RRRrrrr Renners Rasende Randnotiz - Hinter dem Vorhang: Teil II

Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)
Alon Renner (Potrait von Olivia Aloisi)

DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦

 

Herzlich willkommen zu meiner neuen Kolumne. Heute locke ich Euch nochmals hinter den Vorhang und entführe Euch Backstage, wo Ihr einen Einblick in die Entstehung meiner wöchentlichen Kolumne erhält. Kennengelernt habt Ihr ja schon das Lektorat, das von einer dermatologischen Praxis in Bordeaux geführt wird. Das Theater mit seinem weitläufigen Zuschauerraum, das Tonstudio und das Bildhauer Atelier durfte ich Euch in der Kolumne 15 «Hinter dem Vorhang» ebenfalls näherbringen.

 

Das Reich hinter der Bühne, die Welt hinter den Kulissen der Kolumne RRRrrrr, beinhaltet aber noch viel mehr. Heute soll es um die graphischen Werkstätten gehen, in denen allwöchentlich das neue Portrait entsteht. Und da wohnen Olivia Aloisi und Leopold.

 

Ebenerdig, gleich neben dem Bildhauer Atelier gelegen, befinden sich ihre Räumlichkeiten. Ein riesiger barocker Saal. Mit Säulen, Stuckaturen, einem ganz vorzüglichen Parkett und einer Kassettendecke mit Intarsien. Wer jetzt nicht weiss, was er oder sie sich unter einer Kassettendecke mit Intarsien vorzustellen hat, den verweise ich gerne auf Wikipedia, Google Bild oder an die ganz wunderbare Romana Ganzoni. Die kennt sich in sowas aus. Man nehme also die SBB nach Chur und danach die Rhätische Bahn ins Engadin. Auf der langen Fahrt kann man dann gleich auch ihren neuen Roman lesen. «Magdalenas Sünde».

 

Hohe Fenster zieren den Saal und geben einen ganz wunderbaren Blick auf den nahegelegenen Schlosspark frei. Von der Decke hängen kristallene Lüster und im Raum befinden sich nicht nur Schreibtische, Pulte, PCs mit riesigen Bildschirmen, Drucker und Kopiermaschinen, sondern auch ein Kamin mit vorgelagerter Sofagruppe, ein Esstisch für zwölf Personen, eine Bibliothek mit den schönsten Kunstbüchern der Welt, eine offene Küche und zwei Himmelbetten. Eines für Olivia und eines für Leopold. Ihren Stoffleoparden.

Die beiden sind nämlich ganz unzertrennlich. So wie Calvin und Hobbes, die Protagonisten der gleichnamigen Comicserie von Bill Watterson. Ein sechsjähriger blonder Junge mit zackigem Haar und sein Stofftiger Hobbes. Nur, dass Olivia schon dreiundzwanzig ist und Leopold ein Leopard. Aber sonst ist fast alles gleich.

 

Eine besondere Eigenart dieses Comics ist die Doppelrolle von Hobbes. Für Calvin ist Hobbes real und kann sprechen und handeln, während er für andere lediglich ein Stofftier ist. Für Olivia ist Leopold ebenfalls lebendig. Sie kochen, waschen und essen zusammen. Sie entwickeln Illustrationen und graphische Werke. Sie gehen spazieren und verlieren sich im Sonnenuntergang. Diese Doppelrolle von Hobbes macht einen Großteil des Reizes des Bildbandes aus, der immer wieder zwischen der imaginären Parallelwelt Calvins und der Welt der Erwachsenen hin und her wechselt. 

 

Oft wird geäußert, Hobbes sei nur in Calvins Phantasie lebendig. Dieser Sichtweise widersprechen aber die vielen Gags, die der Strip aus dem physischen Zusammenprall der Protagonisten zieht. Bei einer reinen Phantasie wäre dies entweder unmöglich oder die Pointen würden ihren Witz verlieren. In der Realität des Comics ist Hobbes ein lebendiger Tiger, wenn er mit Calvin zusammen ist und nur ein Stofftier, wenn andere mit im Raum sind. Die beiden spielen nicht nur mit- sondern auch gegeneinander, streiten sich und manchmal prügeln sie sich sogar. Olivia und Leopold backen Bagels, bereiten frische Smoothies zu und spielen den ganzen Tag Verstecken.

Einen interessanten Aspekt teilen Calvin und Hobbes mit anderen Comic Helden wie Spiderman, Tank Girl, Asterix & Obelix, etc etc. Calvin bleibt über den gesamten Zeitraum der Serie ein Sechsjähriger, obwohl die Zeit eindeutig fortschreitet (Der Wechsel der Jahreszeiten, die Schulferien und der Neubeginn des Schuljahres). Auch Olivia altert nicht. Sie bleibt immer dreiundzwanzig.

 

Die grosse Beliebtheit von Calvin und Hobbes stammt nicht zuletzt daher, dass wir als Leser die Welt der Erwachsenen aus den Augen eines sechsjährigen Jungen betrachten. Calvins Beobachtungen sind oft sehr weit von der kindlichen Naivität eines normalen Sechsjährigen entfernt und auch sein Wortschatz ist mehrheitlich nicht das eines Kindes, sondern dasjenige eines Erwachsenen. Daraus resultiert letztlich auch der Witz des Comic Streifens. Der große Unterschied zwischen der vom Leser erwarteten Unschuld des kleinen Jungen und seinen zynischen und treffenden Kommentaren, in denen er sich mit sich und seiner Welt auseinandersetzt.

