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NIGER: Blick auf die Herausforderungen nach dem Militärputsch

Maria Luisa Macieira Légeret (Bildmitte, blaues Shirt) bei ihrem Besuch in Niamey im März 2023 (Foto: www.sos-kinderdorf.ch)
Maria Luisa Macieira Légeret (Bildmitte, blaues Shirt) bei ihrem Besuch in Niamey im März 2023 (Foto: www.sos-kinderdorf.ch)

DMZ – LEBEN ¦ David Aebischer ¦                                        Maria Luisa Macieira Légeret (Bildmitte, blaues Shirt) bei ihrem Besuch in Niamey im März 2023 (Foto: www.sos-kinderdorf.ch)

 

In einer Zeit geprägt von politischer Instabilität und dem jüngsten Militärputsch im Niger spielt die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz eine essenzielle Rolle bei der Unterstützung von Kindern und Familien in dieser Region. Angesichts der herausfordernden Situation hatten wir die Gelegenheit, mit SOS-Kinderdorf über die Auswirkungen dieser Ereignisse auf das Leben der Menschen in den von ihnen betreuten Gebieten zu sprechen.

 

Die Schließung der Grenzen zu benachbarten Ländern hat die Lebensmittelversorgung gestört und zu einer drastischen Inflation geführt. Der Preis für Grundnahrungsmittel wie Reis ist um 17 Prozent gestiegen. Zusätzlich haben internationale Banktransfers, die gestoppt wurden, direkte Auswirkungen auf die Bevölkerung, insbesondere auf diejenigen, die von der Diaspora abhängig sind. Die Unterbrechung der Stromversorgung aus Nigeria, die zuvor 70 Prozent des Strombedarfs deckte, hat zu erheblichen Stromausfällen geführt und die Lagerung von Lebensmitteln sowie Medikamenten beeinträchtigt.

Inmitten dieser kritischen Situation hat SOS-Kinderdorf schnelle Maßnahmen ergriffen.

 

Lebensmittelvorräte wurden angelegt, Programme wurden angepasst und Familien in Not wurden unterstützt. Die COVID-19-Pandemie hat die bereits bestehenden Herausforderungen verschärft, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder.

 

SOS-Kinderdorf hat jedoch beachtliche Erfolge erzielt, darunter sichere Orte für Kinder und Gewaltprävention. Die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und Behörden spielt eine zentrale Rolle bei der Suche nach langfristigen Lösungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern im Niger.

 

In diesem Interview mit Maria Luisa Macieira Légeret, Programmleiterin Niger bei SOS-Kinderdorf Schweiz, werden wir einen tieferen Einblick in die Arbeit von SOS-Kinderdorf gewinnen und erfahren, wie sie sich den aktuellen Herausforderungen stellen und die Zukunft der betreuten Gemeinschaften gestalten.

 

DMZ: Wie hat sich die politische Instabilität und der Militärputsch auf das alltägliche Leben der Kinder und Familien in den von Ihnen betreuten Regionen ausgewirkt?

Maria Luisa Macieira Légeret: Die Schließung der Grenzen zu Benin und Nigeria wirkt sich auf die Lebensmittelversorgung des Nigers aus und führt zu einer galoppierenden Inflation. Der Preis für Reis, das am häufigsten konsumierte Nahrungsmittel, stieg um 17 Prozent. Auch der Stopp der internationalen Banktransfers hatte direkte Auswirkungen auf die Bevölkerung. Niger hat eine große Diaspora, von der die in Niger verbliebenen Familienangehörigen abhängig sind.

 

Die Bevölkerung bezieht den Strom zu rund 70 Prozent von Nigeria und ist nun mit großen Stromausfällen konfrontiert, weil Nigeria als Sanktion die Stromzufuhr limitiert hat. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Lagerung von Lebensmitteln für Personen, die einen Kühlschrank besitzen. Wer einen Generator hat, sieht sich mit neuen Ausgaben konfrontiert, insbesondere für Diesel.

 

Die humanitäre Lage im Land ist katastrophal und humanitäre Hilfe wird dringender denn je benötigt.

 

DMZ: Welche spezifischen Maßnahmen ergreift SOS-Kinderdorf, um sicherzustellen, dass die Bildungs- und Gesundheitsbedürfnisse der Kinder trotz der aktuellen Umstände erfüllt werden?

Maria Luisa Macieira Légeret: Aufgrund der dringenden Probleme müssen wir unsere Programme anpassen. So wurden beispielsweise im SOS-Kinderdorf in Dosso ein Lebensmittelvorrat und für alle Programme, die wir unterstützen, ein Treibstoffvorrat angelegt. Wir passen uns an und hoffen, dass sich die Situation wieder normalisiert. Wir verteilen Lebensmittelpakete an gefährdete Familien, die Teil unserer Familienstärkungsprogrammen sind. Wir schulen sie zudem im vernünftigen Umgang mit den Haushaltsressourcen, sensibilisieren die Familien für den Konsum lokaler Produkte und bieten psychosoziale Unterstützung für Kinder und Familien, die unter den Folgen der hohen Lebenshaltungskosten leiden.

