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Eine ökologische Ökonomiegrundvorlesung

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Wärmepumpen, Elektroautos und Erneuerbarer Strom sind teuer. Deshalb ist Klimapolitik teuer. Das muss man abfedern, indem man Verbraucher durch Förderungen stützt.

 

Auch die Industrie muss bei zu hohen Preisen Unterstützung erhalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem braucht so eine Transformation Zeit und die gewinnt man durch Preiseingriffe wie CO2-Bepreisung oder Besteuerung. Fossile Produkte müssen moderat teurer, ökologische billiger werden. So greifen Verbraucher zunehmend zu den neueren Produkten, die sich entwickeln können, während ältere standortschonend ausscheiden. Das ist die beste Nutzung des marktwirtschaftlichen Prinzips und entspricht unserer freiheitlich/demokratischen Grundordnung. Sozialer Ausgleich ist zusätzlich erforderlich. Alternativ ist es ohnehin am besten, wenn der Staat sich komplett raus hält.

 

Stimmt das?

 

Nein, nichts davon trifft zu, gar nichts!

 

Wärmepumpen, Elektroautos und Erneuerbarer Strom sind billiger herzustellen und zu betreiben, als entsprechende fossile Alternativen. Davon kommt in unseren Märkten aber nichts an. In Asien ist das anders, allen voran: Der chinesische Markt. Das führt bereits zu einem gefährlichen Irrtum: Es ist nicht so, dass eine fossile Ökonomie Wettbewerbsvorteile gegenüber einer nicht fossilen hat, es ist genau umgekehrt. Ein fossiler Standort kann gegen einen nicht fossilen nicht bestehen. Es gilt also, diese Kostenvorteile im Markt wirken zu lassen. Sonst kommt die Gesamtökonomie in Schieflage, weil in der Gesamtrechnung nicht relevant ist, wer welche Endpreise zahlt, sondern ob das Gesamtsystem aus dem verfügbaren Input möglichst effizient Output generiert. Das ist mit einer fossilen Ökonomie nicht mehr möglich, ohne eigen fossile Quellen übrigens schon lange nicht mehr, inzwischen aber auch mit kaum noch. Auch wenn es in einer fossilen Ökonomie immer noch hervorragend funktionierende fossile Geschäftsmodelle gibt. Das Gesamtsystem wird trotzdem ineffizient und das ist letztlich der Wettbewerbsnachteil, der alles bestimmt.

 

Klimapolitik ist insofern teuer, weil wir sie teuer machen. Es stimmt also, dass sie teuer ist, es stimmt aber nicht, dass es so sein muss oder gar so bleiben darf – und hier lohnt ein Blick auf die weiteren Thesen:

Förderungen der Verbraucher: Diese Förderungen wirken preistreibend und steigern damit die Marge der Hersteller. Das ist sogar bekannt und so gewollt. Vorteil und gewünschte Wirkung ist, dadurch neue Technologien überhaupt erst an den Markt zu bringen, ohne dass deren Hersteller die Risiken von Anfangsinvestitionen alleine zu tragen haben. Nachteil ist aber, dass sich dadurch Preise an Märkten bilden und die sind in vielen Märkten sehr resistent. Es ist daher leider oft zu beobachten, dass die einmal im Markt etablierten Preise nicht sinken, wenn die Förderungen wegfallen. Damit werden also kurzfristig negative Elemente der Marktwirtschaft überwunden, indem Risiken für Unternehmen gesenkt werden, langfristig aber positive Elemente der Marktwirtschaft – günstige Preise im Wettbewerb – oft ausgehebelt. Insgesamt ist es daher meist nicht marktwirtschaftlich klug, Märkte über subventionierte Endprodukte in Gang zu bringen.

