«Projekt 26»

Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen staatliche Fichierung im März 1990.  ASL / Schweizerisches Nationalmuseum
Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen staatliche Fichierung im März 1990. ASL / Schweizerisches Nationalmuseum

DMZ –  HISTORISCHES /  Claudia Moritzi ¦               Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen staatliche Fichierung im März 1990. ASL / Schweizerisches Nationalmuseum

 

1990 wird die P-26 enttarnt. Die geheime Kaderorganisation sollte im Falle einer Besetzung der Schweiz den Widerstandswillen der Bevölkerung wecken, stärken und erhalten.

 

Im Februar 1990 veröffentlichte die Schweizer Illustrierte einen Artikel mit dem Titel «Die Geheimarmee der EMD-Spione: 2000 Männer und Frauen, ausgebildet im Bombenlegen, im lautlosen Töten. Leute wie du und ich: die unheimliche Sondertruppe der EMD-Spione». Die Reaktionen auf das Gerücht der Existenz einer «Geheimarmee» waren – am Ende des Kalten Krieges und kurz nach dem Fichenskandal, welcher das Vertrauen in die Institutionen tief erschütterte – heftig.

 

Das Parlament setzte eine Untersuchungskommission (PUK) ein, welche die Vorkommnisse im Eidgenössischen Militärdepartement beleuchten sollte. Der im November 1990 vorgelegte Bericht der PUK EMD bestätigte die Existenz einer geheimen Kaderorganisation zur Vorbereitung des Widerstandes.

 

Man diskutierte in der Folge insbesondere über Legalität und Gefährdungspotenzial der P-26. Ein Teil der Linken befürchtete, dass sich die Notstandsmassnahmen gegen sie hätten richten können. Denn gemäss der Grundkonzeption der Organisation von 1982 war eines der Szenarien, bei dem die P-26 hätte zum Einsatz kommen sollen, «der innere Umsturz durch Erpressung, Unterwanderung und/oder dergleichen». Das prägende Szenario war jedoch jenes einer Fremdbesetzung – also eines sowjetischen Einmarsches.

 

Der Aufbau der geheimen Organisation begann 1979. Die Bezeichnung «P-26» bzw. «Projekt 26» geht auf die Konzeption der Gesamtverteidigung von 1973 zurück. Diese umfasste auch nicht-militärische Aspekte der Landesverteidigung und behandelte unter Artikel 426 den «Widerstand im feindbesetzten Gebiet». Bereits vor der P-26 gab es jedoch Widerstandsvorbereitungen im Territorial- und später im Spezialdienst, die unter dem Eindruck der Machtergreifung der Kommunisten in der Tschechoslowakei 1948 und insbesondere nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 und des Prager Frühlings 1968 getroffen worden waren.

 

Efrem Cattelan alias «Rico» übernahm die Leitung und den Aufbau des «Projekts 26». Unter strikter Geheimhaltung wurden «unauffällige Durchschnittsbürger» und -bürgerinnen rekrutiert, die im Besetzungsfall den Widerstand gegen die Besatzungsmacht wecken und zu stärken sollten. Die Mitglieder erhielten eine Grundausbildung im Pistolenschiessen und in konspirativem Verhalten. Dazu gehörte das Anlegen von toten Briefkästen ebenso wie Filature, das Abschütteln von Verfolgern. In der Fachausbildung wurden die Mitglieder in spezifischeren Tätigkeiten geschult, die je nach Fachgruppen variierten. Während z.B. Funkerinnen und Funker in die verschlüsselte Nachrichtenübermittlung eingeführt wurden, übten Genisten Schiessen und Sprengen und Mitglieder der Fachgruppe «3M» den sicheren Transport von Menschen, Material und Meldungen.

 

Die P-26 war in 40 über die ganze Schweiz verteilten Regionen organisiert. Es gab 34 «blaue» und sechs «rote» Regionen. Letztere lagen in wirtschaftlich, politisch und verkehrstechnisch wichtigen Gebieten und waren personell stärker ausgebaut. Für jede dieser 40 aktiven Regionen gab es als Backup-Plan im Hintergrund eine schlafende Region, die bei Ausfall der aktiven Region hätte übernehmen können (Hydra-Prinzip). Untereinander waren die Regionen abgeschottet. Jede Region bestand aus mehreren Kleingruppen und nur innerhalb dieser kannten sich die Mitglieder.

 

1990 hatte die P-26 rund 300 Mitglieder, die mindestens einen Kurs besucht hatten. Auch einige Frauen waren Mitglieder der Organisation – allerdings waren es weniger, als es sich Efrem Cattelan gewünscht hatte. Er erklärte dies mit einem «interessanten sozialen Phänomen»: «Auch im Zeitalter fortgeschrittener Emanzipation» sei es Frauen nicht möglich, mit einer vagen Begründung mehrere Tage von zu Hause abwesend zu sein.

 

Finanziert wurde die P-26 aus Bundesmitteln – sie kostete von 1979 bis 1990 rund 54,3 Millionen Franken. Die Aktivierung hätte im Ernstfall durch den Bundesrat erfolgen sollen.

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Die P-26 war ein geheimes Projekt und die Mitglieder waren an die Geheimhaltungspflicht gebunden. Diese blieb auch nach der Enttarnung der Organisation bestehen. Erst 2009 wurde die Schweigepflicht aufgehoben. Seither sind einzelne Personen an die Öffentlichkeit gelangt, andere haben zumindest ihr Umfeld über ihre frühere Tätigkeit in der P-26 informiert. Einige haben sich entschieden, zu schweigen. Bis 2041 bleibt die Mitgliederliste unter Verschluss.

 

 

 

Publiziert am: 12.02.2020

Aktualisiert am: 18.09.2020

Dieser Artikel ist am 12.2020 auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums erschienen. Weitere spannenden Episoden aus der Schweizer Geschichte finden Sie unter https://blog.nationalmuseum.ch.

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