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CH: Medikament-Abgabe per Textilfaser: Auf die inneren Werte kommt es an

Empa-Forscherin Edith Perret entwickelt spezielle Fasern, die Medikamente gezielt abgeben können. Bild: Empa
Empa-Forscherin Edith Perret entwickelt spezielle Fasern, die Medikamente gezielt abgeben können. Bild: Empa

DMZ – WISSENSCHAFT / MM ¦ AA ¦    Empa-Forscherin Edith Perret entwickelt spezielle Fasern, die Medikamente gezielt abgeben können. Bild: Empa

 

Dübendorf, St. Gallen und Thun - Um Medikamente lokal und kontrolliert über längere Zeiträume abzugeben, stoßen herkömmliche Methoden wie Salben oder Spritzen an ihre Grenzen. Forschende der Empa entwickeln daher Polymerfasern, die Wirkstoffe langfristig und präzise freisetzen können. Diese „Flüssigkernfasern“ enthalten Medikamente in ihrem Inneren und lassen sich zu medizinischen Textilien verarbeiten.

 

Lokal und gezielt: Die Vorteile der neuen Methode

Die direkte Behandlung von Wunden oder Entzündungen am Ort der Entstehung bietet klare Vorteile: Der Wirkstoff gelangt sofort an sein Ziel, während negative Nebenwirkungen auf andere Körperteile entfallen. Allerdings sind gängige lokale Verabreichungsmethoden oft unzureichend, wenn es darum geht, Wirkstoffe über längere Zeit präzise zu dosieren. Sobald eine Salbe die Tube verlässt oder eine Injektionsflüssigkeit aus der Spritze strömt, lässt sich die Wirkstoffmenge kaum mehr steuern.

 

Hier setzen die Forschungen von Edith Perret aus dem Empa-Labor „Advanced Fibers“ in St. Gallen an. Ihr Team entwickelt medizinische Fasern mit speziellen „inneren Werten“: Die Polymerfasern umschließen einen flüssigen Kern mit medizinischen Wirkstoffen. Ziel ist es, Produkte wie chirurgisches Nahtmaterial, Wundverbände und Textilimplantate zu schaffen, die Schmerzmittel, Antibiotika oder Insulin über längere Zeiträume präzise abgeben können. Auch eine individuelle Dosierbarkeit im Sinne einer personalisierten Medizin wird angestrebt.

Bioverträglich und maßgeschneidert

 

Ein entscheidender Faktor für die Umwandlung einer herkömmlichen Textilfaser in ein Medizinprodukt ist das Material des Fasermantels. Das Team wählte hierfür Polycaprolacton (PCL), ein bioverträgliches und bioabbaubares Polymer, das bereits erfolgreich im medizinischen Bereich eingesetzt wird. Der Fasermantel umschließt den flüssigen Kern, der etwa Schmerzmittel oder antibakterielle Wirkstoffe enthält, und gibt diese kontrolliert an die Umgebung ab.

 

In einer speziell konstruierten Pilotanlage erzeugten die Forschenden mittels Schmelzspinnen PCL-Fasern mit einem durchgehenden Flüssigkern. Erste Laborversuche zeigten, dass diese Flüssigkernfasern stabil und gleichzeitig flexibel sind. Das Team konnte bereits zuvor erfolgreich demonstrieren, dass dieses Verfahren auch im industriellen Maßstab funktioniert.

 

Präzise steuerbar und langfristig wirksam

„Dank einer Vielzahl verschiedener Parameter lassen sich die Eigenschaften der medizinischen Fasern präzise steuern“, erklärt Empa-Forscherin Perret. Nach umfassenden Analysen mittels Fluoreszenzspektroskopie, Röntgentechnologie und Elektronenmikroskopie konnte das Team den Einfluss von Manteldicke und Kristallstruktur des Mantelmaterials auf die Abgaberate von Medikamenten nachweisen.

 

Je nach Wirkstoff kann das Herstellungsverfahren angepasst werden: Wirkstoffe, die unempfindlich gegenüber hohen Temperaturen sind, können direkt in einem kontinuierlichen Prozess in den Kern der Fasern integriert werden. Für temperaturempfindliche Medikamente entwickelte das Team ein Verfahren, bei dem zunächst ein Platzhalter den Flüssigkern ausfüllt, der nach dem Schmelzspinnen durch den empfindlichen Wirkstoff ersetzt wird.

 

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Ein großer Vorteil der Flüssigkernfasern ist die Möglichkeit, den Wirkstoff aus einem Reservoir über einen längeren Zeitraum freizusetzen. Mit Durchmessern von 50 bis 200 Mikrometern sind die Fasern robust genug, um zu Textilien verarbeitet zu werden. Sie könnten aber auch ins Körperinnere eingeführt werden und dort Hormone wie Insulin abgeben. Zudem können Fasern, die ihr Medikament abgegeben haben, erneut befüllt werden.

 

Zukunftsaussichten und klinische Partnerschaften

In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden chirurgisches Nahtmaterial mit antimikrobiellen Eigenschaften ausstatten. Mit dem neuen Verfahren sollen verschiedene Flüssigkernmaterialien mit medizinischen Wirkstoffen gefüllt werden, um Gewebe bei einer Operation so zu vernähen, dass Wundkeime keine Chance haben, eine Infektion auszulösen. Empa-Forscherin Perret ist überzeugt, dass zukünftige Kooperationen mit klinischen Partnern die Basis für weitere innovative Anwendungen bilden werden.

 

 

 

Herausgeber:

Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
http://www.empa.ch


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