Siehe da, die Klimamodelle „scheitern“ – die 23er Realität wurde so nicht erwartet!

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Ich lebe jetzt seit 15 Jahren am Tegernsee. Manchmal habe ich bereits im August den ersten kurzen Schnee auf den höheren Gipfeln gesehen. Da wurde gelegentlich sogar die Heizung notwendig. Ab ca. Mitte September lief die immer. Wer Anfang Oktober keine Winterreifen aufgezogen hatte, konnte nie sicher sein, jeden Abend problemlos nach Hause zu kommen. Jetzt endet der Oktober 2023: Ohne ersten Schnee, ohne Winterreifen, ohne Heizung – die ist keinen einzigen Tag gelaufen.

Das ist keine Anekdote. Das ist Teil einer neuen Realität, die gerade erst beginnt und deren Leugnung nur noch verstören kann.

 

Als ich gestern dazu einen Bericht von höchst alarmierten Klimaforschern, wobei sowohl „alarmiert“ als auch „Klimaforscher“ für manche inzwischen gar Triggerworte sind, um die eigene Wahrnehmung abzuschalten (die Rede ist hier von 15.000 Unterzeichnern), haben einige das wegen der wenigen kommentierenden Worte wohl nicht vollständig wahrgenommen.

 

Was wir im Jahr 2023 sehen, ist: Ein signifikanter Ausbruch der Klimadaten aus den bisherigen Klimamodellen. Es trifft also zu, worauf Kritiker der Modellierer seit Jahren so gerne hinweisen, was von denen übrigens nie bestritten wurde: Solche Modelle können nur primär mathematisch/methodisch (damit kenne ich mich aus) und zunehmend durch Erforschung physikalischer Kausalitäten (davon habe ich keine Ahnung) die immer größere Datenmenge der Vergangenheit bewerten. Dabei entstehen mathematische und zunehmend KI-Modelle, die den Verlauf der Vergangenheit gut approximieren und daher für die Prognose der weiteren Entwicklung nutzbar werden. Diese Prognosen entstehen also aus der best möglichen Approximation an die Vergangenheit – und die können irren.

 

Sie können die Entwicklung also übertreiben, worauf viele gerne hingewiesen haben, sie können aber auch untertreiben, was nun passiert ist – und worauf ich nur wenige Hinweise lese!

 

Diese Modelle sind also keine „Formeln“, mit denen die Zukunft „berechnet“ wird, die daher „falsch“ sind, wenn sie Prognosen liefern, die von der Realität abweichen oder die gar deshalb „Kaffeesatz“ sind, weil sie kein Ergebnis auf zwei Stellen hinter dem Komma, sondern einen Korridor von möglichen Entwicklungen liefern. Das ist auch deshalb nicht „falsch“, „unwissenschaftlich“ oder „strittig“, weil mehrere Teams von Forschern verschiedene Modelle nutzen, die folglich auch unterschiedliche Ergebniskorridore ergeben. Ebenso ist das nicht „ungenau“ oder „erratisch“, weil kleinste Änderungen an der Parametrisierung der Modelle sehr große Wirkung auf die Ergebnisse haben. Ganz im Gegenteil ist genau das unsere natürliche Umgebung, die ist voller exponentieller Kausalitäten und kleinste Ursachen haben größte Wirkung.

Jede Lawine beginnt als kleiner Schneeball, der nicht hängen geblieben ist, jeder Infekt in unserem Körper beginnt mit sehr wenigen Erregern, die von den Schleimhäuten nicht gestoppt wurden – und sehr rasch viele Milliarden zählen.

 

Daraus wiederum wird gerne abgeleitet, wir könnten solche komplexen Prozesse nicht bewerten. Das ist schlicht falsch, denn es geht nicht darum, die singuläre Lawine zu bewerten, sondern die Gesamtheit aller, ihre wahrscheinlichen Ursachen und Verläufe. So können wir Gegenmaßnahmen entwickeln und die Wahrscheinlichkeit von Lawinen wirksam reduzieren. Die einzelne bleibt ein chaotisches Ereignis aus singulären Zufällen, die Zahl aller Lawinen wird trotzdem sinken.

