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Dübendorf, St. Gallen und Thun – Ein Forscherteam der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat eine innovative Methode zur Analyse von Schilddrüsentumoren entwickelt. Die nicht-invasive 3D-Gewebeanalyse ermöglicht eine präzisere Diagnosestellung ohne Beschädigung des entnommenen Gewebes. Dank künstlicher Intelligenz (KI) und hochauflösender Röntgenbildgebung könnte diese Methode künftig auch bei anderen Krebsarten Anwendung finden und herkömmliche Verfahren optimieren.
Revolution in der Pathologie: Virtuelle Tumoranalyse
Bisher mussten Pathologen entnommenes Gewebe in dünne Scheiben schneiden und zweidimensional unter dem Mikroskop untersuchen. Mit der neuen Technologie können sie Gewebeproben nun virtuell in 3D betrachten und drehen, um krankhafte Veränderungen besser zu identifizieren.
"Das Besondere an unserer Methode ist, dass sie komplette Biopsieblöcke dreidimensional analysieren kann, ohne das Gewebe zu zerstören", erklärt Robert Zboray, Leiter des Zentrums für Röntgenanalytik der Empa. "Dadurch bleibt die Probe für weitere molekularbiologische Untersuchungen nutzbar."
Präzisere Diagnosen und personalisierte Therapie
Gemeinsam mit Pathologen der Universität Bern konnte das Empa-Team zeigen, dass die neue Methode klinisch relevante Gewebemerkmale zuverlässig erkennt. Die Röntgenphasenkontrast-Micro-Computertomographie (Micro-CT) macht selbst kleinste Unterschiede in weichen Geweben sichtbar. Mithilfe von maschinellem Lernen werden die dreidimensionalen Bilder analysiert, was genauere Diagnosen und eine differenziertere Therapieplanung ermöglicht.
Da sich Schilddrüsentumoren individuell unterscheiden, hilft die neue Technik dabei, Übertherapien bei risikoarmen Tumoren zu vermeiden und gleichzeitig Patienten mit aggressiveren Tumorformen gezielter zu behandeln. "Wenn wir die Tumorbiomarker frühzeitig und präzise erkennen, können wir die Prognose für Patienten erheblich verbessern", betont Zboray.
Blick in die Vergangenheit: Gewebeproben neu analysiert
Ein wesentlicher Vorteil der 3D-Technologie ist die Möglichkeit, tieferliegende Tumormerkmale zu identifizieren, die mit herkömmlichen Methoden leicht übersehen werden. "Wenn ein vermeintlich gutartiger Tumor später aggressiv wächst, könnte das an übersehenen Gewebeveränderungen liegen", erklärt Zboray.
So untersuchte das Forschungsteam eine Schilddrüsentumorprobe eines Patienten, der 2011 mit einer als harmlos eingestuften Wucherung behandelt worden war. Erst Jahre später entwickelte er eine bösartige Tumorvariante. Die retrospektive Analyse mit der neuen 3D-Technologie ergab, dass damals tiefer liegende Kapseleinbrüche übersehen worden waren – ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des aggressiven Tumors.
Dank der Unterstützung mehrerer Forschungsstiftungen, darunter die Mirto Stiftung, die Spendenstiftung Bank Vontobel und die Dr. Hans Altschüler Stiftung, kann nun eine umfangreiche europäische Studie zu ähnlichen Rezidivfällen durchgeführt werden.
Zukunftsperspektiven: Von der Schilddrüsen- zur Krebsmedizin
Die innovative Methode könnte auch bei anderen Tumorarten Anwendung finden, etwa bei Prostata- oder Lungenkrebs. Durch die Förderung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) arbeitet das Empa-Team daran, die Technik zur Analyse von Darmkrebsmetastasen weiterzuentwickeln. "Unsere Vision ist es, molekulare Fingerabdrücke von Tumoren mit bildgebenden Texturmerkmalen zu verknüpfen", sagt Zboray.
Die neue 3D-Gewebeanalyse ist eine vielversprechende Ergänzung zur klassischen Schnittanalyse. "Unser Ziel ist es nicht, etablierte Verfahren zu ersetzen, sondern sie durch eine zusätzliche, nicht-invasive Methode zu ergänzen", erklärt Zboray. Langfristig könnte dies die Krebsdiagnostik revolutionieren und personalisierte Therapien noch präziser machen.
Herausgeber
Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
http://www.empa.ch
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