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Studie zeigt strukturelle Hirnveränderungen bei Kindern nach milder COVID-19-Erkrankung

DMZ – FORSCHUNG ¦ A. Aeberhard

 

Erstmals liefert eine umfassende MRT-Analyse Hinweise auf mögliche langfristige neurobiologische Auswirkungen der Pandemie auf das kindliche Gehirn.

 

Eine aktuelle Studie aus China, veröffentlicht im Fachjournal Scientific Reports, bringt neue Erkenntnisse über die Auswirkungen von COVID-19 auf das kindliche Gehirn. Die Forscherinnen und Forscher unter Leitung von Ting Peng und Chaowei Zhang nutzten hochauflösende Magnetresonanztomographie (MRT), um subtile, aber möglicherweise folgenreiche Veränderungen in der Hirnstruktur von Kindern zu dokumentieren, die eine milde COVID-19-Infektion überstanden hatten.

 

In der Untersuchung wurden 19 Kinder im Alter von 1 bis 6 Jahren mit mildem Krankheitsverlauf mit 22 gesunden Kontrollpersonen gleichen Alters verglichen. Dabei analysierten die Wissenschaftler nicht nur klassische MRT-Parameter wie Hirnvolumen und -dicke, sondern auch moderne Marker der sogenannten glymphatischen Funktion – eines Systems zur Reinigung des Gehirns – sowie die sogenannte „Local Gyrification Index“ (LGI), ein Maß für die Komplexität der Hirnwindungen.

 

Auffällige Veränderungen im linken Gehirnareal

Die Ergebnisse deuten auf signifikante strukturelle Veränderungen hin: Kinder mit COVID-19 wiesen eine vergrößerte Hirnfläche, ein gesteigertes Volumen und einen höheren LGI im linken superioren Parietallappen auf – einem Bereich, der unter anderem für Raumwahrnehmung und sensorische Integration verantwortlich ist. Zudem wurde eine verstärkte Dicke der Hirnrinde im linken lateralen Okzipitallappen festgestellt, einer Region, die an der Verarbeitung visueller Reize beteiligt ist.

 

Diese Veränderungen könnten laut den Autoren auf eine erhöhte neuronale Plastizität oder kompensatorische Anpassungsprozesse hinweisen – etwa um potenziell durch die Infektion beeinträchtigte Funktionen aufrechtzuerhalten. Interessanterweise steht dieses Muster im Gegensatz zu zahlreichen Studien an Erwachsenen, bei denen COVID-19 mit einer Abnahme der Hirnsubstanz und funktionellen Störungen in ähnlichen Arealen verbunden ist.

 

Veränderte Netzwerkstruktur und Hinweise auf Entzündung

Die Forscher analysierten darüber hinaus die strukturelle Konnektivität des Gehirns mittels sogenannter structural covariance networks (SCNs) und fanden bei den infizierten Kindern eine gestörte Netzwerkarchitektur. Die „lokale Effizienz“ – ein Maß für die funktionelle Spezialisierung von Hirnarealen – war im COVID-Kollektiv vermindert. Die Netzwerkzentren (Hubs), die bei gesunden Kindern in höheren kognitiven Regionen lokalisiert waren, verlagerten sich bei den COVID-19-Erkrankten in motorische und sensorische Areale, was auf eine potenzielle Beeinträchtigung komplexer kognitiver Prozesse hinweist.

 

Zusätzlich fiel ein vergrößertes Volumen des Plexus choroideus – einer Struktur, die an der Produktion von Hirnflüssigkeit beteiligt ist – bei den COVID-19-erkrankten Kindern auf. Diese Volumenzunahme könnte auf eine entzündliche Reaktion oder eine gestörte Zirkulation der Gehirnflüssigkeit hindeuten, wie sie auch bei anderen neurologischen Erkrankungen beobachtet wird.

 

Frühe Hinweise auf Langzeitfolgen – aber viele offene Fragen

Ob die beobachteten Hirnveränderungen langfristige neurokognitive Konsequenzen nach sich ziehen, bleibt unklar. Die Studie stellt lediglich eine Momentaufnahme mindestens zwei Wochen nach überstandener Infektion dar. Die Forschenden fordern daher dringend weitere, insbesondere longitudinale Studien, um festzustellen, ob es sich um reversible Anpassungsmechanismen, frühe Krankheitszeichen oder Vorboten späterer Entwicklungsstörungen handelt.

 

Zudem geben die Wissenschaftler zu bedenken, dass viele der identifizierten Veränderungen einseitig in der linken Gehirnhälfte auftreten – ein Muster, das in der COVID-19-Forschung mehrfach beschrieben wurde und das möglicherweise auf spezifische neurotropische Effekte des Virus hinweist.

 

Relevanz für Forschung und Gesundheitspolitik

Diese Studie liefert erstmals quantitative Hinweise darauf, dass auch milde COVID-19-Verläufe bei kleinen Kindern messbare Veränderungen im Gehirn hinterlassen können. Vor dem Hintergrund der kritischen Entwicklungsphasen im frühen Kindesalter sei dies besonders relevant, betonen die Autorinnen und Autoren. Die Resultate unterstreichen die Notwendigkeit, die neurobiologischen Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf junge Altersgruppen intensiver zu erforschen – und gegebenenfalls präventive oder therapeutische Strategien zu entwickeln.

 

Fazit

Die Arbeit von Peng et al. fügt ein wichtiges Puzzlestück zur wachsenden Evidenz über die neurologischen Effekte von COVID-19 hinzu – diesmal mit dem Fokus auf die bislang wenig untersuchte Altersgruppe der Kleinkinder. Sie macht deutlich: Die Pandemie könnte auch dort Spuren hinterlassen haben, wo sie zunächst kaum bemerkt wurden.

 

Studie: Peng, T., Zhang, C., Xie, P. et al. Multimodal MRI analysis of COVID-19 effects on pediatric brain. Scientific Reports 15, 11691 (2025). 
https://www.nature.com/articles/s41598-025-96191-4


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