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COVID-19 und Autoimmun-Hepatitis: Wie das Virus die Leber angreift

DMZ –  WISSENSCHAFT ¦ Sarah Koller ¦                     

 

Seit dem Auftreten der COVID-19-Pandemie haben Wissenschaftler weltweit intensiv nach den Auswirkungen des Virus auf den menschlichen Körper geforscht. Neben den bekannten Atemwegssymptomen hat sich gezeigt, dass das SARS-CoV-2-Virus auch andere Organe, einschließlich der Leber, beeinflussen kann. Ein bemerkenswerter wissenschaftlicher Artikel in "Health & Life Sciences" wirft ein Licht auf ein faszinierendes und beunruhigendes Phänomen: die Möglichkeit, dass COVID-19 eine Autoimmun-Hepatitis auslösen kann.

 

Die Rätselhafte Welt der Kinderhepatitis

Schon zu Beginn der Pandemie gab es Meldungen über unerklärliche Fälle von Leberentzündung bei Kindern. Die Ursachen dieser Fälle waren lange Zeit unklar und führten zu hitzigen Diskussionen unter Ärzten und Forschern. Ein Verdächtiger war das Adenovirus, aber die Beweise waren nicht eindeutig. Überraschenderweise zeigten einige Tests auch das Vorhandensein des SARS-CoV-2-Virus bei einigen dieser Kinder. Dies warf die Frage auf, wie dieses Virus, das hauptsächlich die Atemwege betrifft, die Leber beeinflussen könnte.

 

Die Rolle von T-Zellen

Um diese Frage zu beantworten, untersuchten die Autoren des Artikels die Leber von Kindern mit COVID-19. Bei diesen Untersuchungen stießen sie auf etwas Außergewöhnliches: eine erhöhte Anzahl von T-Zellen in der Leber. T-Zellen sind normalerweise die "Wächter" des Immunsystems, die Krankheitserreger angreifen, aber hier schienen sie das eigene Gewebe, nämlich die Leberzellen, anzugreifen.

 

Die Forscher vermuteten, dass T-Zellen, die normalerweise darauf programmiert sind, auf das SARS-CoV-2-Virus zu reagieren, fälschlicherweise auch gesundes Lebergewebe angreifen könnten. Dieses Phänomen, bei dem T-Zellen auf ähnliche Teile von verschiedenen Viren oder körpereigenen Proteinen reagieren, wird als "Kreuzreaktivität" bezeichnet. Um diese Theorie zu überprüfen, analysierten die Wissenschaftler T-Zellen, die sowohl auf Teile des SARS-CoV-2-Virus als auch auf menschliche Proteine reagieren konnten. Und tatsächlich wurden sie fündig. Einige T-Zellen erkannten ein Protein namens ABCD3, das in Leberzellen vorkommt.

 

ABCD3: Ein Schlüsselspieler in der Leber

ABCD3 ist ein entscheidendes Protein für die Funktion von Leberzellen. Interessanterweise ist es in der Leber weit verbreitet und spielt eine wichtige Rolle beim Transport von Fettsäuren. Dies macht es zu einem potenziell interessanten Ziel für T-Zellen, die versehentlich auf ABCD3 reagieren.

 

Die Hypothese und ihre Implikationen

Die Autoren des Artikels stellen die Hypothese auf, dass T-Zellen, die auf ABCD3 reagieren, aktiviert werden, wenn eine Person mit SARS-CoV-2 infiziert ist, und dann die Leberzellen angreifen. Dies könnte erklären, warum einige Kinder mit COVID-19 Anzeichen einer Autoimmun-Hepatitis zeigen.

 

Diese Forschung wirft ein faszinierendes Licht auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Immunsystem und dem SARS-CoV-2-Virus. Es zeigt auch, wie das Immunsystem manchmal überreagieren kann und gesundes Gewebe angreift. Obwohl diese Entdeckung noch weitere Forschung erfordert, könnte sie in Zukunft zu besseren Behandlungen für Autoimmun-Erkrankungen und einem tieferen Verständnis der COVID-19-bedingten Leberschäden führen.

