DMZ – UMWELT ¦ Patricia Jungo ¦
Es mag erstaunen, aber die Tatsache, ob uns eine Information von Nutzen ist oder nicht, hat Einfluss auf unsere Wahrnehmung und zwar bereits auf der Ebene der Netzhaut. Ein Team um Jonathan Schaffner von der Universität Zürich hat sich mit der Frage beschäftigt, wie wir die Dinge sehen, wenn es um unser Überleben, unser Wohlbefinden oder andere Interessen geht.
Das Ergebnis zeigt, dass wir die Dinge dann oft unbewusst verzerrt sehen und dieser Effekt bereits im Auge, beziehungsweise in der Netzhaut einsetzt. Beim entsprechenden ersten Versuch hatten 25 Personen den Auftrag, bei zwei Streifenmustern jenes auszuwählen, welches am nächsten bei einem 45-Grad-Winkel war. Jeder Treffer brachte 15 Schweizer Franken ein. Die Belohnung war in der zweiten Bedingung ausschliesslich von der Orientierung der Reize abhängig. Der Score stieg fortlaufend von 0 bis 45 Grad (1 Franken bei 0 Grad Neigungswinkel; 46 Franken bei 45 Grad). Es zeigte sich, dass die Probanden bei der zweiten Bezahlungsart die Unterscheidung diagonaler Muster voneinander besser lernten.
Es scheint sich also so zu verhalten, dass die Wahrnehmung sich anpasst und wir genau das sehen, was uns nutzt. Dabei stellt sich die Frage, ob sich wirklich die basale Wahrnehmung verändert oder ob sich nur die Interpretationen desselben Sinneseindrucks unterscheiden. Um eine Antwort zu finden, nutzte das Team die räumliche Orientierung der frühen Sehareale, welche wie eine Karte der Retina aufgebaut sind. Benachbarte Nervenzellen werden von benachbarten Reizen der Netzhaut stimuliert.
In einem Folgeversuch übten 61 Freiwillige mit denselben Belohnungsprinzipien. Jedoch sah war nun das Vergleichspaar für jeden Teilnehmer in einer der beiden Bildschirmhälften ersichtlich. Nach dem Trainieren war wieder das Geldgewinnen an der Reihe. Die Aufgabe der Teilnehmer war es, bei einem einzelnen Muster, das sie jeweils am oberen oder unteren Rand des Screens sahen, den Winkel der Streifen zu schätzen. War das Muster im gleichen Teil des Bildschirms wie beim Üben, passte sich die Wahrnehmung sogleich an die Logik der Nutzenmaximierung an, welche zuvor gelernt wurde.
Es verhielt sich aber nicht so, wenn das Muster im anderen Teil ersichtlich wurde. Daraus konnte die Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass die Anpassung bereits in den frühsten Stadien der Reizverarbeitung erfolgt. Die Autoren erklären, dass wir versuchen unseren eigenen Nutzen zu maximieren, sobald wir etwas betrachten. Dies wiederum heißt, dass kognitive Verzerrungen schon lange vor dem bewussten Nachdenken über etwas einsetzen.
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