 

Jeden Mittwoch um 13:50 Uhr nehme ich den Lift ins Erdgeschoss. Wobei, reguläre Aufzüge besitzen wir keine. Denn die Mitarbeiter von RRRrrrr werden von Paternoster befördert. Einer Aufzugsanlage, die aus lauter übereinander angebrachten, offenen Einzelkabinen besteht, die sich im ständigen Umlauf befinden. Das Ein- und Aussteigen erfordert, wie bei einer Rolltreppe auch, besonders für Ungeübte eine gewisse Konzentration. Der Vorteil liegt aber darin, dass aufgrund der mangelnden Lifttür eine Fahrt mit dem Paternoster zur Sightseeing Tour durch das Innere von RRRrrrr mutiert. Steige ich also um 13:50 Uhr in eine Kabine, wird mein Körper in die Tiefe gezogen, während das fünfte Stockwerk mit den Büros der Redaktion nach oben entschwindet. Vorbei geht die Fahrt dann an der Regie mit ihren zahlreichen Büros für die Regisseure, Dramaturgen, Kameramänner und Fotografen (im vierten Stock), am Archiv und dem obersten Rang des Theaters (im dritten Stock), dem Tonstudio und dem mittleren Balkons (im zweiten Stock), den zahlreichen Garderoben und der grossen Galerie des Zuschauerraums (im ersten Stock) und dem Foyer, dem Parkett und den Werkstätten im Erdgeschoss.

 

Bei schönem Wetter treffen wir uns meistens im Aussengehege. Dies ist Leopolds Reich. Da tobt er sich aus. Mittwochs um 14:00 Uhr ist er aber jeweils ganz zahm. Denn dann gibt es Berliner. Berliner aus der Bäckerei im Oberdorf. Meist serviert sie Magdalena, die süsse Backwarenverkäuferin, gleich selbst. Bevor sie drei Kartons voller Schätze aus ihrer Confiserie durch die Korridore von RRRrrrr trägt und mir das Personal verdirbt. Die Mannschaft ist sowieso verliebt. Aber auch die Damen sind hin-und weg. Es ist ihre Art und Weise, wie sie mit schwenkenden Hüften das Haus betritt, als wäre es ihres und die betriebsamen Wesen meines Baus ihre Kinder, die es zu füttern gilt. Eines nach dem anderen. Und jedes nach seiner Manier. Auch die Perversen. Aber mehr hierzu bei Eurem Buchhändler des Vertrauens. (Magdalenas Sünde / Telegramme Verlag)

 

Leopold tut so, als würde er Magdalenas wackelnden Po nicht bemerken und starrt in den Stadtpark. Und Olivia tut so, als würde sie Leopolds Starren nicht bemerken und wendet sich mit einem Lächeln zu mir.

Mittwochs weihe ich die beiden jeweils ein. Dann wird das Thema der aktuellen und oft auch schon der nächsten Woche besprochen.

 

Wenn Olivia, Leopold und ich die Köpfe zusammenstecken, dann knistert es. Dann stieben die Funken, dann steppt der Bär. Nur mein Gesicht das wirkt dann jeweils etwas angespannt. Bekanntermassen geht nämlich alles was wir da aushecken: zu dessen Lasten. Denn Olivia und Leopold haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, es jede Woche von Neuem zu erfinden. In den Graphischen Werkstätten von RRRrrrr stellen die beiden die schönsten und besten Illustrationen der ganzen Welt her. Und dazu gehört auch das wöchentliche Porträt der Kolumne.

 

Das Spannende an der Zusammenarbeit ist, dass ich natürlich keinerlei Einfluss auf den Gestaltungsprozess habe und genauso wie die Leser jeweils vom Resultat überrascht werde. Jede Woche aufs Neue ist dieser Prozess wie Kindergeburtstag und Weihnachten zusammen. Oder zumindest ein Sixpack Kinder Überraschungseier.

 

Olivia und Leopold sind aber auch: «The Sky over Corona». Eine der grössten und himmlischsten Facebookgruppen der Schweiz. Mit über 20 000 Mitgliedern und zahlreichen Followern aus aller Welt. Seit dem Lockdown im März 2020 werden da laufend Bilder vom Himmel über den Städten, Dörfern, Wiesen, Wäldern und Seen aus allen Ecken des Globus veröffentlicht. Diese zu bestaunen und teil zu haben an den zahlreichen Sonnenauf- und untergängen, an ganz blauen oder wolkenverhangenen Aussichten in aller Herren Länder, kommt in einer Zeit, da keine grossen Sprünge möglich sind, jeweils einer kleinen Reise gleich. Einer Reise, zusammengestellt von Schicksalsgenossen, die sich alle unter dem gleichen Himmel befinden.

 

Befragt man Olivia nach der schönsten Nebenwirkung ihrer Facebookgruppe, so meint diese: «Viele Leute schauen nun bewusster nach oben und nehmen das Schöne vor der eigenen Haustüre wahr».

Der Schuss ins Blaue gelingt Ihr immer wieder. Und wer nun mehr über Olivia Aloisi, Leopold und die schönen Dinge des Lebens erfahren möchte, folge diesen Pfaden:

 

https://www.facebook.com/groups/theskyovercorona

https://www.facebook.com/olivia.aloisi.9

https://www.instagram.com/olivia_aloisi_illustra/

 

 

Kontakt mit ihr kann man über Email aufnehmen: info@illustra.ch


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