DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
Österreichs Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie waren aufgrund der Rahmenbedingungen aus Sicht des Rechnungshofs (RH) sehr komplex. Das verdeutlichte heute Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Rechnungshofausschuss des Nationalrats mit dem Hinweis, die milliardenschweren Hilfen seien an unterschiedliche Zielgruppen und Bereiche ergangen und in verschiedenen Leistungsarten umgesetzt worden. Für die rasche Abwicklung künftiger Hilfszahlungen riet sie, einen Notfallplan mit klaren Kriterien aufzustellen. Bis 30. Juni 2021 hatte der Bund mehr als 73 Mrd. € für finanzielle Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie eingeplant, ausbezahlt worden waren 33 Mrd. €.
Zur Ausschussdebatte standen zwei RH-Berichte über Prüfungen der öffentlichen Aufwendungen während der Corona-Krise der Jahre 2020 und 2021 sowie ein Bericht zu den Zahlungen aus dem Härtefallfonds. Beide Berichte nahm der Ausschuss einstimmig zur Kenntnis. Ziel der Erhebungen über den Einsatz der öffentlichen Mittel in Verbindung mit der COVID–19–Pandemie sei, zur Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger beizutragen, hielt Präsidentin Kraker fest. Auf einer interaktiven Grafik weist der Rechnungshof zudem online die Zahlungsströme der Corona-Hilfen von Bund und Ländern aus, als quartalsweise Darstellungen geordnet nach Bundesland, Förderbereich und –art.
Für das Jahr 2022 sind Finanzminister Magnus Brunner zufolge für Krisenbewältigungsmaßnahmen zusätzliche 6,6 Mrd. € eingeplant, die - wie der Minister im Ausschuss sagte – wohl "genutzt werden müssen". Aufgewendet worden sei bis Juni 2022 ein Gesamtvolumen von 44,8 Mrd. € für Maßnahmen wie Kurzarbeit, Härtefallfonds, Haftungen, Steuerstundungen und gesundheitspolitische Zweckzuschüsse.
Der Rechnungshof als Kontrollorgan des Nationalrats betont in seinen Berichten die Legitimität der raschen Umsetzung finanzieller Hilfsmaßnahmen zur Abmilderung pandemiebedingter Notlagen durch die öffentliche Hand. Nach wie vor müssten Bund, Länder sowie alle Förder- und Unterstützungsstellen die Herausforderungen der Krise gemeinsam überwinden. Abstimmung und reibungslose Koordination innerhalb und zwischen den Bundesministerien und Gebietskörperschaften seien daher sicherzustellen.
Unübersichtliche Zahlungsabwicklung
Insgesamt 89 finanzielle Corona-Hilfsmaßnahmen des Bundes wurden dem Rechnungshof für den Zeitraum März 2020 bis Ende September 2020 gemeldet, geht aus dem diesbezüglichen RH-Bericht (III-342 d.B.) hervor. Umfasst von diesen Maßnahmen sind laut Rechnungshof Zuschüsse, Sachleistungen, Haftungen, Garantien und Darlehen sowie Einnahmeverzichte der öffentlichen Hand. Sowohl der Bund als auch die Bundesländer beauftragten mit der Abwicklung der Hilfen sogenannte Intermediäre, der Bund in 38 Fällen. Bis auf die neu gegründete COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) zogen die Ministerien zwar größtenteils bereits bestehende Abwicklungsstellen heran, die Koordinierung über zahlreiche Schnittstellen auf Bundes- und Landesebene führte der RH-Analyse zufolge aber zu einer hohen Komplexität und Unübersichtlichkeit. Finanzminister Brunner unterstrich, mithilfe der Transparenzdatenbank wolle man größtmögliche Klarheit über den Einsatz der Fördermittel schaffen. Für eine Evaluierung der Maßnahmen anhand ihrer makroökonomischen Effekte, der Auswirkungen auf die Unternehmen und der administrativen Kosten für das Finanzministerium werde gerade eine Ausschreibung vorbereitet. Alle Wirtschaftsforschungsinstitute könnten sich dafür bewerben. Kai Jan Krainer (SPÖ) forderte vom Minister in diesem Zusammenhang Klarheit darüber, welche Aktiengesellschaften 2020 Förderungen erhielten und danach hohe Gewinne schrieben.