 

Förderungen der Industrie: Es wäre richtig, neue Produkte durch direkte Förderung der Technologien zu ermöglichen, um die zuvor genannten Barrieren für Investitionen zu überwinden. So kann man Förderungen auch wieder wegnehmen, wenn neue Produkte durch Technologieevolution und Skaleneffekte in der Produktion günstiger produzierbar sind. Die am Markt gebildeten Preise werden so nicht beeinflusst, die müssen sich sofort an der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager orientieren und zwar im Wettbewerb. Wird Industrie aber mit der Gießkanne gefördert, beispielsweise bei allgemeinen Preisen wie Energiekosten, so ergibt sich keinerlei Lenkungseffekt für irgendwelche Technologien und es fehlt sogar der Druck, die fraglichen Kosten selbst zu senken. Solche Fördermaßnahmen können in vorübergehenden externen Notsituationen erforderlich werden, müssen dann aber auch wieder verschwinden. Eine Transformation wird damit eher behindert, als ermöglicht.

 

Preiseingriffe: Die Idee der Preiseingriffe setzt ein rein rationales Verhalten voraus, das nicht existiert. Kaufentscheidungen sind komplex und multipel motiviert. Hohe Preise müssen nicht zur Substitution von Produkten durch günstigere führen, zudem dann nicht, wenn gewohnte Produkte durch technisch komplett neue ersetzt werden sollen. Vielmehr wirken Preiseingriffe wie zusätzliche Steuern oder CO2-Zertifikate preistreibend, weil diese Substitutionen ausbleiben, oft nicht möglich sind und weil sie Optionen für nicht belastete Produkte bieten, auch hier höhere Preise durchzusetzen. Eine Lenkungswirkung wird meist überschätzt, sie tritt sehr langsam ein, in vielen Bereichen gar nicht und der für alle Produkte preistreibende Effekt wird unterschätzt. Letzterer ist oft dominant und führt ebenfalls dazu, dass sich Preise bilden und etablieren, die zu hoch sind.

 

Nutzung der Marktwirtschaft: Freie Preise sind ein sehr starker Hebel in der Marktwirtschaft, der aber zwingend Wettbewerb und Transparenz erfordert. Das sollte Lenkungsprinzip sein, um marktwirtschaftliche Effekte optimal zu nutzen. Daher gelten gerade Eingriffe in Preise – und das sind alle zuvor beschriebenen – als sehr schlechtes Mittel, staatlich/gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Sie führen zu den genannten Nebeneffekten und haben den ganz großen Nachteil, dass sie oft sehr lange Bestand haben und sich nur extrem zäh wieder auflösen.

 

Freiheit: Das Konzept der Freiheit ist kein individuelles, sondern ein Gesamtgesellschaftliches. Das Ziel muss sein, die Freiheit des Einzelnen so wenig wie möglich einzuschränken, um zugleich die Freiheit anderer ebenso zu sichern. Daher sind Regeln und Grenzen immanenter Bestandteil des Konzepts der Freiheit. Ohne Eingriffe geht es also nicht, aber für alle Eingriffe sind hohe Hürden zu beachten. So muss es für Eingriffe insbesondere gute Gründe geben. Für die oben genannten Preiseingriffe gibt es keine guten Gründe, sondern viele dagegen. Sie sind mit dem Prinzip der Freiheit daher nicht vereinbar, das Gegenteil der Aussage trifft zu.

 

Sozialer Ausgleich: Die oben genannten Eingriffe sind alle unsozial, weil sie letztlich preistreibend sind. Preiseingriffe wie CO2-Zertifikate oder Steuern sind sogar besonders unsoziale Verbote, weil sie diejenigen, die finanzschwächer sind, zwingen, von Produkten abzusehen, während andere sich das weiter leisten. Es ist insofern besonders widersprüchlich, wenn gerade mit dem Argument des sozialen Ausgleichs gegen „Verbote“ argumentiert und für die oben genannten Maßnahmen votiert wird.

