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CH: So lange, bis die Chemie stimmt

Dorina Opris und hauchdünne Bauteile zum Ausstanzen: Leitende Schichten, die mit kohlenstoff-basierter Tinte gedruckt wurden, liegen später zwischen Schichten aus Polysiloxan. Bild: Empa
Dorina Opris und hauchdünne Bauteile zum Ausstanzen: Leitende Schichten, die mit kohlenstoff-basierter Tinte gedruckt wurden, liegen später zwischen Schichten aus Polysiloxan. Bild: Empa

DMZ –  FORSCHUNG / MM ¦ AA ¦                              Dorina Opris und hauchdünne Bauteile zum Ausstanzen: Leitende Schichten, die mit kohlenstoff-basierter Tinte gedruckt wurden, liegen später zwischen Schichten aus Polysiloxan. Bild: Empa

 

Dübendorf, St. Gallen und Thun, 08.08.2023 - Die Forschungsreise von Dorina Opris an der Empa ist geprägt von der Erforschung komplexer elektroaktiver Polymere, die für die Entwicklung von Roboterteilen, Sensoren und Batterien genutzt werden können. Dieses vielversprechende Projekt wird derzeit vom Europäischen Forschungsrat durch einen seiner angesehenen „ERC Consolidator Grants“ unterstützt. Es ist nicht der erste Erfolg für die Chemikerin der Empa, jedoch war der Weg dorthin alles andere als einfach.

 

Der Werdegang von Dorina Opris, geboren 1974, scheint auf den ersten Blick wie eine Bilderbuchkarriere: Vom Chemiestudium an der Babeş-Bolyai-Universität Cluj in Rumänien bis zur Titularprofessorin an der ETH Zürich und Leiterin der Forschungsgruppe „Functional Polymeric Materials“ an der Empa. Dies wurde durch einen „ERC Consolidator Grant“ von etwa zwei Millionen Euro gefördert. Dies alles trotz des Privatlebens mit Familie, Verantwortung für zwei Kinder und den damit verbundenen Freuden und Herausforderungen.

Wie ist das möglich? Durch ein früh erkanntes und gefördertes Talent – bereits während ihres Studiums in Siebenbürgen. Durch eine umfassende Ausbildung, die nicht nur Theorie, sondern auch praktische Laborarbeit einschloss, eine Aspekt, den Opris bei vielen Schweizer Studierenden vermisst. Und nicht zuletzt aufgrund eines Forschungsbereichs mit großem Potenzial: Elektroaktive Polymere, die sich unter elektrischer Spannung ausdehnen und in dünnen Schichten in Aktuatoren oder anderen Bauteilen verwendet werden können. Diese können beispielsweise für künstliche Muskeln, Stromerzeugung und vieles mehr eingesetzt werden.

 

Der Weg in diese aufregende Disziplin war jedoch keineswegs einfach. Opris suchte fast zwei Jahre lang nach einer Stelle, nachdem ihre Tochter geboren wurde, bevor sie bei der Empa einsteigen konnte. Und als sie in der Materialforschung Fuß fasste, musste sie ihr Forschungsgebiet erst finden und teilweise sogar erfinden, was mit anfänglichen Rückschlägen einherging. Ideen scheiterten und Forschungsgelder wurden nicht bewilligt. Wie fühlt man sich in solch einer Situation? „Besch...“, sagt Opris lachend.

 

Wie geht man in solchen Momenten weiter?

Man geht weiter. Förderungen durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und das Stipendienprogramm Sciex für drei Postdoc-Stipendien, die allesamt von Frauen besetzt wurden, gaben ihr den notwendigen Rückhalt. Schließlich folgte im Jahr 2020 der „ERC Consolidator Grant“ für das Projekt „TRANS“ (siehe Infobox), bei dem die Forscherin ins Schwitzen kam. Zwei Wochen intensive Vorbereitung für eine zweiminütige Zoom-Präsentation und 18 Minuten Frage-Antwort-Runde mit Experten. „Ich musste schnell auf viele Fragen reagieren können“, erzählt sie. „Das kam mir jedoch entgegen, da ich eine Person bin, die sich kurz und prägnant ausdrückt.“

 

Fruchtbarer Austausch an der Empa

Ihre Expertise verdankt Opris auch dem Wissen ihrer Kollegen an der Empa, insbesondere dem Ingenieur Gabor Kovac. Er trieb über viele Jahre die Entwicklung von stapelbaren Aktuatoren mit dehnbaren Silikonscheiben voran und brachte diese in Zusammenarbeit mit Lukas Düring zur Einsatzreife, bevor ihr Spin-off-Unternehmen „CTsystems“ kürzlich von Daetwyler übernommen wurde.

„Die Geräte zur Messung der Dehnung von Aktuatoren bei verschiedenen elektrischen Feldern wurden von ihnen entwickelt“, erklärt Opris. „Wir waren frühzeitig in diesem Bereich tätig, und das hat mir enorm geholfen.“ Im Gegensatz zu ihren Kollegen arbeitet die Chemikerin jedoch weniger an der Technologie zum Druck solcher Bauteile, sondern eine „Etage tiefer“ – an der Synthese neuartiger Polymere. Diese Polymere eignen sich als nichtleitende Schichten für Stapeltransistoren, elastische Folien zur Stromerzeugung und andere Elemente.

