Natalies Diary: Ideologen aller Länder, vereinigt euch!

DMZ –  Natalie Barth ¦                                Bildquelle: www.freepik.com

KOLUMNE

 

"Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens." (Friedrich Dürrenmatt)

 

Lieber Leser, liebe Leserin, lass mich heute eine unbequeme Wahrheit aussprechen: Ideologen, die ihre Ideologie* gerne anderen aufs Auge drücken, sind überall. Denn jeder von uns ist ein kleiner Ideologe, der verzweifelt versucht, andere von seiner vermeintlich einzig richtigen Perspektive zu überzeugen. Anstatt immer wieder selbstkritisch zu reflektieren, halten wir unbeirrt an unseren Überzeugungen fest und finden natürlich immer nur die anderen blöd, unlogisch, und undifferenziert. Und wenn’s komplett ausartet, finden wir sogar eine Menge an beleidigenden und diskreditierenden Worten für die gegnerische Partei. Als die in den letzten Jahren wohl am häufigsten gebrauchten Diffamierungskeulen fallen mir ein: Nazi, Schlafschaf, Systemling, Schwurbler, Rassist, Faschist. Ein wahrhaft tragikomisches Spektakel!

 

Es ist ein Phänomen, das uns alle betrifft, ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht. Von der Politik über die Religion bis hin zu unseren persönlichen Überzeugungen in sämtlichen Lebensbereichen - überall stoßen wir auf die unerschütterlichen Bastionen der Überzeugten, die ihre Werte, ihre Moral und ihre Weltanschauung gerne bestätigt wissen möchten. Warum? Weil wir glauben, wir selbst würden auf der richtigen Seite stehen. Doch mein lieber Mitideologe, meine liebe Mitideologin, ist das wirklich so? Stehen wir auf der richtigen Seite? Gibt es denn eine richtige Seite?

 

Wir klammern uns an unsere Dogmen und verteidigen sie mit einer Leidenschaft, die einem religiösen Eifer gleichkommt.


Die Wahrheit wird wohl eher so aussehen, dass es für die komplexen Probleme und Fragen dieser Welt selten nur eine einzige richtige Seite oder Perspektive gibt. Doch anstatt dies anzuerkennen, klammern wir uns an unsere Dogmen und verteidigen sie mit einer Leidenschaft, die einem religiösen Eifer gleichkommt.

 

Sollten wir nicht lieber ein wenig Selbstkritik und Gelassenheit walten lassen? Sollten wir nicht akzeptieren, dass unsere Sicht der Dinge vielleicht nicht die einzig gültige ist? Doch Moment mal, das würde ja bedeuten, dass wir uns eingestehen müssten, nicht immer Recht zu haben. Und das wäre ja fast schon eine unerträgliche Vorstellung, nicht wahr?

 

Ideologen und ihre Scheuklappen

Also setzen wir lieber unsere ideologischen Scheuklappen auf, um ja nicht von der vermeintlich richtigen Spur abzukommen. Denn wer will schon zugeben, dass er vielleicht auf dem falschen Weg ist oder sogar für längere Zeit war? Doch bedenken wir bitte folgendes: Wer glaubt, auf der richtigen Seite zu stehen, steht schon mal grundsätzlich falsch. Denn diese eine richtige Seite gibt es ganz ganz selten. Vielleicht noch bei der Mathematik (ich glaube zu meinen, dass es zu der Erkenntnis 1 + 1 = 2 recht wenig neue Perspektiven in den letzten Jahrtausenden gab). Eine Erkenntnis, die uns allen ein wenig Demut und Bescheidenheit abverlangen könnte.

 

In einer Welt, die von ideologischer Überzeugungsarbeit auf politischem, religiösem, gesundheitlichem, gesellschaftlichem, moralischem Gebiet und unerschütterlichen Standpunkten durchdrungen ist, sollten wir uns vielleicht öfter fragen: Sind wir wirklich so klug und objektiv, wie wir glauben zu sein? Oder sind wir nicht vielmehr alle nur kleine Ideologen, die sich in ihrer eigenen Selbstgewissheit verirrt haben?

Wenn man sich selbst für den unfehlbaren Gott der Weisheit und Moral hält, ist es nur eine Frage der Zeit, bis man auf die Nase fällt - und das nicht gerade elegant. Vertraut mir, ich spreche aus Erfahrung.

 

Der heutige Ideologiebegriff steht für das gesamte Denk-, Wertungs- und Normensystem einer Gesellschaftsgruppe, besonders aber für deren weltfremde Dogmen und starre, einseitige, interessenverzerrte Weltkonzepte, die alle Probleme der menschlichen Gesellschaft auf wenige oder gar eine einzige Ursache zurückführen und für deren Lösung den richtigen Weg zu wissen vorgeben. Von Ideologisierung spricht man dann, wenn an die Stelle einer kritischen Objektivität ein als unhintergehbar behauptetes, den objektiven Gegebenheiten zuwiderlaufendes subjektives Wert- und Wahrheitsmaß als „Ist-Aussage“ gesetzt wird.» Quelle: Ideologie Definition, Geschichte und Merkmale / Beispiele (juraforum.de)

 

 

Natalie Barth schreibt für den Blog www.nataliesdiary.com, auf dem es viele Artikel zu allen möglichen Themen auch zum Anhören gibt. Außerdem betreibt sie den Aufklärungskanal auf YouTube «Natalie Barth – Die Sekte und das Leben danach». 

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