 

DMZ: Inwiefern hat die COVID-19-Pandemie die bereits bestehenden Herausforderungen in Niger verschärft, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder?

Maria Luisa Macieira Légeret: Aktuell ist Covid-19 kein Thema in Niger. Aber einige Auswirkungen der Pandemie dauern noch an. Der Lockdown hat psychosoziale Auswirkungen auf die Kinder und das Personal.

 

Geschlechtsspezifische Gewalt hat mit der Pandemie zugenommen, ebenso wie die Gewalt gegen Kinder. Umso wichtiger ist die Sensibilisierung der Familien.

 

DMZ: Können Sie einige Beispiele für Erfolgsgeschichten oder positive Veränderungen durch die Familienstärkungsprogramme und Kinderschutzkomitees teilen, die trotz der schwierigen Umstände erreicht wurden?

Maria Luisa Macieira Légeret: 

  • Schutz von etwa 30’000 Kindern in Niamey, Dosso, Kantché, Maradi und Diffa.
  • Verinnerlichung und praktische Umsetzung von Verfahren zur Meldung und Behandlung von Gewaltfällen durch die Gemeinschaftsstrukturen.
  • Die Gruppen der Unternehmerinnen erwirtschaften Gewinne, mit denen die Kinderschutzkomitees unterstützt werden können.
  • Die Sanierung der Klassenzimmer war eine von den Bildungsbehörden begrüsste Neuerung.
  • Anmeldung von Hunderten von Schulabbrecherinnen und -abbrechern in Brückenklassen.
  • Erhöhung der Ernährungssicherheit der Haushalte.

DMZ: Wie arbeitet SOS-Kinderdorf mit lokalen Gemeinschaften und Regierungsbehörden zusammen, um langfristige Lösungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern in Niger zu finden?

 

Maria Luisa Macieira Légeret: Die Arbeit mit den lokalen Behörden ist sehr wichtig. Wir arbeiten Hand in Hand mit den Stadtverwaltungen, in denen unsere Projekte entwickelt werden. Die Verantwortlichen der Ministerien für Bildung sowie für Frauenförderung und Kinderschutz unterstützen unsere lokalen Teams. Nach dem Militärputsch wurden die Ministerien neu formiert und ihre Zahl halbiert. SOS-Kinderdorf Niger arbeitet weiterhin mit der Regierung zusammen.

 

"SOS-Kinderdorf Niger hat eine nationale Strategie entwickelt mit der Vision, dass die Organisation im Bereich der alternativen Betreuung und der gemeinschaftlichen Begleitung von Familien landesweit führend ist."

 

DMZ: Angesichts der großen Herausforderungen, denen Sie gegenüberstehen, wie sieht die langfristige Vision von SOS-Kinderdorf für die Unterstützung von Kindern und Familien in Niger aus?

Maria Luisa Macieira Légeret: SOS-Kinderdorf Niger hat eine nationale Strategie entwickelt mit der Vision, dass die Organisation im Bereich der alternativen Betreuung und der gemeinschaftlichen Begleitung von Familien landesweit führend ist. Dank der Arbeit von SOS-Kinderdorf Niger, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit anderen NGOs im Rahmen der Joining Forces-Plattform, haben wichtige politische Veränderungen im Bereich Kinderschutz stattgefunden. Wir werden daran arbeiten, diese Dynamik aufrechtzuerhalten und zur Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beizutragen.

 

DMZ: Welche Möglichkeiten gibt es für Menschen außerhalb von Niger, die Arbeit von SOS-Kinderdorf zu unterstützen und einen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Krise zu leisten?

Maria Luisa Macieira Légeret: Aufgrund der wirtschaftlichen Sanktionen ist unsere Hilfe nötiger denn je. Damit wir unsere Arbeit vor Ort fortsetzen und die Familien und Kinder in unseren Programmen sowie in unserem SOS-Kinderdorf in Dosso in dieser schwierigen Zeit unterstützen und begleiten können, sind wir auf Spenden angewiesen. Jeder Beitrag kann Großes bewirken. Vielen Dank an alle, die den Niger und unsere Arbeit unterstützen!

soskinderdorf.ch

 

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SOS-Kinderdorf 

SOS-Kinderdorf gibt in über 135 Ländern Kindern in Not ein liebevolles Zuhause und stärkt gefährdete Familien. Mit Programmen für Bildung, Gesundheit und Einkommensförderung befähigen wir Kinder und Familien, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz ist ein privates, politisch und konfessionell ungebundenes Kinderhilfswerk und finanziert SOS-Kinderdörfer und dazugehörige Programme zur Stärkung von Familien in Entwicklungsländern. Niger zählt zu den fünf Fokusländern von SOS-Kinderdorf Schweiz neben Äthiopien, Lesotho, Nepal und Nicaragua. 


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