Die Schuldenbremse, 17 Milliarden Krampf und ein BIP-Rückgang von 0,5% – keine komische Oper

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Großes Kino – wer hat Popcorn zur Hand?

 

Nachdem die eine Hälfte der Ökonomen den Standpunkt vertreten hat, dass es keine bessere Idee als die Schuldenbremse gibt, während die andere zumindest deren Reform empfiehlt, sind sich nun alle einig in der Bewertung dieser ganz und gar kontraproduktiven ersten „Anwendung“ eben jener Regelung. Da wird also durch Kürzungen mehr Schaden als Nutzen erzeugt, exemplarischer Artikel dazu aus der FAZ.

 

Schaut man sich diesen nun um 17 Milliarden, eine wirklich für Deutschland komplett unerhebliche Summe, zurecht gestutzten Haushalt mal genauer an, so sieht man nicht überraschendes: An den ganz großen Posten kann man gar nichts machen. Während die Union eine mehr als billige Sozialneiddebatte fährt, kürzt die Ampel in dem Bereich ein paar Briefmarken. Teilweise übrigens nur versteckte Schulden von morgen, so die Kürzung der Zuschüsse in die Rentenkasse. Das wird gewiss Wahlkampfthema, denn die Union wird behaupten, dass es viele Briefmarken mehr sind, während SPD und Grüne die alle für unverzichtbar erklären dürften. Was ziemlich sicher beides nicht stimmt und ganz sicher beides vollkommen irrelevant ist.

 

An strukturelle Kosten wie die vollkommen ineffizienten Verwaltungen und diese gigantische rechte Tasche, linke Tasche Umverteilungsmaschine kommt so schnell keiner heran. Die wird noch größer, wenn hier teilweise durch Steuern Energiepreise und andere wachsen. Das wird bei den Sozialhaushalten dasselbe Wachstum erzeugen. Aber von Strukturen, einer Verwaltungsreform, von effizienten Methoden, die soziale Bedürftigkeit mal auf ebene von Haushalten oder Personen festzustellen, davon redet niemand. Das wäre nämlich eine so tiefgreifende Reform des Staatsapparats selbst, dass keiner den Mut hat, das Thema überhaupt anzusprechen. Merz sagt klar, der Lindner solle mit dem, was er hat, auskommen, der Lindner sagt, dass er es hinkriegt und dann liefern die sich einen Kleinkrieg über Briefmarken, um gigantische 17 Milliarden raus zu schneiden.

 

Was für eine Oper!

Keine Regierung wird in der Lage sein, mit dem Geld effizienter umzugehen. Dafür fehlen schlicht die Instrumente. Wir werden weiter Gießkannen erleben, weil es mit dem Hobel namens Verwaltung gar nicht anders geht und das wird diese Etats auf der Ausgaben- und auf der Einnahmenseite weiter aufblasen. Da kann Merz nur hoffen, nicht selbst Finanzmurkser zu werden, um vielleicht den Fachmann fürs ganz fein grobe Linnemann erklären zu lassen, warum es doch nur Briefmarken waren, von denen geredet wurde.

 

Wäre dieselbe Oper, wird vielleicht dieselbe Oper.

 

Was vollkommen klar ist: Auf der Strecke müssen zwingend die Investitionen bleiben. Das ist in so einer Zwangslage der einzige Posten, der sofort ohne weitere kurzfristige Folgen gestrichen werden kann. Dafür sind die langfristigen umso teurer. Dieser BIP-Rückgang um 0,5%, so die Konsensschätzung, zieht sich jahrelang hin, bis er ausgeglichen ist, was ohnehin nur durch ein anderes Investitionsklima überhaupt erreichbar ist.

 

Die Schuldenbremse hat daher sehr wohl eine unmittelbare kausale Wirkung auf die Investitionen – und zwar einen stark zunehmenden, denn mit den Einnahmen und der Konjunktur wird das so auch nicht besser. Da wird ein fetter Zug noch fetter gemacht, um ihn durch ein immer kleiner werdendes Nadelöhr zu quetschen.

 

Sagte ich schon was von Oper? Oder ist das eine neue Sportart? Wettfressen für Übergewichtige, damit das mit dem engeren Gürtel endlich mal funktioniert?

 

Wer das leugnet, muss aufzeigen, dass man in diesen Haushalten mehr als Briefmarken tatsächlich finden kann. Das wird aber nicht gelingen, der Spielraum wird immer enger, wenn die Politik sich hier dogmatisch festfährt. Entweder strukturelle Änderung oder die Oper wird zur Soap – Fortsetzung folgt, wird aber langweilig, Skript zu vorhersehbar.

 

Ich wäre auch für eine bedeutend klügere Finanzpolitik mit sehr effizient gesteuerten Einnahmen- und Ausgaben sowie Investitionen in der Höhe, in der sie gebraucht werden und lohnen, nicht in einer auf einen politischen Wert begrenzten Höhe, zu der es weltweit in keinem einzigen Lehrbuch irgendeine Begründung gibt.

 

Das ist aber nicht absehbar zu erreichen, von einer intelligenten Finanzplanung sind wir Lichtjahre entfernt. Sieht man zugleich, dass im globalen Wettbewerb andere Staaten wesentlich mehr Mittel mobilisieren, dass unser Export massiv Wettbewerb bekommt und unsere Binnenwirtschaft bisher nur als zweites Glied darauf reagierte, wäre es sehr wahrscheinlich sogar besser, wenn der Staat ineffizient Geld in die Binnenwirtschaft gibt. So entwickelt sich in Deutschland eine Sparspirale von Staat, Unternehmen und ganz sicher auch den privaten Haushalten, die uns mit vollen Kassen in den Boden rammt.

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