DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Anton Aeberhard ¦
KOMMENTAR
Impfgegnerschaft bezeichnet allgemeine Ablehnung von Impfungen. Eine Ablehnung einer Impfung ist beispielsweise religiös motiviert, kann auf naturheilkundlichen Annahmen aufbauen oder beruht auf der Angst vor Impfschäden.
Andere grundsätzliche Impfgegner machen beispielsweise geltend, Impfungen beruhten auf einer Verschwörung, oder sie leugnen die Existenz bzw. die Pathogenität von Viren oder die Existenz des Impfeffektes. Die klassischen Impfgegner sind Marionetten von Leuten, die ganz andere Ziele verfolgen. Eine wissenschaftliche Befragung von Personen in 24 Ländern aus dem Jahr 2018 ergab eine statistisch auffällige positive Korrelation von Impfgegnerschaft nicht nur mit der Neigung zu Verschwörungsglauben, Reaktanz und Individualismus, sondern auch mit dem Grad des Ekels vor Spritzen oder Blut. Hinweis darauf, dass Impfgegner Fakten ausblenden oder umdeuten, um emotional unerwünschte Folgen zu vermeiden.
Impfgegner sind Wissenschaftsleugner
Die von grundsätzlichen Impfgegnern vorgebrachten medizinischen Argumente sind wissenschaftlich widerlegt, insofern handelt es sich um eine Form der Wissenschaftsleugnung, oder sie sind unbelegt. Die Weltgesundheitsorganisation zählt die aus verschiedenen Gründen bestehende Impfzurückhaltung zu den zehn wichtigsten Gefahren für die Gesundheit der Menschheit. Die Befürworter der Anti-Impf-Bewegung stellen häufig die Sicherheit, Effizienz und Notwendigkeit jener Medikamente in Frage, die massgeblich dazu beigetragen haben, dass das Risiko einer Ansteckung an hochinfiziösen Krankheiten wie Mumps, Masern, Polio oder Keuchhusten für unsere Kinder heute so niedrig ist.
Welche Gruppen und insbesondere welche Schnittmenge dieser Gruppen am ehesten zu Impfverschwörungen neigen: Menschen aus dem rechten politischen Spektrum (AfD, SVP), Spezial- und Privatschulen (u.a. Waldorfschulen, Montessorischulen), Alternative Kreise. Meist haben diese Menschen alternativmedizinische, anthroposophische, homöopathischen oder esoterische Ansichten. Auffallend viele Befragte rauchen und halten Haustiere.
Impfgegner gefährden die globale Gesundheit
Impfgegner realisieren nicht, dass eine Impfverweigerung nicht nur die Gesundheit ihrer eigenen Kinder und aller ungeimpften Kinder im Gemeinwesen gefährdet, sondern dass diese auch die Grundprinzipien globaler Gesundheit untergräbt: nämlich dass Impfungen unerlässlich sind, um alle Kinder vor Krankheiten zu schützen. Die Anti-Impf-Bewegung zeigt gerne schnell mit dem Finger auf alle, die sie für Marionetten der Pharmaindustrie halten, was Impfgegner damit dann auch als solche outet.
Impfgegner sind zwar eine zahlenmässig kleine Minderheit; sie haben aber in sozialen Medien einen Wirkverstärker gefunden, der zum Eindruck beiträgt, ihre Position sei gleichrangig mit der grossen Mehrheit von Impfbefürwortern. In den USA stammt die Hälfte der impfgegnerischen Werbung auf Facebook von nur zwei grossen Organisationen: zum einen das „World Mercury Projekt“ (nun bekannt als „Children’s Health Defense“) von Robert F. Kennedy Jr., zum anderen das Projekt „Stop Mandatory Vaccination“ des US-amerikanischen Aktivisten Larry Cook. Die geschalteten Anti-Impf-Kampagnen waren umfangreicher als die Online-Werbung der Befürworter und erreichten ein grösseres Publikum. Auf Twitter werden Impfgegner zudem durch Bots und russische Trolle unterstützt. In einer weiteren Studie bestätigte sich, dass Desinformationskampagnen in sozialen Medien (die Verbreitung von Impfmythen) für Zweifel an der Impfstoffwirksamkeit sorgen.
Impfgegner haben grosse Ängste
Viele Impfgegner haben vielfach auch übertriebene Angst vor Impfschäden, Misstrauen gegenüber staatlichen Einrichtungen, gegenüber den Pharmaunternehmen und gegenüber der Medizin im Allgemeinen sowie Unwissenheit und irreführende Medienberichte. Paradox dabei ist, dass gerade die verängstigten Impfgegner, den Impfbefürwortern nachsagen, dass diese vor etwas Angst hätten. Dabei zeigt sich ausschliesslich bei den Impfgegnern grosse Angst: Angst vor Impfschäden, der Regierung, einer grossen Macht, den Medien, der Gesellschaft usw.
Die Zurückhaltung gegenüber Impfungen lässt sich bei Befragungen weitgehend auf fünf Einstellungen und Auffassungen zurückführen, die auch „Die 5C“ genannt werden:
- Confidence: mangelndes Vertrauen in die Wirksamkeit oder Sicherheit von Impfungen
- Complacency: als niedrig wahrgenommenes Risiko, durch die Infektion schwer zu erkranken
- Constraints: Einschränkungen wie Stress oder Zeitnot, die Impfungen im Alltag entgegenstehen
- Calculation: eigene Versuche, sich Informationen zu beschaffen, die aber zu Falschinformationen führten
- Collective responsibility: geringe Bereitschaft, sich zum Schutz Dritter impfen zu lassen
Impfgegner argumentieren, dass es Krankheiten und Spätfolgen gebe, die als Nebenwirkungen der Impfung oder ihrer Inhaltsstoffe gesehen werden könnten. Als Spätfolgen von Impfungen wurden unter anderem Allergien, Autoimmunerkrankungen, Asthma, Autismus, Diabetes, Heuschnupfen, HIV, Homosexualität, Krebs, Kriminalität, Morbus Crohn, Multiple Sklerose oder plötzlicher Kindstod angeführt. Diese Aussagen basieren zum Teil auf Fälschungen – wie etwa der Fall Wakefield beim angeblichen Zusammenhang zwischen MMR-Impfstoffen und Autismus – und wurden durch viele Studien entkräftet.
z.B.
- Risiken von Infektionskrankheiten und der Nutzen von Impfungen
- Wayback Machine (archive.org)
- Influence of MMR‐vaccinations and diseases on atopic sensitization and allergic symptoms in Swiss schoolchildren - Roost - 2004 - Pediatric Allergy and Immunology - Wiley Online Library
- Vaccine Safety - ScienceDirect
- https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00112-018-0610-3
Die Widerlegungen werden aber oftmals von Impfgegnern ignoriert.
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