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Die Notwendigkeit agiler Geld- und Fiskalpolitik in vier Bildern

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Zwei geniale Bilder in der FT, die ich gerne noch um die Inflationsentwicklung ergänze. Ich erhebe diese Korrelation nicht zur Kausalität, denn Wachstum und Inflation sind natürlich wesentlich komplexere Systeme, die nicht alleine durch Geld- und Fiskalpolitik erklärbar sind. Sowohl Corona als auch die Energiepreiskrise hatten in Europa und den USA sehr differenzierte Konsequenzen. Zudem ist Europa sehr eng mit der US-Finanzpolitik verflochten, man kann diese Entwicklungen also nicht als unabhängig bewerten.

 

Trotzdem darf man hier zur Kenntnis nehmen, dass die USA auf die Corona-Krise sowie die interessanterweise dort zunächst stärker wirkende Energiepreiskrise jeweils wesentlich agiler reagiert haben und danach ebenso agil die fiskalpolitischen Maßnahmen kürzten. Ein klares Indiz für die These, dass solche antizyklischen staatlichen Interventionen wichtig sind und dass sie wirken. Voraussetzung ist aber, sie sehr rasch und konsequent einzusetzen, was den Rückzug genauso betrifft.

 

Was die Inflation betrifft, so ist bis heute strittig, ob die nicht ganz wesentlich durch die realen Störungen in der Angebotskette ausgelöst und durch die Geld- sowie Fiskalpolitik allenfalls verstärkt wurde. Das ist nebenbei auch meine Position und ich halte von den gerne erhobenen Vorwürfen, die Notenbanken und Regierungen hätten die Inflation verursacht, gar nichts. Aber auch hier sieht man, dass die Inflation in den USA zwar früher kam, aber nicht so hoch ausgefallen ist und auch schneller wieder zurück kommt.

 

Das – in beiden Richtungen – agilere Verhalten der US-Fiskalpolitik sowie – hier leider nicht dargestellt übrigens auch der Geldpolitik durch die FED – erkläre ich wie gesagt hier nicht zur singulären Kausalität für Wachstum und Inflation. Aber ein Indiz für einen relevanten Beitrag dazu kann man schon darin sehen und damit zugleich den Hinweis ableiten, dass die Europäer sich Gedanken darüber machen sollten, ob ihre Mechanismen und Entscheidungsprozesse zu träge und zu unflexibel sind. Das gilt übrigens für die durch Deutschland maßgeblich beeinflussten „Bremsen“ bei der Ausweitung geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen, wie für die von den sogenannten „Südländern“ präferierten Ideen, diese als Dauerinstrument zu nutzen.

 

Vor allem möchte ich den Gedanken betonen, dass es neben der reinen Menge an staatlichen Geldern natürlich vor allem darum geht, wie die eingesetzt werden. Auch hier war die USA voller kreativer Ideen. Trump hat Helikopter-Money eingesetzt, um direkt und unbürokratisch die finanzschwachen (und nur die!) Privathaushalte zu stützen. Biden hat das Geld gezielt in die Chipindustrie sowie in moderne Energiesysteme geleitet. Jeweils also strukturell sehr große und trotzdem gezielte Pakete, die man mit der komplett unstrukturierten „Wummspolitik“ besonders kritisch vergleichen sollte.

 

Wie so oft daher das Fazit, dass „beide Seiten“ unserer starren Denkpole sich hier dringend bewegen sollten. Schuldenbremsen mit wissenschaftlich fragwürdigen „Grenzwerten“ sind kein modernes Instrument, Geld- und Fiskalpolitik ohne realwirtschaftliche Regeln als rein politische Entscheidung ebenso wenig. Generell für alle Seiten ist es zudem erforderlich, dass die konkrete Verwendung staatlicher Mittel wesentlich intelligenter zu erfolgen hat, wozu auch die anschließenden Rechenschaftsberichte gehören. Die bisher von allen Politikern vermiedene Frage der Zweckbindung staatlicher Mittel inklusive des Nachweises, ob diese Zwecke erreicht werden, gehört auf die Tagesordnung. Daran – und nur daran – sollte sich übrigens die Höhe der eingesetzten Mittel orientieren.

 

Wie in jedem Unternehmen muss jede Planung mit der Frage beginnen, was notwendig ist und erreicht werden soll, dann erst kommt die Frage, welche Mittel dafür erforderlich sind und wie die beschafft werden. Operativ schließt sich die regelmäßige kritische Prüfung an, ob der Zweck erreicht wird und die Mittel dafür effizient verwendet werden. Jeder Kleinstunternehmer agiert längst so, sonst wäre er schnell weg. Das Totschlagargument, der Staat sei kein Unternehmen, darf mal enden, denn er ist kein Unternehmen, er hat insbesondere gänzlich andere Aufgaben, aber moderne Methodik für Planung und Einsatz von Ressourcen darf er trotzdem für sich nutzen.

 

Das Thema ist offensichtlich dringend, denn diese Kurven sollte niemand unterschätzen. Das sieht grafisch für das menschliche Auge vielleicht gering aus, aber die aufgehende Schere beim Wachstum ist gewaltig und bei der Inflation, die zudem Rate eines exponentiellen Prozesses ist, sieht es leider genauso aus.

 

Wenn man die einschlägige „Fernsehökonomie“ mit stereotypen Appellen zu „Sparhaushalten“ sowie einer „strikten Geldpolitik“, nicht endenden Warnungen vor Inflation, die daraus folgenden wirren, sowohl inflationsdämpfenden wie zugleich inflationstreibenden, letztlich vor allem wachstumsdämpfenden Interventionen des Staats sowie eine dadurch europaweit bald hilflose Notenbank sieht, bekommt man leider den Eindruck eines Hühnerhaufens, der sich in so vielen Gegen- und Promaßnahmen verstrickt, dass nichts mehr vom Fleck kommt.

 

Ein erster Schritt in Deutschland könnte darin bestehen, dass veraltet daher redende Ökonomen und vor allem selbst erklärte „Wirtschafts- und Finanzpolitiker“ sich auf die Branche Entsorgung, Spezialrubrik Altpapier fokussieren und zur Kenntnis nehmen, dass ihre Thesen selbst in der aus meiner Sicht immer noch etwas rückständigen Lehre an deutschen Hochschulen nicht mehr stattfinden.

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