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Die Pressekonferenz des BDEW zum Jahresauftakt ist eine leise Ohrfeige für Politik und Medien

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Der BDEW bündelt die Interessen der gesamten Energiewirtschaft, also von fossilen Geschäftsmodellen über Kraftwerksbetreiber, große wie kleine Versorger bis zu den Erneuerbaren. Seine Arbeit ist die eines Lobby-Verbandes, der Interessen der Unternehmen vertritt, aber Ideologie darf man hier kaum vermuten. Aufgrund der Vielfalt der Unternehmen ist die Arbeit natürlich bereits intern „politisch“ und das gilt für die öffentliche umso mehr. Daher ist die in Teilen ausgesprochen deutlich Klarheit der Pressekonferenz besonders bemerkenswert.

 

Zu den Stromimporten stellt der BDEW klar, dass in der Tat die Exporte stark gesunken und die Import gestiegen sind, was aber ausschließlich an den „zeitweise niedrigeren Preisen im Ausland“ lag. Die Preisdifferenz hatte auch mit den gestiegenen CO2-Preisen zu tun, weshalb die inländischen Kohlekraftwerke gegenüber dem ausländischen Stromangebot zu teuer wurden. Insbesondere wurde klargestellt: Der deutsche Importüberschuss sei marktgetrieben und bedeute weder eine Abhängigkeit von den Nachbarstaaten noch dass es in Deutschland Erzeugungsknappheiten gebe.

 

Auch zur Kernenergie gibt es vollkommen klare Bewertungen: Die nicht erfolgte Laufzeitverlängerung habe zu dem Geschehen „beigetragen“, aber auch die Erzeuger selbst hätten „kein Interesse“ an einem Weiterbetrieb. Unmissverständlich wird deutlich, dass Verlängerungen von Kernenergie eine Übergangsfunktion haben, die sich auf dem europäischen Markt durch die nun wieder angebotenen Überschüsse Frankreichs bemerkbar mache. Aber der Bau neuer Kraftwerke sei „zu teuer“ und „komme viel zu spät“. Sehr deutlich wurde die Geschäftsführerin Andreae zur politischen Debatte, denn es „brauche keine neue Atomdebatte“, wie sie etwa die FDP und die CDU anregen, sondern die „Erneuerbaren müssten im Zentrum“ stehen.

 

Der BDEW stellt sich demnach voll hinter den Plan, die wesentliche Energiemenge der Zukunft aus Erneuerbaren zu erzeugen und insbesondere H2-fähige Gaskraftwerke als Reserve zu planen. Dazu wird derzeit in vielen Medien Lobby-Arbeit gemacht, denn es werden von den Betreibern und das macht sich der BDEW zu eigen, sowohl Subventionen als auch neue Marktstrukturen oder Marktanreize für solche Reserveleistungen gefordert. Ebenso wird der zögerliche Ausbau der Netzinfrastrukturen bemängelt und bereits warnend darauf hingewiesen, dass die bestehende Systematik, diese über Netzentgelte umzulegen sowie in dem Bereich wegen der Sparpolitik die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu streichen, zu steigenden Strompreisen führen wird.

 

Genau diese Effekte bei den Netzentgelten hatte ich schon mal thematisiert. Bei der Frage der Reservetechnologie ist meine Sicht etwas differenzierter, hier werden durch die Interessen des BDEW, die sich mit den Plänen der Bundesregierung decken, m.E. Kraftwerke überbewertet und Stromspeicher vernachlässigt. Aber man kann das technisch sicher so machen, wie es jetzt beabsichtigt ist und wird tatsächlich auf weitere Defizite unseres Markt-Designs treffen. Das würde ich aber ebenfalls etwas differenzierter sehen. Das derzeitige Design sieht so etwas wie eine „Atomisierung“ der Akteure vor. Es gibt sehr grob gesagt Stromerzeuger, es gibt Händler und Versorger. Jedes Unternehmen kann sich aussuchen, welche dieser Modelle es wie genau betreibt. Das führt, dem ist nicht zu widersprechen, zur Feststellung, dass diese Gaskraftwerke zukünftig unrentabel werden, weil sie nur sehr selten laufen – tja, so ist das nun mal mit den fürchterlichen „Dunkelflauten“.

 

Nun ist bei Amazon&Co die Retourenabteilung mit Sicherheit auch unrentabel, aber es ist nicht bekannt, dass diese Unternehmen deshalb um Subventionen bitten. Das ist keine Kritik an den Unternehmen, denn wenn der Gesetzgeber im Handel reguliert hätte, dass Verkauf und Retouren getrennt abzurechnende Marktangebote sind, würden Amazon&Co genau dieselben Forderungen stellen. Es ist ganz offensichtlich, dass die EU vor echten Reformen des Stromsektors steht. Entweder muss diese „Atomisierung“ wieder etwas zurück geführt werden, so dass die Rolle von Versorgern wieder entsteht, die in einem integrierten Geschäftsmodell Strom 24×7 liefern und dann intern prüfen, mit welchen Reserveleistungen sie arbeiten und wie sie die finanzieren. Alternativ muss die „Atomisierung“ weiter entwickelt werden, dann brauchen wir sogar zwei neue Marktsegmente für die tägliche Stabilitätsleistung sowie die seltene Reserveleistung.

 

Interessant ist, dass diese sehr fundierten und grundsätzlichen Aussagen des BDEW in den Medien fast keine Rolle spielte und seitens der Politik gibt es ebenfalls keine Reaktion. Man will wohl gemeinsam diese Ohrfeige lieber übergehen. Anbei ein paar wenige Quellen, die sich dazu öffentlich finden. Der BDEW hat die PK leider nicht komplett online gestellt. Vielleicht mit Absicht, man wollte das Thema möglicherweise eher als „leisen“ Hinweis sowohl in Richtung Bundesregierung, aber auch zur Opposition verstehen. Bedauerlich, denn das sollte wirklich jeder in Deutschland zur Kenntnis nehmen!

 

Bericht der FAZ: https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2024-01-12/4f9da8edea7347972ce180fdbd1f8f51/?GEPC=s5

 

PM des BDEW, leider ohne die „politischen“ Klarstellungen: https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/bundesregierung-muss-kraftwerksstrategie-zuegig-vorlegen-und-stromkosten-daempfen/

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