DMZ – MEDIZIN ¦ Markus Golla ¦
Der menschliche Darm beherbergt ein ganzes Ökosystem von Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen. Mit bis zu zwei Kilogramm Gewicht ist diese Lebensgemeinschaft quasi ein Organ im Organ – und als solches in der Lage, die Gesundheit „seines“ Menschen zu beeinflussen. Neue Forschungen weisen dem Mikrobiom auch eine Rolle bei der Entstehung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zu, wie die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) mitteilt.
Eine der Erkrankungen, für die die Rolle des Mikrobioms genauer untersucht wurde, ist der Systemische Lupus Erythematodes (SLE). „Dabei handelt es sich um eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung, bei der sich das körpereigene Immunsystem insbesondere gegen Bestandteile des Zellkerns wendet“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Krause, Präsident der DGRh und Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin. Da diese Kernbestandteile überall im Körper vorkommen, können sich die SLE-typischen Entzündungen in sämtlichen Organen bemerkbar machen. Besonders häufig sind die Haut, die Gelenke und die Nieren betroffen. Beschwerden und Befallsmuster unterscheiden sich jedoch von Patient zu Patient und können sich auch im zeitlichen Verlauf der chronischen Erkrankung verändern.
Das Mikrobiom als auslösender Faktor für SLE?
Obwohl es genetische Faktoren gibt, die die Anfälligkeit für einen SLE erhöhen, reichen diese als Erklärung für die Erkrankung nicht aus. „Nicht jeder Mensch mit der entsprechenden genetischen Veranlagung erkrankt auch an SLE“, sagt Krause. Hier könnte die individuelle Zusammensetzung des Mikrobioms als ein Faktor ins Spiel kommen, der über Ausbruch und Verlauf der Erkrankung mitentscheidet. In den letzten Jahren sind eine Reihe von möglichen Pathobionten identifiziert worden – schädlichen Bakterien also, die für den negativen Einfluss des Mikrobioms auf Krankheitsentstehung und -verlauf verantwortlich sein könnten. Hierzu zählen bestimmte Enterokokken und Lactobazillen, die bei Patienten mit geschädigter Schleimhaut-barriere durch die Darmwand hindurchtreten, in andere Organe einwandern und dort Entzündungen hervorrufen können. Dem entgegen wirken offenbar die so genannten Clostridiales. Diese Dickdarmbakterien scheinen für eine gute Funktion der Schleimhautbarriere unentbehrlich zu sein. Sie produzieren wichtige kurzkettige Fettsäuren, die die Schleimhautzellen im Darm bei der Schleimbildung unterstützen, die Darmbarriere stärken und zu einem günstigen Säuremilieu beitragen. „In einer Subgruppe von SLE-Patienten konnte bereits gezeigt werden, dass Clostridiales verloren gehen, während Lactobazillen sich vermehren“, sagt Professor Dr. med. Martin A. Kriegel von der Abteilung für Translationale Rheumatologie und Immunologie des Institut für Muskuloskelettale Medizin (IMM) am Universitätsklinikum Münster, der auf diesem Gebiet forscht.
Ein anderer Mechanismus, der die typischen Autoimmunprozesse bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit anstoßen könnte, ist die sogenannte Kreuzreaktivität: Anti-körper, die ursprünglich gegen Bakterien gebildet wurden, erkennen in diesem Fall auch Antigene, die sich im körpereigenen Gewebe befinden. Dieses wird daraufhin ebenfalls zum Ziel der Immunabwehr. Eine solche Kreuzreaktivität ist etwa für das Autoantigen Ro60 nachgewiesen, gegen das sich die Autoimmunattacken bei vielen SLE-Patienten richten. Denn Ro60 wird auch von einer ganzen Reihe von Bakterien gebildet, die im Darm, auf der Haut und im Mund vorkommen.
Therapieansätze aus der Mikrobiomforschung
„Diese Mechanismen sind mittlerweile durch Befunde aus der Forschung gut untermauert“, sagt Kriegel. Ob sich die neuen Erkenntnisse auch therapeutisch nutzen lassen, müsse in künftigen Studien geklärt werden. Mögliche Ansatzpunkte seien zum einen Impfungen oder Medikamente gegen schädliche Pathobionten, zum anderen aber auch eine gezielte Beeinflussung des Mikrobioms über die Ernährung. „Speziell für den Lupus scheint eine faserreiche Ernährung die Darmbarriere zu schützen und so den Übertritt schädlicher Bakterien in andere Organe zu verhindern“, sagt Krause. Diese bislang nur an Mäusen beobachteten Effekte machen Hoffnung, dass sich Autoimmunprozesse auch beim Menschen über eine entsprechende Ernährung günstig beeinflussen lassen.
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