 

Die Botschaft ist klar: COVID-19 ist keine reine Atemwegserkrankung. Es greift auch nachweislich andere Organe, wie die Leber, an und die Forschung muss weiter voranschreiten, um die vollständigen Auswirkungen des Virus zu verstehen.

Abbildung : TCR-Kreuzreaktivität bei COVID-19-Patienten

(A) Die vorgeschlagenen immunologischen Mechanismen, die der COVID-19-bedingten autoimmunähnlichen Hepatitis zugrunde liegen.

(B) Venn-Diagramm, das die Überlappung der antigen-spezifischen CDR3β-Sequenz (SARS-CoV-2, menschliches Proteom und EBV) aus der VDJdb-Datenbank mit dem TCR-Repertoire von COVID-19-Patienten aus ImmuneCODE zeigt.

(C) Die Häufigkeit von fünf repräsentativen CDR3β-Sequenzen bei gesunden Kontrollpersonen und COVID-19-Kohorten.

(D) Annotation von LC13-TCR und CoV-TCR.

(E) Transkriptionelle Expressionsniveaus von ABCD3 in verschiedenen menschlichen Organen (links) und verschiedenen Zelltypen (rechts).

(F) Validierung der Erkennung durch interaktionsabhängige Infektion vermittelt durch VSVGmut Lentiviren.

(G) Experimentelle Validierung der Erkennungsfähigkeit von LC13-TCR und CoV-TCR für HLA-B44:05-restringiertes Selbstpeptid, abgeleitet von ABCD3 (EEYLQAFTY) oder HLA-A01:01-restringiertes Peptid, abgeleitet von NSP3 (TTDPSFLGRY) unter Verwendung des Tetramer-Bindungstests.

(H) Expression von CD69 in CD8+ T-Zellen, die verschiedene TCRs ausdrücken und mit ABCD3-B44:05 oder NSP3-A01:01 exprimierenden HepG2-Zellen kultiviert wurden.

(I) Level von IFNγ in CD8+ T-Zellen, die verschiedene TCRs ausdrücken und mit ABCD3-B44:05 oder NSP3-A01:01 exprimierenden HepG2-Zellen kultiviert wurden.

(J) Zytoxizität von LC13-TCR oder CoV-TCR T-Zellen gegenüber HLA-B44:05-exprimierenden HepG2-Zellen und HLA-B44:05-exprimierenden HepG2-Zellen, die mit dem ABCD3-Selbstpeptid (EEYLQAFTY) beschichtet waren.

(K) Zytoxizität von LC13-TCR oder CoV-TCR T-Zellen gegenüber HLA-A01:01-exprimierenden HepG2-Zellen und HLA-A01:01-exprimierenden HepG2-Zellen, die mit dem SARS-CoV-2 NSP3-Proteinpeptid (TTDPSFLGRY) beschichtet waren. Die Daten werden als prozentuale spezifische Lyse dargestellt. n=3 unabhängige Proben. Die Daten werden als Mittelwert±Standardfehler dargestellt, und die p-Werte werden durch einen zweiseitigen Student-t-Test bestimmt, ns= nicht signifikant, **p < 0,01 und ***p < 0,001 und ****p < 0,0001. Abkürzungen: COVID-19, Coronavirus-Krankheit 2019; TCR, T-Zell-Rezeptor; SARS-CoV-2, schweres akutes respiratorisches Syndrom Coronavirus 2; CDR3β, Komplementaritätsbestimmende Region 3 der β-Kette; EBV, Epstein-Barr-Virus; ABCD3, ATP-Bindungs-Cassettenunterfamilie D-Mitglied 3; HLA, humanes Leukozytenantigen; NSP3, nichtstrukturelles Protein 3.

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