Das Verfassungsgericht verwirft die kreative Buchführung der Ampel

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die erwartete, berechtigte und fällige Ohrfeige. Genau den Punkt hatte ich insbesondere bei dem selbst ernannten Hüter der Schuldenbremse, Finanzminister Lindner, zuletzt kritisiert. Dabei ist dieses Urteil nur ein Teil dessen, was keine geringeren als Rechnungshof und Bundesbank schon seit Ende 2021 beobachten. Ich hatte regelmäßig dazu berichtet, Links ganz unten.

 

Schattenhaushalte sind nichts neues, sie sind unter Scholz und Lindner aber auf historische Höhen angewachsen. Das kann man teilweise als erforderlich sehen, der Bundestag hat dem zugestimmt – Corona, Ukraine-Krieg. Lindner hat aber die so genehmigten Mittel, die gar nicht ausgegeben wurden, für zukünftige Ausgaben „reserviert“. Mit dieser „Reserve“ geriert er sich seitdem als Hüter der Schuldenbremse, die er 2021, 2022 und auch 2023 keineswegs einhält und auch 2024 dürfte es sehr eng werden. Das wäre also seine gesamte Amtszeit – man vergleiche das bitte mit seinen Auftritten und beachte, dass er das alles sehr sicher weiß, so unfähig ist er nicht.

 

Das Verfassungsgericht hat nun insbesondere die Zweckentfremdung negiert. Man könne nicht vom Bundestag die Schuldenbremse für Krisensituationen aufheben lassen, um diese Mittel dann für andere Zwecke einzusetzen. Rechnungshof und Bundesbank sind aber viel weiter gegangen. Deren Kritik ist ganz grundsätzlicher Natur und darf so verstanden werden, dass es eher um die Frage geht, ob hier noch ordnungsgemäße Bücher geführt werden. Die Verbuchung von noch gar nicht existierenden Krediten in einem Haushaltsjahr, um die in Folgejahren erst faktisch als Kredit aufzunehmen, den man dann den Vorjahren zuordnet, ist sicher eine sehr kreative Idee, aber vorsichtig formuliert an anderer Stelle ein Fall für den Staatsanwalt.

 

Es ist zudem reichlich dumm gewesen, denn aufgrund der Zinssteigerungen werden diese Kredite nun 2023 und 2024 zu aktuellen Zinsen an den Kapitalmärkten aufgenommen, dem Haushalt 2022 zugeschrieben, in dem es noch zu Negativzinsen möglich gewesen wäre. Der Schaden geht über die Laufzeit in die Milliarden. Wenn Lindner schon so einen Trick von Krediten auf Vorrat meinte, einsetzen zu wollen, dann hätte er das gefälligst zum best möglichen Preis zu machen – zumal er parallel zu den Protagonisten zählt, die gerne höhere Zinsen verlangen. Was für ein Management!

 

Gegen diesen Teil der Lindner´schen Buchführung laufen leider keine Klagen. Das alles hat einen maximalen Beigeschmack, auf allen Ebenen. So werden wir nun keine politische Aufarbeitung sehen, sondern einen Nutzen, wie immer. Die einen werden schreien, dass Habecks Klimafonds, ein Synonym für teuren grünen Klimablödsinn, aus dem tatsächlich so Spielchen wie Chipfabriken finanziert werden, hier vom höchsten Gericht abgewatscht wurde. Die anderen werden sich über Lindner aufregen, der sich als Sparminister gegen alles mögliche verweigert, was der aber gar nicht macht, er reserviert sich vielmehr Unsummen, über die er selbst in Allianz mit Scholz ohne eine tiefere parlamentarische Kontrolle entscheiden kann. Das interne Machtspiel der Ampel ist doch geradezu fühlbar: Die Fachressorts wie Habeck&Co buhlen bei Lindner ums Geld, der sich öffentlich dafür feiern lassen kann, wofür er es freigibt und wo er „spart“, während Scholz im Hintergrund als letzte Instanz seinen Stab mal in die eine, mal in die andere Richtung senkt.