Opposition kritisiert Kontrollmängel
Während Franz Hörl (ÖVP) konkret den Bundesländern Kärnten und Burgenland mangelnde Transparenz bei Überprüfung und Einmeldung von Förderungen vorwarf, orteten Karin Greiner (SPÖ) und Wolfgang Zanger (FPÖ) besonders auf Bundesebene Missstände bei den Förderkontrollen. Greiner rügte speziell die Praxis der Auslagerung der Förderabwicklung, obwohl das Finanzministerium über die nötige Expertise verfüge. Das habe auch den Datenschutz gefährdet. Am Beispiel der Zahlungen an den Seniorenbund bezweifelte Zanger die Effektivität der Hilfsmaßnahmen, die auch ohne Anspruch geflossen seien und Loacker fügte an, in den Bundesländern hätten Betroffene mit Anrecht auf Hilfen nicht über ihre Ansprüche Bescheid gewusst. Ein "Handbuch" mit Lehren aus der Krise empfahl angesichts dessen Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger. Auf Grundlage der Erfahrungen aus dem Pandemiemanagement gelte es, die Hilfsmaßnahmen auf ihre Treffsicherheit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen, sodass Zuschüsse zur Vereinfachung beispielsweise als Pauschalen fließen.
Minister Brunner nahm diesen Gedanken auf, betonte jedoch, zu Beginn der Pandemie "hat es keine Blaupause gegeben". Man hatte die Hilfen schnell und möglichst treffsicher zu realisieren. An die sich ändernden Gegebenheiten würden sie laufend angepasst, verwies er auf Maßnahmen wie den Ausfallbonus. "Wir lernen ständig dazu", so Brunner. Für die Sicherung übermittelter Daten werde in den Förderrichtlinien Sorge getragen. Internationale Wirtschaftswissenschafter:innen würden den Erfolg des heimischen Krisenmanagements bestätigen, der sich nicht zuletzt an den vielen verhinderten Insolvenzen von Unternehmen und den 1,3 Mio. geretteten Arbeitsplätzen zeige.
In seiner heuer publizierten Datenaktualisierung (III-612 d.B.), die den Zeitraum Oktober 2020 bis Juni 2021 umfasst, weist der Rechnungshof auf ein geplantes Gesamtvolumen aller finanziellen Hilfsmaßnahmen des Bundes von 73,585 Mrd. € hin. Tatsächlich gewährt wurden bis Juni 2021 insgesamt rund 34,481 Mrd. € an finanziellen Corona-Hilfen. 989,87 Mio. € davon erbrachten die Bundesländer, den größten Anteil stemmte aber der Bund mit 33,492 Mrd. €, vorrangig für die Bereiche Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Zu Buche schlugen die Kurzarbeit (8,588 Mrd.€), der COFAG Ausfallbonus (2,408 Mrd. €), der COFAG Lockdown-Umsatzersatz im November und Dezember 2020 (2,261 Mrd. € und 1,016 Mrd.€), der COFAG Fixkostenzuschuss (0,987 Mrd.€) und der Härtefallfonds (1,841 Mrd. €). An Haftungen und Garantien übernahm der Bund dem RH-Bericht zufolge 6,630 Mrd. €, die Bundesländer gewährten in diesem Zusammenhang insgesamt 13,23 Mio. €, eingeplant waren seitens der Länder 364,31 Mio. €.
Im Berichtszeitraum März 2020 bis September 2020 standen 52,18 Mrd. € für die Corona-Hilfen insgesamt zur Verfügung. 21,332 Mrd. € der gesamten Hilfen, also 40,9%, waren monetäre Leistungen. Davon steuerte der Bund rund 20,9 Mrd. € bei, wobei für etwas mehr als die Hälfte der Hilfen Anträge erforderlich waren. Dementsprechend wurden bis 30. September 2020 rund 1,74 Millionen Anträge für finanzielle Hilfsmaßnahmen an den Bund gerichtet. Die Zahlungen der Bundesländer beliefen sich auf 432 Mio. €.