 

Denn: „Verbote“ oder genauer gesagt Regulierung, die immer sowohl „erlaubtes“ und damit auch nicht „erlaubtes“, also „verbotenes“ umfassen, sind der effizienteste Eingriff, den der Staat – die hohen Hürden beachtend – vornehmen kann. Das ist ökonomisch bewertet die markwirtschaftlich klarste Form, Märkte überhaupt erst zu schaffen und Wettbewerb zu fokussieren. Bei Transformationsprozessen gilt dabei jedoch die Einschränkung, dass Regulierung zeitlich mit ausreichendem Vorlauf und soweit möglich in kleineren Schritten erfolgt, damit keine Knappheiten in Märkten entstehen. Anbieter müssen genug Zeit haben, sich auf neue Märkte, die wie gesagt durch Regulierung am klarsten entstehen, vorbereiten können, also rechtzeitig passende Produkte entwickeln und Produktionskapazitäten aufbauen.

 

Soll der Staat sich also komplett raus halten: Nein, das steht hier nicht. Klarzustellen ist aber bereits bei der Frage, dass diejenigen, die das fordern, lediglich andere Formen des staatlichen Eingriffs wollen, oft die zuvor genannten. Ohne Regulierung entstehen keine Märkte, daher ist es vollkommen Quatsch, in der Marktwirtschaft die quasi sogar schöpferische Aufgabe des Staats auszuschließen. Der theoretische Idealfall ist in der Tat eine Regulierung, die sich darauf reduziert, festzulegen, was ein Markt ist, was auf ihm angeboten werden darf, dass jeder Anbieter und Nachfrager freien Zugang erhält und dass dabei die Preise frei sowie transparent zwischen Angebot und Nachfrage verhandelt werden. Das führt – theoretisch – zu einer optimalen Versorgung aller Nachfrager zu den best möglichen Preisen. Dieses theoretische Konzept gelingt in der Praxis auch immer wieder, aber weder immer, eher sogar selten und niemals aus sich heraus stabil. Daher muss der Staat weit über diese Art der Regulierung eingreifen, aber das sind viel dickere Bretter als die zuvor beschriebenen – und nur die wollte ich hier kurz durch bohren, was nicht wirklich schwierig ist 😉

 

Kurze Anwendung auf die Klimapolitik der EU im Vergleich zu dem genannten Markt in China: Die EU ist bekannt für wirre Förderprogramme und die zuvor genannte Fehlsteuerung ist in Europa sehr weit verbreitet, was zu den vielen Problemen führt, die wir bei der Transformation in Richtung einer Elektrifizierung haben. Aber ausgerechnet bei dem, was wir „Klimapolitik“ nennen, geht die EU prinzipiell sogar sehr „sauber“ vor, denn die Verschärfung von Emissionsregulierung ist bereits sehr lange beschlossen und auch mit klaren Fristen angekündigt. Viele regen sich derzeit darüber auf, was die nationalen Regierungen gerade in Gesetze gießen. Man mag sich dabei natürlich über deren konkrete Ausgestaltung streiten, aber die damit verbundenen Ziele sind lange bekannt. Auch die Industrie hatte genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.

 

Das macht an der Stelle China nicht wesentlich anders. Sie gehen jedoch mit ihren Förderungen klüger und gezielter um. Ein wesentlicher Unterschied liegt aber woanders: In China hat die Wirtschaft geglaubt, dass der Staat seine Ankündigungen durchsetzen wird. In Europa war das offensichtlich nicht so – und das ist auch immer noch nicht anders. Die Wirtschaft und Teile der Politik in Europa sind davon ausgegangen, dass man diese Klimapolitik mindestens langsamer umsetzen wird.

 

Auf dem Weg sind wir leider tatsächlich. Das wird uns länger als fossile Ökonomie im Wettbewerb mit nicht fossilen halten, als uns lieb sein kann. Über´s Klima wird an der Stelle ohnehin meist verlogen geredet, aber selbst das ändert sich, es wird immer hoffähiger, von den vielen gesellschaftlich/sozialen Problemen der Klimapolitik zu reden.

 

Das ist ökonomisch falsch und ökologisch fatal. Es geht nur um die Rettung von ein paar fossilen Geschäftsmodellen. Das nutzt letztlich sogar niemandem – naja, hängt von der Lebenserwartung und dem derzeitigen Geschäftsmodell ab, das sei zugegeben.

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