
DMZ – BILDUNG ¦ Sarah Koller ¦
Hamburg, 18. April 2025 – An der Rudolf-Steiner-Schule in Hamburg-Wandsbek sind seit Anfang April insgesamt 24 Kinder an Windpocken erkrankt. Die erste Infektion wurde bereits vor den Märzferien festgestellt, doch seit dem 11. April steigen die Fallzahlen weiter an. Besonders alarmierend: Unter den Erkrankten befinden sich auch vier geimpfte Kinder – ein Hinweis auf die hohe Ansteckungsgefahr dieser Virusinfektion und die Notwendigkeit eines umfassenden Impfschutzes innerhalb der Schulgemeinschaft.
In der Rudolf-Steiner-Schule werden derzeit 817 Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur dreizehnten Klasse unterrichtet. Die Schulleitung hat nach Bekanntwerden des Ausbruchs Maßnahmen ergriffen, insbesondere für nicht-geimpfte Kinder. Doch der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf ein strukturelles Problem, das seit Jahren bekannt ist – und bisher unbeantwortet bleibt: Viele Waldorfschulen, wie die Rudolf-Steiner-Schule, verzeichnen deutlich niedrigere Impfquoten als andere Bildungseinrichtungen. Damit steigt das Risiko für Ausbrüche vermeidbarer Krankheiten erheblich.
Windpocken, medizinisch Varizellen genannt, sind hochansteckend und können insbesondere bei immungeschwächten Menschen, Schwangeren und Erwachsenen schwere Komplikationen verursachen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Zweifach-Impfung im Kleinkindalter, die bei flächendeckender Umsetzung Ausbrüche nahezu verhindern kann.
Ideologie statt Evidenz
In Waldorfschulen ist die Impfskepsis häufig nicht dem Informationsmangel geschuldet, sondern ideologisch motiviert. Die Waldorfpädagogik geht auf die esoterische Lehre Rudolf Steiners zurück. In anthroposophischen Kreisen finden sich bis heute impfkritische Haltungen, die wissenschaftlich nicht fundiert sind. Diese Ablehnung basiert nicht auf medizinischen Argumenten, sondern auf spirituellen Vorstellungen von Krankheit als Entwicklungschance – ein Narrativ, das gefährlich ist, wenn es zur bewussten Vermeidung von Impfungen führt.
Ein wiederkehrendes Muster
Der aktuelle Ausbruch ist kein Einzelfall: In den vergangenen Jahren kam es immer wieder an Waldorfschulen bundesweit zu größeren Masern-, Keuchhusten- und Windpocken-Ausbrüchen. Bereits 2019 mussten in mehreren Bundesländern Waldorfschulen wegen Masern zeitweise geschlossen werden. Dennoch zeigen viele dieser Einrichtungen bis heute keine ausreichende Bereitschaft, Impfprogramme aktiv zu fördern oder umfassende Aufklärung zu leisten.
Öffentliche Verantwortung gefragt
Die Hamburger Gesundheitsbehörden beobachten die Lage genau und appellieren an alle Eltern, den Impfstatus ihrer Kinder zu überprüfen und gegebenenfalls zu vervollständigen. Doch der Vorfall wirft auch Fragen an die Schulaufsicht und die öffentliche Verantwortung auf: Wie kann es sein, dass Schulen mit bewusst niedriger Impfquote ohne klare Auflagen betrieben werden dürfen? Warum gibt es keine systematische Kontrolle des Impfstatus an besonders impfkritischen Schulen?
Gesundheit geht vor
Ein funktionierender Impfschutz schützt nicht nur das eigene Kind, sondern auch jene, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Bildungseinrichtungen tragen eine besondere Verantwortung, ein sicheres Lernumfeld zu gewährleisten. Diese Verantwortung endet nicht an der Tür zum Klassenzimmer.
Der Ausbruch an der Rudolf-Steiner-Schule sollte daher ein Weckruf sein – für die Eltern, für die Schulträger, aber auch für Politik und Behörden. Denn Gesundheitsschutz darf nicht ideologischen Überzeugungen geopfert werden.
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