Nach BILD nun in der FAZ – der Sinn fehlt immer noch.

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR 

 

Nach seinen fachlich inakzeptablen Aussagen in BILD legt Hans-Werner Sinn nun als Gastautor in der FAZ nach. Er zitiert dabei sogar seine Aussagen aus BILD, hat hier aber mehr Platz die zu begründen, weshalb man es nun auch konkreter „zerlegen“ kann, um das bereits klar zu stellen.

 

Wohlwollend sei aber festgestellt, dass er anders als in BILD hier wenigstens nicht den gewaltigen Einfluss Deutschlands auf den Weltölmarkt anführt, sondern den Europas. Ganz so peinlich ist es hier also nicht.

Die Argumentation bleibt aber identisch, daher kann sie nun, in der FAZ geht´s nicht ganz so flach daher, genauer betrachtet werden. Wie in seinen Sachbüchern, seinen Vorträgen und natürlich vielen Interviews mixt Sinn Aussagen mit Beleg sehr intensiv mit solchen ohne. So auch hier und das sogar in besonderem Maße. Als wissenschaftliche Arbeit wäre alleine deshalb keine seiner Publikationen oder Vorlesungen auch nur mit einem „bestanden“ zu bewerten. Nun erheben die offensichtlich keinen wissenschaftlichen Anspruch, aber selbst bei einem Sachbuch oder als solchen bezeichneten öffentlichen Beitrag, bei dem man den akademischen Grad nennen lässt, wäre etwas mehr saubere Argumentation und etwas weniger Meinung durchaus angebracht sowie insbesondere etwas, was auch jenseits von wissenschaftlichen Kriterien noch wichtiger ist: Die Trennung dieser Bereiche.

 

So findet sich in seinem längeren Artikel genau ein Argument mit einem Beleg, dem beigefügten Chart. Hier wiederholt er seine BILD-Aussage, indem er ableitet, jedes in Europa gesparte Barrel Öl lasse den Preis sinken und dadurch würden woanders sogar noch mehr Barrel konsumiert. Dazu unterscheidet er in diesem Chart Phasen, in denen es in gewissen Regionen Rezessionen gegeben hat, worauf dann der Preis sinkt, was dann aber – Behauptung – in anderen Regionen die Nachfrage steigen lässt. Den großen Unterschied macht er in der Corona-Phase fest, wo weltweit die Nachfrage gesunken ist, weshalb ausschließlich hier die Produktion nachhaltig zurück ging, was aber offensichtlich gar nicht nachhaltig war.

 

Eine interessante Interpretation dieses Charts! Wenn man das fachlich korrekt betrachtet, so kann man vor allem eines ableiten: Es gibt keine Korrelation zwischen Preis und Produktion. Wir sehen hier Phasen von niedrigen Preisen und hoher Produktion sowie das Gegenteil, wir sehen Produktionsanstieg bei steigenden Preisen und umgekehrt. Die Reaktionen auf regionale Rezessionen und die globale Corona-Rezession sind zudem schlicht identisch. Mit diesem sehr plötzlichen Nachfragerückgang sinkt die Produktion, übrigens eine Tautologie, dazu braucht man kein Chart. Damit sinken oft, aber nicht mal immer, die Preise. Sobald die Ursachen, also die Rezessionen, enden, steigt die Nachfrage und damit auch die Produktion, die nächste Tautologie. Das die Preise dabei eine Lenkungswirkung haben, kann mit diesem Chart gar nicht nachgewiesen werden, es ist eher ein Gegenbeweis der getroffenen Aussage.

 

Tatsächlich sind die Entwicklungen an den Ölmärkten natürlich viel komplexer. Die Preise können eher spieltheoretisch erklärt werden, Kartelle, Spotmärkte, politische Akteure haben hier viel mehr Einfluss, als Angebot und Nachfrage. Gewiss haben Preise auch eine Lenkungswirkung, je billiger Öl und Sprit sind, desto mehr wird konsumiert und umgekehrt. Das ist aber nur ein Zusammenhang in einem sehr komplexen System und diese Holzschnitz-Aussage, dass ein in der EU gespartes Barrel kausal ein zusätzliches irgendwo anders erzeuge, also eines, dass dort sonst gar nicht verbrannt wird, ist einfach nur eine Erzählung, die dem Autor gefällt und der Versuch, dazu ein Chart vorzulegen, das angeblich ein Beweis ist, geht daneben. Ich will es nicht Gegenbeweis nennen, denn dazu fehlt es diesen beiden Daten an jeglicher Korrelation, die ist schlicht schwach und daher kann man nur ableiten, dass sich daraus nichts ableiten lässt.