Von Abgeordnetem Zanger (FPÖ) auf den Umfang der Rechnungshofkontrollen der Corona-Hilfen angesprochen, skizzierte Präsidentin Kraker sämtliche Prüfungen in diesem Zusammenhang, die gemeinsam mit dem Bundesrechnungsabschluss und speziellen Gebarungsüberprüfungen – etwa zur COFAG – ein "umfassendes Prüfpaket" mit derzeit 26 Einzelprüfungen ergäben.
Härtefallfonds fachliches Neuland für Wirtschaftsressort
In einem eigenen Bericht (III-388 d.B.) zur Förderabwicklung im Rahmen des Härtefallfonds verweist der Rechnungshof auf Unklarheiten bei der Definition von Förderkriterien und der Berechnung der Förderhöhe. Das Ziel, über sämtliche Branchen hinweg eine breite finanzielle Unterstützung rasch zu gewähren, habe man aber in hohem Ausmaß erfüllt, urteilt das Kontrollorgan. Der Härtefallfonds sollte während der Corona-Pandemie negative wirtschaftliche Auswirkungen auf Ein-Personen-Unternehmen und Familienbetriebe, die weder Kurzarbeit noch Garantien beanspruchen konnten, durch Ersatzzahlungen abfedern. Die Mittel für den Härtefallfonds stammen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, der vom Finanzministerium verwaltet wird. Operativ ist das Wirtschaftsministerium zuständig für den Härtefallfonds, wobei die Wirtschaftskammer die Antragsabwicklung übernimmt. Grundsätzlich müsse bei ressortübergreifenden Förderinstrumenten auf die fachliche Expertise bei Konzeptionierung und Umsetzung geachtet werden, unterstreicht der Rechnungshof. Das Wirtschaftsministerium habe angesichts der sozialen Dimension der Förderungen "fachliches Neuland betreten". Von März bis Dezember 2020 wurden rund 895,91 Mio. € Härtefallfondsförderung an 209.000 Fördernehmerinnen und Fördernehmer ausbezahlt. Mittlerweile betrage die Auszahlungssumme bereits 2,4 Mrd. €, so Kraker im Ausschuss.
Brunner: WKÖ führt Abwicklung unentgeltlich durch
Auf die Kritikpunkte des Rechnungshofs gingen Michael Seemayer (SPÖ), Erwin Angerer (FPÖ) und Gerald Loacker (NEOS) näher ein, wobei sie vor allem die Rolle der Wirtschaftskammer als Abwicklungsstelle hinterfragten. Finanzminister Brunner unterstrich wiederum, die Wirtschaftskammer sei eine "kompetente Institution nahe an den Unternehmen" und führe die Förderabwicklung "pro bono" durch. Angerers Bemerkung, Unternehmer:innen hätten vielfach über Probleme bei Antragstellung und Auszahlung geklagt, konnte Martina Kaufmann (ÖVP) nicht nachvollziehen. Ihr gegenüber hätten sich Unternehmer:innen zufrieden mit der Förderabwicklung gezeigt. Probleme in der praktischen Anwendung haben aus Sicht des Rechnungshofs nicht zuletzt die häufigen Änderungen der Förderrichtlinien verursacht. Im Sinne der Nutzer:innenfreundlichkeit regen die Prüfer:innen an, die Sicherung bereits eingetragener Daten zu optimieren und eine Identifizierung über die Handy-Signatur zu ermöglichen. RH-Präsidentin Kraker räumte ein, grundsätzlich befürworte der Rechnungshof, wenn staatliche Zahlungen zum Ausgleich des individuellen Schadens erfolgen, wie dies in der zweiten Phase des Härtefallfonds der Fall gewesen sei. Allerdings erhöhe sich dadurch die Komplexität der Förderabwicklung.
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
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