen die tödlichen Schüsse.
Aber was genau passierte in diesen letzten Minuten? Warum musste ein junger Mensch sterben – durch Kugeln von hinten? Die Obduktion lässt an der Darstellung der Polizei zweifeln. Der Einsatz war tödlich, die Umstände sind es, die jetzt Aufklärung verlangen.
Politik und Polizei reagieren – mit Bedauern und Appellen
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von „gravierenden Vorwürfen“ und sicherte eine „lückenlose Aufklärung“ zu. Die Unschuldsvermutung gelte, doch der Fall erschüttere, sagte sie. Auch Oldenburgs Polizeipräsident Andreas Sagehorn zeigte sich betroffen – und bat um Zurückhaltung in der öffentlichen Bewertung, solange die Ermittlungen laufen.
Doch der öffentliche Druck wächst. Am Ort der Tat versammeln sich Trauernde, legen Blumen nieder, zünden Kerzen an. Im Netz, auf der Straße – die Frage steht im Raum: War das notwendig?
Ein Mensch of Color, ein tödlicher Einsatz – war Rassismus im Spiel?
Der 21-Jährige war eine Person of Color. Viele sehen darin einen beunruhigenden Zusammenhang. Rassismus in der Polizei ist kein neues Thema – doch jeder tödliche Einsatz bringt es mit neuer Wucht zurück. Für Freitag ist eine Demonstration in Oldenburg angekündigt. Sie fordert nicht nur Aufklärung, sondern stellt Grundsätzliches infrage: Wie viel Gewalt darf der Staat ausüben? Und trifft sie alle gleich?
Hintergrund: Ein beunruhigender Trend
Laut der Initiative „Bürgerrechte & Polizei“ war das Jahr 2024 mit 22 Todesfällen durch Polizeikugeln das tödlichste seit über 40 Jahren. Allein 2025 sind bereits elf Menschen durch Polizeischüsse gestorben. Ein bedrückender Trend – in einer Demokratie, die auf rechtsstaatliche Zurückhaltung setzt.
Die Polizeigewerkschaft fordert nun mehr nicht-tödliche Einsatzmittel wie Elektroschocker. Ein Schritt zur Deeskalation – doch kein Ersatz für grundsätzliche Fragen nach Ausbildung, Haltung und struktureller Verantwortung.
Verhältnismäßigkeit? Noch ungeklärt.
Das niedersächsische Polizeigesetz erlaubt den Schusswaffengebrauch zur Abwehr akuter Gefahren. Doch was genau war in jener Nacht akut? Was war noch Abwehr – und was war vielleicht schon Machtmissbrauch?
Solange die Ermittlungen laufen, bleibt vieles ungewiss. Für die Familie des Verstorbenen. Für die Öffentlichkeit. Und für eine Polizei, die Vertrauen braucht – und es sich immer wieder neu verdienen muss. Nicht durch Rechtfertigungen, sondern durch Transparenz, Aufarbeitung – und den Mut zur Selbstkritik.
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