DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Lena Wallner ¦ KOMMENTAR
Die Aggressionen der Coronaleugner und Impfgegner sind bekannt und das Ausmass immer besser sichtbar. Diese verirrten Personen scheuen längst nicht mehr zurück auch Gewalt anzuwenden. Solches Verhalten und das Zusehen der Behörden, haben erneut zu einem prominenten Opfer geführt. Dabei war die Polizei seit langem im Bilde. Jene Ärztin, die seit Monaten Todesdrohungen erhielt, wurde in ihrer Praxis tot aufgefunden. Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wusste nur noch einen Ausweg – Suizid.
Die Ärztin aus Seewalchen am Attersee ist tot. Sie wurde Freitagmorgen in ihrer Praxis aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft Wels schliesst ein Fremdverschulden aus, wie eine Sprecherin gegenüber der „Presse“ sagt. Die gefundenen Abschiedsbriefe würden den Suizid bestätigen.
Seit Monaten erhielt sie Todesdrohungen, in ihrer Praxis kam es regelmässig zu Zwischenfällen mit Personen, die sich als Patienten ausgaben. In mehreren Fällen wurden Messer abgenommen, Hausverbote ausgesprochen. Auf der Strasse fühlte sie sich nicht mehr sicher und von der Polizei im Stich gelassen. Mehr noch, der Landespolizeidirektion (LPD) Oberösterreich machte sie den Vorwurf, für die Hetzjagd gegen sie mitverantwortlich zu sein. Ganz alleingelassen wurde Lisa-Maria Kellermayr zwar nicht: Viele Menschen gaben ihr Zuspruch und baten sie weiterzumachen. Doch die entscheidenden Stellen – jene, die die Macht hatten, tatsächlich etwas zu bewegen – haben nicht reagiert. Die oberösterreichische Polizei richtete der Ärztin sogar aus, sie würde sich "in die Öffentlichkeit drängen" und mit ihrer Kritik an mangelnder Hilfe durch die Behörden "das eigene Fortkommen fördern" wollen. Von der Ärztekammer hiess es, Kellermayrs Kassenarztstelle könne man "schnell besetzen, wenn sie frei wird". Unglaublich. Hier müssen die Verantwortlichen dafür hinstehen. Etwas anderes ist inakzeptabel.
Rückblick: Im November des Vorjahres schrieb die Ärztin auf Twitter, dass eine Demonstration mit Corona-Leugnern die Rettungsausfahrt der Klinik in Wels blockierte. Direkt darunter antwortete die LPD, dass es sich um Fake News handle. „Damit wurde ich von der Polizei zum Abschuss freigegeben“, sagte Kellermayr im Gespräch mit der „Presse“. Denn der Beitrag verbreitete sich in Impfgegner- und Coronaleugner-Gruppen rasant, ein Nutzer meinte gar: „Die Polizei ist mittlerweile schon auf unserer Seite.“ Ein anderer veröffentlichte Kellermayrs Adresse samt dem Aufruf, ihr zu schreiben und sie zu besuchen.
Mehr als sieben Monate erhielt sie Todesdrohungen, in denen explizit ausgeführt wurde, wie sie und ihre Mitarbeiterinnen gequält und ermordet werden sollen. Regelmässig wurde sie bei der Polizei vorstellig und bat um Hilfe. Doch es geschah nichts. Die Polizei halt nicht und überliess die Ärztin viel mehr sich selbst, bzw. Ihren „Feinden“.
Ende Juni kündigte sie auf Twitter an, ihre Ordination „bis auf Weiteres“ zu schliessen. Sie berichtete ausführlich von ihrem Martyrium, veröffentlichte die Todesdrohungen und wie sie, aus Angst vor tatsächlichen Übergriffen, ihre Praxis zu „meinem persönlichen Bunker“ umfunktionierte und eine Sicherheitsfirma engagierte.
Die über Monate anhaltenden hohen Kosten überstiegen die Einnahmen. Sie stand vor dem Konkurs, war aber, wie sie der „Presse“ Anfang Juli erzählte, zuversichtlich, wieder öffnen zu können. Wenige Wochen später dann die Nachricht, dass die Ordination geschlossen bleibt. Ein sicherer Praxisalltag könne nicht garantiert werden.
Dabei kam nach Bekanntwerden der vorübergehenden Schliessung Bewegung in die Untersuchungen, nachdem sich die deutsche Cyber-Security-Expertin „Nella“ der Droh-E-Mails annahm. Binnen weniger Stunden will sie wichtige Indizien für den wahren Verfasser der Mails gefunden haben. Der Verfassungsschutz und das LKA Berlin wurden daraufhin aktiv und werden weiter ermitteln, auch nach dem Suizid der Ärztin, betont die StA Wels. Leider kommt diese „Hilfe“ für die Ärztin und Ihre Familie viel zu spät. Wie kann es sein, dass Behörden solche Fehler immer und immer wieder wiederholen? Wer übernimmt die Verantwortung?
Information auf der Website von Lisa-Maria Kellermayr (28.7.22)
Die Ereignisse müssen spätestens jetzt dringend aufgearbeitet werden. Das Zusammenspiel von impffeindlichen, rechtsextremen Medien und Teilen der Landespolitik, die diese auch finanzieren, hat einen gefährlichen Nährboden für Hass und Hetze geschaffen. Der Mob organisiert sich auf Telegram und bedrängt seine Ziele in konzertierten Aktionen, bis die nicht mehr können. Die Justiz, Behörden und Polizei geben sich machtlos. Ein leichtes Spiel für die Aggressoren.
Am Montag ist eine Gedenkveranstaltung für Kellermayr in Wien geplant. Daniel Landau, Organisator und Initiator von #YesWeCare, gab auf Twitter bekannt, eine Veranstaltung für 20 Uhr am Stephansplatz angemeldet zu haben.
Einige Drohungen hat Lisa-Maria Kellermayr auf Ihrer Website veröffentlicht
Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, ausser sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen.
Telefonseelsorge
Deutschland:
Tel.: 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222
Online unter www.telefonseelsorge.de
Österreich:
Tel.: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr
Telefon-, E-Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder Krisenzeiten.
Online unter www.telefonseelsorge.at.
Schweiz:
Tel.: 143
Telefon-, E-Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder Krisenzeiten.
Online unter www.143.ch
Ausflugstipps
Unterstützung
Damit wir unabhängig bleiben, Partei für Vergessene ergreifen und für soziale Gerechtigkeit kämpfen können, brauchen wir Sie.
Rezepte
Persönlich - Interviews