Handeln wir technologieoffen oder vielleicht doch interessengetrieben – und warum?

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Es gibt in Deutschland unverändert in vielen Bereichen eine exzellente Grundlagenforschung. Technologien von MP3 bis zu PV gehen auf Forschung in Deutschland zurück. Daraus relevante Industrien sind in Deutschland oft nicht entstanden. Viele sagen, das liege am zu kleinen Inlandsmarkt, an Nachteilen bei der Finanzierung und den Kapitalmärkten. Das ist ganz sicher so. Den jeweiligen Regierungen wird ebenfalls vorgeworfen, Zukunftsthemen und Innovationen zu behindern. Das mag auch so sein, aber warum?

 

Eine weitere Komponente für diese Versäumnisse liegt aus meiner Sicht in den Interessen der etablierten Industrien sowie deren Einflussnahme auf die Politik – sowie leider auch die Wissenschaft! Aktuelles Beispiel sind Kraftwerksbetreiber versus Batteriespeichern im Stromsystem (BESS). Erstere haben eine starke Lobby und großen politischen Einfluss. Grimm et al. werden nicht müde, uns, unseren Medien, unserer Politik die Notwendigkeit von Kraftstoffen, H2, Kraftwerken sowie der vielen erforderlichen Fördermittel zu erklären. BESS haben keine Lobby. Dazu hören und lesen wir stereotyp: Zu teuer, nicht machbar, zu wenig Kapazität. Das jüngste, in der Frage skandalös naiv bis falsch gerechnete Grimm-Papier wiederholt das erneut.

 

Daher liest man in Grundlagenpapieren aus deutschen Quellen sehr viel über Batterietechnologien, neue Rohstoffe, Aufbaukonzepte, Anwendungsbereiche. Aber über konkrete Projekte, gebaute Prototypen oder gar erste größer skalierte konkrete Speicher, über die ersten Pläne, daraus mal eine Gigafactory zu machen, also industriell skalierte Produkte in großer Zahl konkret auszuliefern – das liest man nur international. Hier finden sich dann auch die vielen, hoch komplexen Berechnungen, was das für Stromspeicherkosten und den Einfluss auf die Gesamtsystemkosten einer Energieversorgung bedeuten könnte. Man erfährt, dass solche BESS sehr genau für ihren konkreten Einsatzzweck konzipiert werden müssen, auf eine Optimierung von Be- und Entladezyklen, dass es hier darum geht, die Lebensdauer und Zahl der Ladezyklen zu optimieren, ein Wartungskonzept zu erstellen, um bis auf Modulebene einzelne Elemente zu recyclen und wieder zu ersetzen, dass Kosten für Herstellung und laufenden Betrieb, Lebensdauer und dabei gespeicherte Energiemengen alles andere als trivial sind, dass diese bei kluger Planung von Konzept und konkretem Einsatz aber längst im unteren Centbereich pro KWh liegen. Und ja, man liest Ideen, BESS von kurzfristiger Pufferspeicherung bis zu langfristigen Saisonspeichern einzusetzen, was ebenfalls zu sehr unterschiedlichen Spezifikationen führt.

 

Wir aber werden von Energie-Experten wie Grimm et al. beraten, die eine simple Excel-Tabelle mit Capex/Opex-Spielchen aus einem Erstsemester vorlegen, zudem auch noch mittels einer Beispielrechnung (!!), die damit in Medien und bis zu Regierungsmitgliedern wirken, um festzustellen, das wäre alles ohnehin viel zu teuer. BESS haben keine Lobby, Kraftstoffe und Kraftwerke eine starke. Eine unheilvolle Parallele zum Verbrennungsmotor mehr.

 

Ich halte es für falsch, Regierungen zu unterstellen, sie setzten sich nicht für die Interessen der Wirtschaft ein. Das mag es geben, aber es gibt leider auch das Gegenteil, nämlich den Einsatz für die falschen Interessen. Beim Verbrennungsmotor war das so. Das Narrativ, diverse Regierungen oder die EU hätten der deutschen Automobilindustrie geschadet, weil sie gegen deren Interessen handelten, ist grundsätzlich falsch. Der Schaden ist – auch! – entstanden, weil man sich FÜR deren Interessen zu stark und zu lange hat einspannen lassen.

 

Bei den Kraftwerken sollten wir das nicht wiederholen. Deren Rolle im Wettbewerb zu BESS muss mal wirklich technologieoffen im Wettbewerb der Ingenieure, Erfinder und der privaten Investoren gefunden werden. Global findet das ohnehin statt, es ist naiv zu unterstellen, ein Land wie Deutschland könne das anders machen. Wenn BESS sich global durchsetzen, werden die Europäer ihre Kraftwerke – ja, auch die Franzosen! – als Investitionsruinen abbauen und sich mal wieder wundern, warum man das alles nicht wissen konnte.


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