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CH: Zeit gewinnen im Kampf gegen die Quaggamuschel: Eawag legt umfassenden Präventionsbericht vor

Filter und Wärmetauscher können Infrastrukturanlagen vor sich festsetzenden Muscheln schützen (Foto: Eawag, Linda Haltiner)
Filter und Wärmetauscher können Infrastrukturanlagen vor sich festsetzenden Muscheln schützen (Foto: Eawag, Linda Haltiner)

DMZ – NATUR ¦ MM ¦ AA ¦ Filter und Wärmetauscher können Infrastrukturanlagen vor sich festsetzenden Muscheln schützen (Foto: Eawag, Linda Haltiner)

 

Ein Appell zum raschen, koordinierten Handeln in der Schweiz und darüber hinaus

 

Dübendorf – Die Quaggamuschel breitet sich in Schweizer Seen weiter aus – und stellt eine massive Bedrohung für Ökosysteme, Infrastruktur und Wassernutzung dar. Ein neuer Bericht des Wasserforschungsinstituts Eawag im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) liefert nun fundierte Handlungsempfehlungen zur Prävention und Eindämmung der invasiven Muschelart. Die zentrale Botschaft: Wer jetzt handelt, gewinnt wertvolle Zeit – und kann langfristige Schäden in Milliardenhöhe verhindern.

 

Jedes Jahr ohne Befall ist ein gewonnenes Jahr

„Für jeden See ist jedes Jahr, in dem die Quaggamuschel nicht gefunden wird, ein gewonnenes Jahr“, betont Dr. Piet Spaak, Biologe und Muschel-Experte der Eawag. Die rechtzeitige Erkennung ermöglicht es, technische Infrastrukturen wie Wasserleitungen, Filteranlagen oder Wärmetauscher vorsorglich anzupassen – bevor es zu irreversiblen Schäden kommt. Allein die dafür nötigen Umbauten könnten sich in der Schweiz auf mehrere Hundert Millionen Franken belaufen, warnt Spaak.

 

Der Bericht mit dem Titel „Quaggamuschel: Monitoringkonzept und Empfehlungen zu Präventions- und Schutzmassnahmen“ entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Cercle Exotique, einer Arbeitsgruppe der Konferenz der kantonalen Umweltämter (KVU). Ziel ist es, Entscheidungsträgerinnen und -trägern auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisnahe Strategien an die Hand zu geben.

 

Flächendeckendes Monitoring und Meldepflichten empfohlen

Zu den Kernempfehlungen zählt die regelmäßige Untersuchung nicht befallener Seen mittels Umwelt-DNA-Analyse – mindestens einmal jährlich. So können erste Hinweise auf eine mögliche Besiedlung frühzeitig erkannt und Gegenmassnahmen rasch eingeleitet werden. Auch Meldungen aus der Bevölkerung werden als wertvolle Informationsquelle gewertet.

 

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Mobilität von Freizeitbooten. Da sich die Muschel häufig über angehaftete Tiere oder Wasserreste in Booten verbreitet, schlagen die Fachleute die Einführung einer flächendeckenden Melde- und Reinigungspflicht für Wasserfahrzeuge vor. Erste Kantone wie Bern, Aargau, St. Gallen, Graubünden und Zürich haben entsprechende Vorschriften bereits umgesetzt oder angekündigt – weitere wie der Kanton Glarus dürften folgen.

 

Eindämmung dient auch anderen Ökosystemschutz-Zielen

Die Maßnahmen zum Schutz vor der Quaggamuschel haben einen weiteren positiven Nebeneffekt: Sie tragen zugleich zur Eindämmung anderer invasiver Arten bei, darunter die Schwarzmundgrundel – ein aggressiver Fisch – und das Schmalrohr, eine schnellwüchsige Unterwasserpflanze. Allerdings bestehen laut Bericht noch erhebliche Wissenslücken bei der praktischen Umsetzung, etwa hinsichtlich wirksamer Reinigungsmethoden und des Ausbaus entsprechender Infrastrukturen.

 

Internationale Koordination dringend notwendig

Angesichts der geografischen Verbreitung der Muschel fordern die Autorinnen und Autoren eine verstärkte Koordination mit den Nachbarländern – insbesondere im Einzugsgebiet des Bodensees, Genfersees, Luganersees und Lago Maggiore. Eine neu eingerichtete Fachstelle an der Eawag soll als zentrale Anlaufstelle für Fragen aus Verwaltung und Praxis dienen und auch den internationalen Austausch fördern.

 

Die Fachstelle nahm am 1. April 2025 ihre Arbeit auf und wird gemeinsam von der Eawag und dem BAFU finanziert. Sie soll nicht nur Wissen bereitstellen, sondern auch konkrete Lösungsansätze für spezifische Herausforderungen erarbeiten.

 

Ökologische Risiken und wirtschaftliche Folgen gravierend

Die ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum stammende Quaggamuschel (Dreissena rostriformis) hat sich in weiten Teilen Europas und Nordamerikas etabliert. In der Schweiz bedroht sie vor allem tiefe, nährstoffarme Seen. Ihre Larven verbreiten sich teils über natürliche Strömungen, teils durch menschlichen Einfluss, etwa über Bilgen- oder Kühlwasser in Schiffen.

 

Einmal etabliert, lässt sich die Muschel nicht mehr aus einem Gewässer entfernen. Ihre Biomasse könnte in betroffenen Seen in den nächsten Jahrzehnten um das 9- bis 20-Fache anwachsen. Die ökologischen Auswirkungen sind massiv: Die Muschel verändert die Lichtverhältnisse im Wasser, stört das Nahrungsnetz und gefährdet heimische Fischarten. Darüber hinaus verstopft sie Wasserrohre und Kühlsysteme – mit hohen Folgekosten für Wartung und Erneuerung.

 

Fazit: Prävention als beste Investition

Die wichtigste Erkenntnis des Berichts: Prävention lohnt sich. Sie ist nicht nur ökologisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Die Schweiz hat jetzt die Chance, durch vorausschauende Planung, wirksame Schutzmassnahmen und internationale Kooperation langfristige Schäden zu verhindern. Doch dafür muss rasch gehandelt werden – bevor es zu spät ist.

 

 

Herausgeber

Eawag: Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs

http://www.eawag.ch


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