 

Damit endet die Bewertung der vorgelegten Argumente mit Beleg, weitere gibt es nicht! Nachdem daraus die unbewiesene und im übrigen bereits unplausible Erzählung zur Kausalität zwischen EU-Sparbemühung und daraus ausgelöstem Mehrverbrauch woanders misslingt, kommen die wilden Thesen und Meinungen ohne jeden weiteren Beleg. So etwas erfolgt gerne in Nebensätzen und es nimmt auch zunehmend das größere Volumen der Sinn-Veröffentlichungen ein. So lesen wir, dass der Niedergang der Automobilindustrie, der in den von ihm zitierten Produktionszahlen übrigens gar nicht existiert, aber wohl bald zu befürchten ist, auf die Abgaspolitik der EU zurückzuführen sei – wie so oft mit dem „Merkel ist schuld“ Etikett, welches nur langsam durch „Habeck ist schuld“ auch bei Sinn ersetzt wird. Dieser Niedergang, der so gerne mit dieser Begründung behauptet wird, der wie gesagt bisher gar nicht existiert, der also in den letzten Jahren, wenn man Corona heraus rechnet, auf gute Zahlen der Autoindustrie trifft, soll durch Abgasnormen der EU geradezu suizidal politisch herbeigeführt werden bzw. worden sein, obwohl noch gar nicht da? Aber wenn er denn jetzt kommt, dann ist es ganz sicher die EU-Suizidpolitik, so wie er ja jetzt auch endlich Inflation sieht und seine dafür relevanten Erklärungen wiederholt, die seit 20 Jahren nicht funktionieren und natürlich schon wieder falsch sind.

 

Aber zurück zur Autoindustrie: Die betrügerischen Versuche, den Diesel entgegen der Abgasnormen in den USA dort durchzusetzen, sind also Folge der EU-Abgasnormen, die eben diesen Diesel bis zu kleineren Skandalen und Schäden deckten? Die industriepolitische Entscheidung Chinas, die E-Mobilität durchzusetzen, ist vermutlich auch Folge der EU-Abgasnormen? Dass die Amerikaner dem nun folgen, ist genau wie auf die EU-Abgasnormen zurück zu führen? Und was hat das alles mit diesem Chart und der Frage zu tun, wie wir weltweit vom Öl runter kommen?

 

Weitere Erzählungen von Sinn betreffen dann stets die Stromproduktion, von der er natürlich nicht einen Hauch Ahnung hat und das wohl auch nicht mehr erreichen wird. Die Erzählungen vom Flatterstrom, die Behauptung, die Abschaltung von Kernkraft sei relevant und man müsse nun zwingend immer mehr Kohle, insbesondere Braunkohle verstromen. Auch das wird unglaublich gerne von ihm wiederholt und gilt als Argument, weshalb Verbrenner angeblich weniger CO2 erzeugen als elektrifizierte Systeme. Ihm wurde regelmäßig, so auch zuletzt nach seinem BILD-Auftritt sachlich vorgerechnet, dass weder die von ihm genutzten CO2-Mengen stimmen, noch aufgrund der Effizienz elektrischer Systeme seine angeblichen CO2-Belstungen von E-Autos oder Wärmepumpen. Das macht er seit Jahren falsch, nun behauptet er es meist nur noch und legt gar keine Zahlen mehr vor. Das ist wohl seine Reaktion auf die Zerlegung seiner Rechen“werke“, weshalb er es auch hier nur bei diesem einen dürftigen Chart belässt, das schon wieder nicht aussagt, was er gerne ausgesagt hätte.

 

Aber die rein logische Frage jenseits der Daten lautet natürlich, warum das als Argument pro Verbrenner genutzt wird, statt die Frage auf den Tisch zu legen, wie man das Stromsystem CO2-neutral bekommen kann. Würde man sich damit besser auskennen, könnte man wahrnehmen, dass die eigen Zahlen, wenn sie denn überhaupt mal kommen, schon lange nicht mehr stimmen und ein Zuwachs von Braunkohleverstromung gar nicht passiert.

 

Ich sehe den Kohleausstieg, habe ich hier oft genug erwähnt, ebenfalls kritisch, aber ihn zu negieren, statt zu fragen, wie er schneller gehen kann und daraus abzuleiten, dass Verbrenner irgendwie dann doch besser sind, ist so verdreht, dass man sich fragen darf, warum Menschen das tatsächlich glauben? Erklärbar ist das allenfalls durch den Wunsch, so etwas unbedingt glauben zu wollen.

 

Merkwürdigen Zuspruch von der einen oder anderen Seite erhält Sinn übrigens für seine Forderungen, internationaler Absprachen zur Reduktion von CO2 und der Bekämpfung des Klimawandels. So lässt er diesen Beitrag der FAZ auch aufmachen, wobei das inhaltlich in weiten Teilen letztlich doch nur sein typischer Rundumschlag gegen Frau Merkel, mit der er eine wohl niemals zu begleichende Rechnung offen hat und dann natürlich allem, was er glaubt an grüner Politik irgendwo identifizieren zu können.

 

Seine Forderung internationaler Absprachen leitet er hier übrigens aus dem Chart ab, ein Ökonom, der sich kritisch über De-Growth äußert und mit der Corona-Krise einen Beleg für die Wirksamkeit von globalen Effekten vorlegt. Auch eine sehr interessante Art des Vortrag – misslungene Selbstironie oder was sonst?

Diesen Teil seiner Aussage muss aber niemand bestätigen. Die Notwendigkeit für globale und verbindliche Vereinbarungen muss man sich nicht von Herrn Sinn erklären lassen, das ist eine Beleidigung für all jene Wissenschaftler und leider wenigen Führungspolitiker, die sich dafür bereits seit Jahrzehnten einsetzen. Es mit einem Pamphlet vorzulegen, in dem insbesondere behauptet wird, weiteres Verbrennen von fossilen Stoffen sei dann irgendwie denn doch und überhaupt aber man muss es doch nur richtig verstehen gewissermaßen klimaschonend, ist eine Beleidigung für alles, was sich Wissenschaft, Logik oder Denkvermögen nennt, mehr!

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