RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Impressionismus

Alon Renner (Potrait von Cindy Heller)
Alon Renner (Potrait von Cindy Heller)

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦

 

Impressionismus. Herzlich willkommen zu meiner neuen Kolumne. Es ist Frühling. Auch wenn er nun eine ganze Weile benötigte, um uns hiervon zu überzeugen. Lasst uns daher über eine Malerei sprechen, die wie keine andere den Frühling verkörpert: den Impressionismus.

 

Eine Revolution, auf die nicht am treffendsten mit Monets Seerosen, sondern mit Banksys vermummtem, Blumenstrauss werfendem Demonstranten eingestimmt wird.

(Bild: Banksy. Flower Thrower https://bit.ly/3xhfF2T) Schauen wir uns dessen Haltung an, so ist diese nicht spielerisch, sie stellt keinen Athleten dar oder einen Jäger, sondern eine Attacke auf ein unbekanntes Ziel. Allein durch den Blumenstrauss jedoch scheint uns der Anblick akzeptabel. Welche Fronten es auch immer zu überwinden gilt, Mauern an Grenzen oder in Köpfen, gekämpft wird friedfertig mit der Kraft der Phantasie und dem eisernen Willen, dieser den Weg zu ebnen. Komme was wolle!

 

Der Geist der impressionistischen Revolution ist daher keiner von geworfenen Steinen oder geköpften Adligen, sondern von wilden und ungestümen Pinselstrichen. Hier wird schnell und mit großer Leidenschaft versucht, einen bestimmten Moment, einen gewissen Lebensstil und einen aussergewöhnlichen Lichteinfall auf die Leinwand zu bannen. Dies ist nicht minder explosiv und war für die Entwicklung der Kunst schlicht und ergreifend bahnbrechend.

(Bild: Monet. Impression soleil levant. https://bit.ly/3sKLxcP)

 

Was den Impressionismus ausmacht, ist nicht nur die Freiluftmalerei, dies natürlich auch, aber: dass er ein Kind seiner Zeit ist. Und den Alltag zum Thema macht. Den Alltag gewöhnlicher Leute in einem zumeist modernen, städtischen Umfeld. 

Darum fühlen wir uns heute – 150 Jahre nach seiner Einführung - immer noch so eng mit ihm verbunden. Denn davor wurden zumeist Könige, Adlige und ihre Kriegsherren dargestellt. Ebenso heilige, das prominente Personal der Kirchen und die geweihte Familie Gottes, wie sie sie hauptsächlich der Vatikan und die Orthodoxen Kirchen sahen. Auch Szenen aus der Bibel und der griechischen und römischen Mythologie waren sehr beliebt.

Mag sein, dass sich Pieter Bruegel im 16ten Jahrhundert mit der Darstellung der bäuerlichen Existenz und die niederländischen Maler des goldenen Zeitalters im 17ten Jahrhundert mit der Genremalerei – den Studien des täglichen Lebens – befassten. Die Impressionisten jedoch malten die Prostituierten und die Arbeiterklasse, die Maler die sie umgaben, deren Familien und die städtische Bohème. Und, was nicht zu unterschätzen ist: den Fortschritt des industriellen Zeitalters: Bahnhöfe, Züge und die Entwicklung des modernen Paris.

(Bild: Renoir. Le déjeuner des canotiers. https://bit.ly/2QNKRG8)

 

Es sind diese wegweisenden Erfindungen und Neuerungen der Industrialisierung, die dem Impressionismus die Bahn ebneten. Schaute die ganze kunstbegeisterte Welt während der Renaissance, des Barocks und des Klassizismus hauptsächlich nach Italien, insbesondere nach Rom, so wird ab Mitte des 19ten und bis weit ins 20te Jahrhundert die Welthauptstadt der Kunst: Paris. 

