
DMZ – INTERNATIONAL ¦ Tony Lax ¦
KOMMENTAR
Während in den USA gerade ziemlich offensichtlich ein Staatsstreich vollzogen wird, rotteten sich am letzten Wochenende in Madrid die europäischen Rechtsaussen-Nationalisten zusammen, um sich gegenseitig im Bestreben, Europa "von innen umzubauen", zu bekräftigen. Aus dem Trumpschen MAGA wurde dabei MEGA – und irgendwie wird einem ein bisschen gaga dabei.
Die Richtung des europäischen Patriot*innen-Konglomerats ist ungefähr klar: Man fordert eine "eiserne Verteidigung" der Grenzen und will das "kulturell christliche Europa" gegen die potenzielle "Verunreinigung" insbesondere durch die Zuwanderung aus muslimisch geprägten Staaten retten.
Die Konturen der Feindbilder sind scharf: Man wettert gegen die EU-Bürokratie, gegen die EU-Klimaschutzauflagen ("die grünen Pakte"), gegen die "korrupte EU-Elite", gegen die "Woke Culture" und den "linken Identitäsfaschismus" und natürlich gegen irreguläre Einwanderung.
Gewiss, man sage Ja zu einer Mitgliedschaft in der EU, allerdings nur unter der Bedingung, dass die nationalen Souveränitäten respektiert und einem kein "klimatischer Fanatismus" aufgezwungen werde, wie es José Antonio Fùster, der Bundessprecher von Spaniens ultrarechter Vox-Partei formulierte. Aber natürlich: Ein Ja zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union macht auch Sinn, denn da stehen immerhin einige Geldtöpfe, auf deren Inhalt man begierlich schielt.
Selbst wenn auch einem nicht rechtsorientierten Zeitgenossen der eine und andere inhaltliche Aspekt, der an diesem Treffen aufgeworfen wurde, nachvollziehbar erscheint, z. B. die Kritik an der EU-Bürokratie, so reibt er sich hinsichtlich anderer Punkte dann doch etwas die Augen.
Z. B. Korruptionsbekämpfung.
Dieses Postulat klingt gerade aus dem Munde eines Viktor Orban, dem grossen EU-Subventionenprofiteur, besonders irritierend. Schliesslich ist Orban bekannt dafür, dass er EU-Gelder zielsicher in die Taschen seiner Freunde oder Familienmitglieder fliessen liess und dass er mitunter ausländische Unternehmen unter Druck setzt, um Geschäftsanteile für seine Gefolgsleute zu erpressen. Ungarn gilt mittlerweile als das korrupteste Land in der EU. Orban wird zudem Justizbehinderung und Machtmissbrauch vorgeworfen.
"Der Trump-Tornado" habe die Welt in wenigen Wochen verändert, lobhudelte Orban in seiner Rede in Madrid an die Adresse seines US-präsidialen Vorbilds. Dies, obwohl die USA erst eben wegen Korruptionsvorwürfen Sanktionen gegen den Leiter des Kabinetts von Orban, Anatal Rohan, verhängt haben mit der Begründung: Die Tätigkeit von Herrn Rohan sei "sinnbildlich für das Klima der Straflosigkeit, in den Oligarchen und undemokratische Akteure Schlüsselelemente des Staates übernommen haben."
Man blickt bei einer solchen Aussage mit einiger Verwunderung natürlich auch auf das politische Geschehen in den USA selbst.
Der in Madrid ebenfalls anwesende Matteo Salvini ist korruptionstechnisch auch nicht unbefleckt und hat den Verdacht, die Lega habe in seiner Zeit als Parteivorsitzender Spenden aus Russland erhalten, bislang nicht überzeugend entkräften können. Gemäss Recherchen internationaler Medien war Salvinis damaliger Pressesprecher Gianluca Savoini sogar ein langjähriger Mittelsmann der russischen Putin-Oligarchie mit weiteren rechtsextremen Parteien in Europa, wie z. B. der deutschen AfD oder der französischen Front National.
Wenn Salvini in seiner Rede markig festhält: "Die Staaten legitimieren die EU, nicht umgekehrt", dann unterschlägt geschickt, dass die EU-Politik ein Balanceakt zwischen nationalen Interessen und supranationalen Institutionen ist und es keine zentrale Macht gibt, sondern sämtliche Entscheide in einem Geflecht von Kooperation und Kompromissen gefällt werden.
Die gewichtigste französische Stimme im europäischen Patriot*innen-Chor, Marie Le Pen, griff in ihrem Beitrag nebst der dem Klimaschutz verpflichtete Politik der EU auch den umstrittenen EU-Migrations-und Asylpakt an. Sie kritisierte, dass die Einwanderung ein "Fass ohne Boden" sei, welches die Kassen leere und die Gefängnisse füllen. Le Pen wartet aktuell allerdings selbst auf ein Gerichtsurteil, nämlich auf das des im letzten November abgeschlossenen Untersuchungsprozesses wegen Verdachts auf Veruntreuung von EU-Geldern. Ihr drohen eine mehrjährige Haft und ein Politikverbot, weil in den Jahren von 2004 bis 2026 mutmasslich bis zu 6.8 Millionen Euro durch falsch Lohnabrechnungen für die Europaabgeordneten aus Le Pens Partei abgezweigt worden seien. Die Staatsanwaltschaft spricht gar von einem "gut organisierten System", mit dem Gelder aus dem Europäischen Parlament in die Taschen von Parteifunktionären geflossen seien. Das Urteil wird dieses Frühjahr erwartet.
Mithilfe dieser und vieler anderer illustrer Protagonisten will Santiago Abascal, Führer der Vox-Partei und Gastgeber der Madrider MEGA-Party, nun also die "Reconquista", die "Rückeroberung" Europas ins Werk setzen und er schwärmt dabei von einem "historischen Sieg der Ideen von Freiheit und Souveränität."
Ja, klingt tatsächlich mega.
Das findet auch der MAGA-Mega-Milliardär Musk, der am 1. Februar auf seinem X-Kanal schrieb:
"People of Europe:
Join the MEGA movement!
Make Europe Great Again!!"
An die 100 Millionen Views erhielt der Beitrag bislang.
Aber das alles erscheint auch mega erschreckend, denn beim Begriff "Reconquista" denkt man doch unweigerlich an die christliche Rückeroberung der Iberischen Halbinsel durch die Spanier und die damit einhergegangenen brutalen ethnischen und religiösen Säuberungen bzw. Zwangskonversionen von Muslimen und Juden. Die Vox-Partei ruft regelmässig zum "kulturellen Kreuzzug" auf; Geert Wilders applaudiert ihr und feiert die spanische Reconquista als historisches Vorbild zur Bewahrung des christlichen Erbes.
"Gestern waren wir für einige die Vergangenheit, ein Irrsinn – heute sind wir die Zukunft", sagte Viktor Orban ins Mikrophon.
Ob da wirklich eine grossartige und nicht eher eine irrsinnige Zukunft auf uns zukommt?
PS: Die AfD war übrigens nicht bei den Patrioten aufgenommen worden, weil sich sowohl Melonis Fratelli d'Italia wie Orbans Fidez und insbesondere auch Le Pens Rassemblement national wegen der extremen Positionen der "Alternative für Deutschland" und deren Umgang mit dem Nationalsozialismus strategisch von ihr distanziert hatten.
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