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Nein, China baut nicht auf Kohlestrom

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Es gibt eine singuläre Agenturmeldung über die Genehmigung von Kohlekraftwerken in China, derzufolge dort in den nächsten zehn Jahren mit einer Kapazität von 100 GW neue Kohlekraftwerke entstehen könnten. Diese Meldung wurde nie genauer recherchiert. Wie viele Kraftwerke gehen vom Netz, werden die genehmigten auch gebaut, wofür werden die eingesetzt, was ist der tatsächliche Plan dahinter, was wird die Netto-Ausbaukapazität sein, was heißt eigentlich 100GW? Nichts dergleichen!

 

Aber diese Meldung wird sehr lebendig weiter erzählt und zum Narrativ ausgebaut, China sei ganz schlau, die würden die Kohleverstromung ausbauen und wir würden uns mit einer dummen Klimapolitik den Standort kaputt machen. Das soll dann wohl die Aussage beinhalten, wir müssten auch Kohleverstromung ausbauen? Keine Ahnung, meist sind das Kernkraft-Enthusiasten, denen keine schiefe Argumentationskette zu verschwurbelt ist, notfalls dient auch eine chinesische Vorratsgenehmigung über 100 GW Kohlekraftwerke dafür, unserer Regierung Dummheit vorzuwerfen und hier entweder mehr AKWs zu bauen oder Verbrenner länger zu fahren.

 

Im Kontrast dazu nur zwei Daten: China hat alleine 2022 über 140 GW an Erneuerbaren ausgebaut und im ersten Halbjahr 2023 ist das bereits erreicht, es werden insgesamt für 2023 bis zu 350 GW erwartet, denn sie beschleunigen auf dem Niveau weiter. Das ist deutlich mehr als der Rest der Welt zusammen. Falls diese Kohlekraftwerke in den kommenden zehn Jahren netto gebaut werden, entspräche das also momentan ungefähr dem EE-Ausbau eines Quartals.

 

Ob China das aus Klimagründen macht, weiß allenfalls deren oberste Führungsebene. Dass sie es aus ökonomischen Gründen tun, darf man sicher annehmen. Das bestätigt die zweite Meldung, die übrigens von einem IT-Systemhaus stammt, das schlicht Daten im Europäischen Strommarkt auswertet und hier keine irgendwie geartete eigene Statistik macht, sondern die konkreten Realdaten visualisiert. Demnach ist momentan der Strompreis vor allem dort hoch, wo Kohle und Gas ihn dominieren und dort niedrig, wo die Windstromerträge hin fließen.

 

Es gibt kaum einen härteren Blödsinn als der über Stromerzeugungskosten, Strompreise und übrigens auch den grenzüberschreitenden Stromhandel in Europa. Das ist insofern erstaunlich und vor allem seitens der daran beteiligten Journalisten nur traurig, weil es dazu sehr umfassende Datenbanken gibt, die öffentlich einsehbar sind und über deren Auswertung man tatsächlich kaum streiten kann. Diese Datenlage schützt aber nicht mal davor, dass der besonders blöde Blödsinn, die Energielage sei vor allem im Winter sehr schwierig, immer noch so oft erzählt wird. Dabei sind Wind- und Wassererträge hier sehr hoch, weshalb gerade die mit hohen Anteilen an Erneuerbaren laufenden Stromsysteme im Winter die höchsten Produktionswerte haben – seit mehr als 20 Jahren.

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