Und da geschah nun Unerhörtes. Auf Geheiß von Napoleon dem Dritten, einem Neffen von Napoleon Bonaparte, wurde ab 1853 die halbe Stadt niedergerissen, um die uns heute so vertrauten Boulevards, Plätze und Pärke anzulegen. In den siebzehn Jahren, in denen Raul Haussmann, der hierzu ernannte Präfekt, die Stadt umgestaltete, wurden fast Dreiviertel der bestehenden Bauten abgerissen, neu errichtet oder massiv verändert. 20 000 Häuser wurden abgebrochen, 40 000 neu gebaut. Unzählige kleine Strassen und Sackgassen verschwanden, um Platz zu machen für die breiten Sichtachsen, die den Verkehr kanalisieren, die Viertel erschliessen und die Touristen begeistern sollten. Haussmann behandelte Paris wie ein Bildhauer ein Stück Marmor. Unter ihm entstanden Flaniermeilen wie der Boulevard Magenta oder der Boulevard Saint-Germain; und Nervenknoten wie die Place de L’Étoile mit dem zuvor gebauten Arc de Triomphe.

Unter Haussmann wurden 175 Kilometer Strassen erstellt und 600 Kilometer Abwasserkanäle. Eisenbahnschienen wurden verlegt und Bahnhöfe gebaut. Paris wurden nun luftiger, sauberer und auch gesünder.

(Bild: Monet. La gare Saint Lazare arrivée d’un train. https://bit.ly/3xi6Wxi)

 

Zehntausende Gaslaternen machten die Kapitale zur «Stadt des Lichts». Parks wie der Bois de Boulogne und der Bois de Vincennes wurden neu angelegt, Grünanlagen in allen Vierteln geschaffen. Die Wasserversorgung wurde mit zwei Systemen für Trink- und Brauchwasser komplett erneuert. Diese versorgen die Stadt bis heute.

Der Präfekt liess einheitliche gusseiserne Brunnen mit vier Frauenfiguren aufstellen, aus denen der Flaneur heute noch trinkt. Er organisierte den Bau von Rathäusern, Schulen und Bahnhöfen und – als architektonisches Highlight – die Garnier Oper.

(Bild: Pissarro. Boulevard Montmartre, printemps. https://bit.ly/3vhtZGy)

 

1850 beherbergte Paris eine Million Einwohner. 1870 waren es deren schon zwei.

Und in all diesen Umbrüchen, Umwälzungen und sozialen Veränderungen entstand eine Bewegung in der französischen Malerei, die alles bis dahin Bekannte auf den Kopf stellen sollte. Eine Bewegung, die alles was danach kam dermassen beeinflusste, dass man vom Impressionismus als Revolution und als Wegbereiter der Moderne sprechen muss.

 

Dabei verstand sich der Impressionismus aber nicht als Stil, sondern viel mehr als eine Haltung. Eine Haltung gegenüber der offiziellen Kunst seiner Zeit, die er ablehnte, und gegenüber der Beziehung zwischen dem Leben und der Kunst an und für sich. Die Maler*innen dieser Bewegung glaubten nämlich daran, dass es wichtiger sei auszudrücken, was Menschen in ihrem Alltag beschäftigt und umtreibt, als Mythen, Religionen und die Mächtigen eines Landes in ihrer Kunst darzustellen. Diese Verbundenheit mit dem puren Leben lässt sich heute in den Bildern Monets, Degas, Pissarros, Renoirs, Morisots, Caillebottes, Gauguins und Cassats (etc. etc.) immer noch nachfühlen. 

 

Hat Euch die Kolumne bis anhin gefallen? Ich habe sie bewusst kurzgehalten. Denn Malerei ist nicht jedermanns Sache. Aber das ist die Illustration ja auch nicht. Und die hat uns ganze drei Wochen lang begleitet. Mal schauen, wie weit wir da mit dem Impressionismus kommen. Weltmeister im Kolumnenserien aufstellen sind wir bestimmt schon. Ganz liebe Grüsse und bis nächste Woche – Euer Alon


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