 

Aufstellung von öffentlichen Haushalten, Planung von Etats, Genehmigungsprozesse im Bundestag, Prüfung durch den Rechnungshof – alles überbewertetes Zeug, das kann weg!

 

Wirklich verstehen dürften die wenigsten, was da passiert. Das ist in der Tat ein finanzpolitischer Skandal, den die Ampel insgesamt zu verantworten hat und bei dem die Union nur den Teil angreift, den sie angreifen möchte. Der Hauptverantwortliche ist kein anderer als Lindner, dessen Eigendarstellung genau das Gegenteil seines Handelns ist. Sein Vorgänger im Amt, Scholz, dürfte bestens verstehen, was Lindner macht und das quasi als Schirmherr abdecken. Habeck dürfte sich inzwischen vielleicht sogar ärgern, dass er diese Buchungstricks begleitet und nun alleine deshalb am Pranger steht, weil er einen Großteil dieser Mittel verwenden soll, zumal mit einer weiteren Zweckentfremdung dieses „Klimatransformationsfonds“, dessen Name eine Farce ist. Dieses Vehikel ist ein Skandal für sich. Es wird aus Schattenhaushalten verfassungswidrig und wie ich vermute generell rechtswidrig gespeist, hinzu kommen verdeckte Steuern aus den Energiemärkten und es wird auch bei der Verwendung nahezu beliebig zweckentfremdet. Auch das geht nur, weil die parlamentarische Kontrolle an der Stelle ebenfalls ausgeschaltet wurde.

 

Die wirklich offene Frage neben den vielen Details, die vermutlich nie sauber politisch aufgeklärt werden, ist für mich: Wie konnte diese Bande glauben, damit durchzukommen. Man muss insbesondere Lindner und Scholz schlicht fragen: Geht´s noch?

 

Wie immer abschließend der Hinweis: Es geht mir gar nicht um die Einhaltung der Schuldenbremse, die ich für eine veraltete Krücke halte. Wir haben durch falsche Sparpolitik einen teuren Investitionsrückstau, im Staatssektor eklatant, in der Wirtschaft inzwischen auch. Deutschland muss und kann (!!) investieren, noch darf man sagen. Wir sind noch in der Phase, wo die Investitionen an den Kapitalmärkten refinanzierbar sind und sich durch zukünftige Erträge oder Kostenersparnis lohnen. Das wäre zu Zeiten von Schäuble besonders günstig gewesen, die Kapitalmärkte hätten uns dafür sogar bezahlt. Scholz hatte diese Chance auch, Lindner zumindest anfangs. Nun wird es leider bereits teurer, wenn wir weiter warten, schließt sich das Fenster immer mehr.

 

Voraussetzungen für ein Investitionsprogramm, welches eben kein Ausgabenprogramm ist, sind aber sachgerechte Buchführung, kompetente Buchführer und kluge Entscheider über Investitionen. Davon ist nichts ersichtlich – und daher ist es zuerst mal zu begrüßen, dass dieser Skandal aufgedeckt wird.

 

Die FAZ mit einer m.E. falschen Betonung des „Klimafonds“, ohne den Begriff einzuordnen: https://www.faz.net/-gqe-bi0l5

Der Spiegel sieht es eher als Scholz/Lindner-Thema: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/verfassungsurteil-zum-nachtragshaushalt-karlsruhe-kassiert-ueberreste-der-bazooka-a-00c722d3-4fb7-4243-9816-57ca9b001df7

Da war es bereits absehbar, ein Bericht aus März 2022: https://dirkspecht.de/2022/03/lindner-und-die-schulden/

Im Juni 2023 meldete sich die Bundesbank: https://dirkspecht.de/2023/06/die-finanzpolitik-duerfte-das-naechste-schweinchen-sein-das-durchs-dorf-getrieben-wird/

Im September schließlich der Rechnungshof: https://dirkspecht.de/2023/09/der-rechnungshof-bezweifelt-nichts-geringeres-als-die-formale-einhaltung-der-schuldengrenze/

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