– GESELLSCHAFT ¦ Marianne Herbst-Stauffer ¦
KOMMENTAR
Vor einem Jahr haben wir in der Schweiz über die Revision des Jagdgesetzes abgestimmt. Die Revision und die Lockerung im Gesetz, welche auch eine stärkere Regulierung des Wolfsbestandes anstrebte, wurden vom Volk in der Abstimmung abgelehnt. Nun wird im eidgenössischen Parlament wieder darüber diskutiert. Der Vorschlag des Ständerates ignoriert den letztjährigen Volksentscheid völlig.
Die Berner Konvention wird nicht eingehalten und die Stimme des Volkes, welches die Lockerung des Wolfsschutzes an der Urne ablehnte, wird nicht wahrgenommen. Wölfe sollen präventiv abgeschossen werden können, die regionalen Bestände bleiben dabei nicht gesichert und der positive Einfluss des Wolfes auf den Wald bleibt unberücksichtigt. Dies alles widerspricht einem sinnvollen Umgang mit dem Wolf, welcher die Interessen des Artenschutzes und des Waldes berücksichtigen würde.
Im Jahr 2022 wurden bereits 24 Wölfe zum Abschuss freigegeben: 13 Einzeltiere und 11 Wölfe aus Rudeln durften bereits abgeschossen, bzw. dürfen noch abgeschossen werden. Es konnten zwar nicht alle Abschussbewilligungen umgesetzt werden, dennoch wurden so viele Wölfe getötet wie noch nie! Zwischen 2019 und 2021 wurden insgesamt 14 Wölfe zum Abschuss freigegeben. 12 davon wurden abgeschossen.
Diese Abschussbewilligungen erfolgten basierend auf dem geltenden Recht. Es ist aber zu betonen, dass diese rechtlichen Bestimmungen in jüngster Vergangenheit bereits mehrfach erheblich gelockert wurden.
Im Kanton Tessin beklagten sich besonders viele Nutzierhalter über hohe Risszahlen durch Wölfe. Die Gruppe Wolf Schweiz (GWS) hat die verfügbaren kantonalen Daten ausgewertet. Diese Auswertung hat gezeigt, dass im laufenden Jahr 98% aller Risse im Tessin in völlig ungeschützten Situationen geschahen.
Nicht einmal 2% der Risse wurden in den geschützten Herden festgestellt, das entspricht zehn Rissen. Ein zumutbarer Herdenschutz wäre bei einer Mehrheit der betroffenen Herden amtlich anerkannt möglich gewesen. Ferner war den kantonalen Angaben auch zu entnehmen, dass bei zahlreichen, der als Wolfsrisse entschädigten Tiere, nur mehr die verwesten Kadaver gefunden wurden.
Oft waren somit keine DNA-Proben mehr möglich, was die Zuordnung zum Verursacher erschwert. Diese Kadaverfunde zeugen aber auch von einer schlechten Betreuung der Herden, denn Risse in gut geführten Herden werden rasch entdeckt.
Die Verweigerungshaltung dem Herdenschutz gegenüber ist schlicht skandalös und wird missbraucht, um Druck auf anstehende politische Entscheide auszuüben. Nutztiere werden dem Wolf geopfert und der Weg für die landwirtschaftliche Produktion soll quasi freigeschossen werden. Die emotionalen Diskussionen würden versachlicht werden, wenn fachliches Wissen über das Wolfsverhalten und realwissenschaftliche Erkenntnisse in die Debatte um die Wölfe miteinfliessen würden. Die Koexistenz mit den Wolfsfamilien müsste nicht mehr dauernd hinterfragt werden.
Haben wir also ein Problem mit dem Wolf oder haben wir ein Problem mit der Verweigerungshaltung dem Herdenschutz gegenüber und der Verantwortung als Nutztierhalter?
Es würde sich lohnen, sich an mehr Fakten zu orientieren und privaten Tierschützer:innen, welche viel freiwillige Feldarbeit verrichten, mehr Gehör zu verleihen.
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