 

Was gerne falsch gesehen wird, sind die stets in der Wissenschaft existierenden Außenseiterpositionen mit komplett anderen Ergebnissen oder, weil es viel einfacher begründbar ist, grundsätzlichen Zweifeln. Diese „widerlegen“ die wissenschaftliche Arbeit nicht, ganz im Gegenteil ist die Arbeit von Außenseitern wichtig und immanenter Teil gut aufgestellter Wissenschaft, weil sie den engeren wissenschaftlichen Konsens immer wieder herausfordert. Skeptiker können dabei sicher sein: Wenn so ein Herausforderer richtig liegen sollte, wird der keineswegs tot geschwiegen, sondern als Starwissenschaftler viele Preise und Ehrungen erhalten. Erhält er die nicht, lag die Bedeutung seiner Position in der Feststellung, dass sie bedeutungslos war.

 

Insofern ist Wissenschaft nicht „richtig“ oder „falsch“, sie ist nicht „Unsinn“, wenn sie dazwischen nicht unterscheiden kann, sie ist ein nie endender Prozess, der die Unfähigkeit des Menschen, seinen innigen Wunsch nach absolutem Wissen zu erfüllen, in der besten Art und Weise, die uns bisher gelungen ist, zu handhaben. Genau so sollten wir sie nutzen und nicht nach unseren Wünschen dann einsetzen, wenn es uns gefällt und sie ignorieren, wenn das nicht der Fall ist.

 

Eine Besonderheit spielt dabei die datenbasierte Modellierung, sei es mit deterministischen mathematischen oder nun mit KI-Modellen, die aber nur eine komplexere Form der mathematischen Modellierung sind. Das ist eine vergleichsweise junge Methodik, weil wir in der Geschichte der Wissenschaft noch nicht sehr lange über Daten und diese in großen Mengen verarbeitende Maschinen verfügen. Daher fällt vielen Wissenschaftlern bis heute der Umgang mit dieser Methode so schwer. Bei Corona haben wir das in der Epidemiologie und vor allem der Medizin gesehen, wo so viele mit den – eigentlich sogar trivialen – Modellen fremdelten. Bis heute hält sich die Behauptung, diese Modelle seien „falsch“ gewesen, was aber schlicht nicht stimmt.

 

Wenn man sich so manche Außenseiterposition bei Corona – bis heute – ansieht, erkennt man vielmehr, dass die betreffenden oft keine Ahnung von datenorientierter Modellierung haben. Das ist bei vielen Kritikern der Klimamodellierung genauso. Bleibt man innerhalb derer, die sich mit den Modellen selbst beschäftigen und insofern auch verstehen, was sie kritisieren, so ist der Korridor in der Klimaforschung sehr eng.

 

Was nicht heißt, hier werde nicht intensiver Diskurs geführt. So wurden die 2023 festzustellenden Ausreißer von vielen bereits vor mehr als drei Jahren erwartet. Eine große Herausforderung bei den Modellen ist nämlich deren Umgang mit der Agilität. Da wir wie fast immer hier über komplexe nonlineare Systeme mit vielen Kipppunkten oder Sprungverhalten reden, muss man bei der Modellierung immer damit rechnen, dass deren Adaption, die ebenfalls kein „Fehler“ oder „Scheitern“, sondern ein immanenter Vorgang der Methode ist, zu langsam erfolgt. Wer sich an meine Corona-Berichte erinnert, weiß vielleicht noch, wie oft ich nur von „Nebel“ geschrieben habe und feststellen musste, dass ich keine Aussagen treffen kann.