 

Die Anforderungen sind vielfältig: Die Schichten sollen möglichst dünn sein und das Fernziel von zehn Mikrometern Dicke nicht überschreiten. Sie sollen gut dehnbar sein, empfindlich auf niedrige Stromspannungen reagieren und zugleich robust sein. Vor allem sollten sie ohne Lösungsmittel für die leitenden Schichten auskommen, zwischen denen die Polymere liegen. „Lösungsmittel könnten die Polymerschichten beschädigen. Außerdem müsste das Material lange Zeit trocknen, um keine gesundheitsschädlichen Dämpfe abzugeben“, erklärt Opris. „Daher versuchen wir, auf sie zu verzichten und die richtige chemische Zusammensetzung zu finden.“

 

Diese vielfältigen Anforderungen beschäftigen Forschende weltweit. Eine vielversprechende Verbindung sind Polysiloxane, an denen auch die Empa-Spezialistin arbeitet. Einer der großen Vorteile dieser Polymere ist ihre vergleichsweise einfache Synthese; die Molekülstränge sind sehr beweglich und können gezielt durch polare Gruppen manipuliert werden, also Molekülen mit positiven oder negativen Ladungen.

 

Schlangenartige Moleküle

Opris veranschaulicht die Funktionsweise dieser Polysiloxane mit einem Bild: „Stellen Sie sich vor, diese Polysiloxane sind wie eine Kiste voller Schlangen, die ständig in Bewegung sind.“ Die polaren Gruppen wirken auf zweifache Weise auf diese „Schlangen“. Sie machen sie empfindlicher für elektrische Felder, sodass sie auf niedrige Spannungen reagieren. Zugleich fungieren sie wie ein Klebstoff zwischen den Molekülen, was diese versteift und damit ihre wichtige Elastizität verringert. Beide Effekte müssen fein abgestimmt werden, um optimalen Erfolg zu erzielen. Für die praktische Anwendung ist es wichtig, dass der Übergang vom festen in den elastischen Zustand bei niedrigen Temperaturen erfolgt, damit die Technologie bei Raumtemperatur einsetzbar ist. Zudem müssen solche Polymerstrukturen chemisch „vernetzt“ werden, um elastische Schichten zu bilden – dies geschieht beispielsweise durch UV-Licht und durch sogenannte Endgruppen, die wie molekulare „Hüte“ an den Enden der Schlangen wirken. Allerdings gestaltet sich die zuverlässige Herstellung dieser Polymere mit definierten Endgruppen in der Laborpraxis bisher als knifflig. „Das frustriert mich manchmal“, gibt Opris lachend zu.

 

Das TRANS-Projekt erfordert einen gesunden Ehrgeiz. Opris bezeichnet es als „sehr, sehr ambitioniert“. Das Team schöpft Hoffnung aus früheren Arbeiten, die bereits vielversprechende Ergebnisse geliefert haben, wie zum Beispiel eine Polysiloxan-Verbindung, die auf eine Spannung von nur 300 Volt reagiert und sich stark verformt – ein äußerst niedriger Wert. Es ist bereits gelungen, Kondensatorschichten ohne Lösungsmittel zu drucken. Ein Doktorand hat kürzlich ein piezoelektrisches Elastomer entwickelt, das bei Dehnung eine deutlich höhere elektrische Reaktion zeigt als andere gängige Verbindungen.

 

Kreativität und Teamarbeit für den Erfolg

Um greifbare Fortschritte zu erzielen, sind jedoch viele weitere Schritte erforderlich – und die Eigenschaften, die Dorina Opris zur Empa und zur ETH Zürich gebracht haben. Hierzu gehören Durchhaltevermögen, die Fähigkeit, Misserfolge in Fortschritte umzuwandeln, sowie die Schaffung einer inspirierenden Umgebung für Mitarbeitende, die offene Diskussionen und auch Irrtümer ermöglicht, um gute Ideen zu generieren.

Und vor allem: Optimismus. Opris ist der Meinung, dass jungen Forschenden spannende und anspruchsvolle Projekte zugewiesen werden sollten, um sie eigenständig arbeiten zu lassen und ihre Motivation aufrechtzuerhalten. Ihr Ratschlag an talentierte Frauen basiert auf ihrer eigenen Biografie: „Warte nicht darauf, dass dich jemand zum Forschen drängt. Du musst eigenmotiviert und stark sein und deine Ziele konsequent verfolgen. Traue dich auch, Risiken einzugehen.“

 

Der Werdegang von Dorina Opris

Die Forscherin absolvierte ein Chemiestudium an der Babeş-Bolyai-Universität in Rumänien und promovierte später dort und an der Freien Universität Berlin in anorganischer Chemie. Im Jahr 2006 kam sie für ein Postdoc-Stipendium zur Abteilung Funktionspolymere der Empa. Seit 2014 leitet sie die Forschungsgruppe „Functional Polymeric Materials“. Seit 2023 hat sie den Titel einer Titularprofessorin an der ETH Zürich. Neben ihrer umfangreichen Arbeit zu Polymeren wie Polysiloxanen ist sie auch in Peer-Review-Aktivitäten namhafter Verlage involviert. Seit 2016 ist Dorina Opris zudem Mitglied der Forschungskommission der Empa.

 

Wertvolle Unterstützung

Mit dem Forschungsprojekt „Synthesis of novel stimuli responsive dielectric polymers and their use in powerful transducers“ (TRANS) baut Dorina Opris ein multidisziplinäres Team auf, das druckbare dielektrische Polymere entwickelt. Diese können eine Form der Energie in eine andere umwandeln – sei es elektrische Spannung in Dehnung oder Bewegung sowie Temperaturveränderungen in Strom. Potenzielle Anwendungen reichen von Aktuatoren und Sensoren über „Soft Robotics“ bis hin zur Energiespeicherung und Festkörperkühlung. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und läuft noch bis April 2026. Bei der Vergabe des „ERC Consolidator Grant“ wurde das TRANS-Projekt aus über 2'500 Anträgen ausgewählt.

 

 

 

 

Herausgeber

Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

http://www.empa.ch

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