Das ist die Freiheit des Hobby-Modellierers, in der Klimaforschung werden natürlich Aussagen erwartet, obwohl es vielleicht sogar besser wäre, wenn auch hier öfter mal Haltesignale möglich wären und die Adaption der Modelle etwas Zeit bekommt. Aber vermutlich wäre die Reaktion von Gesellschaft und Politik kontraproduktiv, das würde von vielen vielleicht wieder interpretiert als Signal, dass die Wissenschaft es halt nicht „weiß“.

 

Nun sehen wir 2023 also diese vielen Ausreißer. Jetzt werden die Modelle der Methode immanent eine größere Anpassung erfahren. Viele vermuten vor allem in der Erwärmung der Ozeane, der Anfang des Jahres als erster und relevantester gemeldete Ausreißer, als Treiber. Das Zusammenwirken dieser vielen einzelnen Teilsysteme wird auf die Agenda kommen. Die gesellschaftlich/politische Debatte wird nicht einfacher werden, denn ich verstehe nicht viel von den spezifischen Klimamodellen, aber von Modellierung an sich genug, um zu vermuten: Diese Ausreißer werden nun die Ergebniskorridore jedes Modells und damit auch den Konsens-Korridor der gesamten Klimaforschung deutlich ausweiten. In der Öffentlichkeit wird das, so fürchte ich, von vielen wieder als noch größere Ungenauigkeit ankommen und leicht zu diskreditieren sein.

Was übrigens in dem gestern empfohlenen Fachartikel erneut gut herausgearbeitet wird: Die Vorstellung und von Spitzenpolitikern sogar so bestätigte Sicht, man müsse Interessen wie „die Wirtschaft“, die „soziale Frage“, unser „Recht“ auf unsere „Lebensart“ oder das jüngst wieder im Dorf laut gewordene Migrations-Schweinchen genauso berücksichtigen, wie „das Klima“, ist, sachgerecht(!) formuliert, gänzlich naiver Scheißdreck.

 

„Das Klima“ ist synonym für unsere Lebensgrundlage, wie es auch die Biodiversität, Mikroplastik oder abstrakter die exponentiell wachsende irreversible Transformation endlicher Rohstoffe in schädliche oder bestenfalls nutzlose Abfallstoffe ist. „Die Wirtschaft“, die „soziale Frage“, unsere „Lebensart“, „die Migration“ und alles weitere an menschlichen Konzepten oder Perspektiven ist sowohl Ursache der Veränderungen unserer Lebensgrundlage und insofern natürlich auch davon betroffen.

 

Der Mensch neigt dazu, seine Wünsche und seinen Willen über den anderer Menschen zu stellen. Das funktioniert ganz offensichtlich nur mittelmäßig. Mit der Industrialisierung konfrontiert er nun seine eigene Lebensgrundlage mit seinem Willen. Das ist lächerlich.

 

Der Klimawandel wird in den nächsten Dekaden diese Lächerlichkeit drastisch offenbaren. Niemand kann das noch verhindern. Die einzige Wahl, die der Mensch hat, ist, wie lange er glaubt, so doof bleiben zu können, das zu ignorieren. Je länger er das tut, desto stärker werden übrigens die Folgen für „die Wirtschaft“, die „soziale Frage“, unsere „Lebensart“ und ganz besonders sogar „die Migration“ sein. Diese hübsch als Prioritäten genannten Perspektiven werden sogar als erste unter Druck kommen.

 

Ich folge übrigens keinen apokalyptischen Untergangsszenarien der gesamten Menschheit. In Saudi-Arabien werden beispielsweise Großstädte unter komplett synthetisierten Ökosystemen in Innenbereichen geplant. Wenn man eine kleine Bevölkerung, viel Geld und die Energie der Sonne vor der Tür hat, kann – und wird! – man das so umsetzen. Wenn woanders mangels Geld Großstädte und ganze Siedlungsgebiete des Menschen verlegt werden müssen, wird auch das gelingen – wie sozial es dabei zugeht und ob es für jeden einzelnen gelingt, wird sich zeigen.

 

Ein wenig apokalyptisch ist das aber schon – oder?

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