DMZ – KOLUMNE ¦ Alon Renner ¦
Die Bilder in Deinem Kopf! Herzlich willkommen zum dritten und letzten Teil der Kolumnen Reihe über die Illustration, in der nun sogar gesungen wird. Freut Euch auf eine Playlist mit den 35 schönsten Songs aller Zeiten über Bilder, Künstler und Malerei.
Ihr kennt es vom Kino. Da habt Ihr ein sagenhaftes Buch gelesen und freut Euch unbändig auf dessen Verfilmung. Doch kaum sitzt Ihr bequem im Sessel, da fliesst ein Streifen an Euch vorbei, der so gar nicht mit dem übereinstimmt, was ihr Euch ausgemalt habt. Euer eigenes, inneres Bild, Eure eigene innere Geschichte will so gar nicht zu dem passen, was der Regisseur und die Kameramänner da auf die Leinwand gebannt haben.
Bilder und Vorstellungen von einer bestimmten Sache, die wir im Kopf haben und die für uns diesen Sachverhalt im wahrsten Sinne des Wortes abbilden, nennt man in der Psychologie und der Gehirnforschung: Repräsentanzen. Dies sind abgespeicherte Stellvertreter und Verhaltensmuster, damit wir uns im Leben zurechtfinden. So gibt es für jeden uns bekannten Gegenstand und für jede uns bekannte Handlung einen oder mehrere Repräsentanten in unserem Gehirn. Vom Stuhl, über den Tisch, die Küche, das Haus fürs Kochen, fürs Schreiben, fürs Küssen... Ihr habt es verstanden. Diese Repräsentanzen werden laufend ergänzt. So, dass jeder von uns sein eigenes Film- und Fotomuseum mit sich herumschleppt. Aber nicht nur wir selbst, sondern auch wir als Gesellschaft kennen gar manche Bilder und Ereignisse, die wir sowohl zeitlich als auch gegenständlich und geographisch ziemlich präzise einordnen können: Mickey Mouse, die Mona Lisa, Marilyn Monroe, Spiderman, Greta Thunberg, der Mauerfall, Bernie Sanders Handschuhe... Man nennt dies auch: das kollektive Gedächtnis.
Im Alltag der Nachrichtenagenturen, Verlage und Redaktionen spielt dieses Wissen um das kollektive Gedächtnis eine grosse Rolle. Hier wird entschieden, wie ein Text optimal bebildert wird und ob dies nach einer illustrativen oder fotografischen Lösung verlangt. Dies ist nicht ganz einfach. Denn jeder Mensch trägt eine ganz eigene Bildwelt mit sich herum. Geprägt von ganz individuellen Vorlieben und Büchern, Zeitungen, Illustrierten, Magazinen, Cartoons, Comics und Manga Bänden, LP und CD Covern, Kunstbüchern und Museen die man gelesen und besucht hat. Aber eigentlich ist es ja noch viel mehr: Jedes Plakat, jeder Flyer, jedes Schild und jedes bedruckte T-shirt hinterlassen einen visuellen Eindruck. Jede Fernsehsendung und jeder Film, die/den man je gesehen hat hinterlassen optische Abdrücke. Es ist sogar so, dass absolut jedes Produkt, das wir in den Händen halten designt wurde. Eine Heerschar von Graphikern, Designern und Marketingspezialisten hat für die visuelle Entwicklung jedes einzelnen Erzeugnisses hunderte, wenn nicht gar tausende Stunden investiert. Ein Besuch im lokalen Supermarkt ist deshalb nicht anders wie der Besuch in einem Zeitgenössischen Design Museum. Hunderte Artikel in tollen Verpackungen und leuchtenden Labels blinken uns da entgegen. Unsere Welt ist – ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – von oben bis unten durchgestylt! Fast jeder Blick geht mit einer Entschlüsselung des Gesehenen einher...
Ein Sujet zu finden, das möglichst vielen Lesern eine befriedigende Verknüpfung ihrer individuellen Vorstellungen mit der Botschaft des Textes ermöglicht, ist da keine einfache Kunst. Im Zweifel entscheiden allerdings oft ganz profane Faktoren: der Preis und die Geschwindigkeit. Preislich sind die Unterschiede meistens nicht sehr groß. Beim Tempo hingegen sieht es da ganz anders aus. Wenn es um die Einhaltung knapper Zeitpläne geht, wird die Dringlichkeit immer siegen. Muss der Artikel in ein paar Stunden veröffentlicht werden, liegt der Griff dann auch auf die «seelenlosen» Foto- und Illustrationsdatenbanken nahe. Dies zum Horror aller freien Illustratoren. Und zu Lasten der Text-Bild-Beziehung. Will heissen, eines optimalen Resultates.
Wird ein Auftrag jedoch vergeben, können die Illustratoren die Aufgabe genauso schnell umsetzen wie ein Fotograf. Der Kunde muss sich jedoch bewusst sein, dass er hier die kreative Kontrolle jeweils ein stückweit ausser Hand gibt. Im Falle von RRRrrrr ist dies so, dass ich wie Ihr jede Woche aufs Neue überrascht werde, was denn Olivia Aloisi nun schon wieder mit meinem armen Gesicht anstellt. Selbstverständlich teile ich ihr im Vorfeld mit, was das Thema der Kolumne sein wird. Auch schlage ich ihr die eine oder andere Umsetzung vor. Was dann aber wirklich gemacht wird, liegt einzig und alleine bei ihr.
Der grosse Vorteil einer Illustration, im Vergleich zur dokumentarischen Fotografie, liegt darin, dass sie eine zusätzliche Informationsebene vermittelt. Denn durch die Stimmung, die sie hervorruft, hat sie die Fähigkeit, die Wahrnehmung und Wirkung gezielt zu beeinflussen. Eine Illustration hat immer eine stärkere emotionale Dimension als die reine Fotografie, welche meist als sachlicher und damit distanzierter empfunden wird. Diese »Menschlichkeit« der Illustration scheint heute wieder sehr gefragt. In Zeiten von Neoliberalismus und kaltem Konsumdenken ist es schon fast ein wenig ironisch, dass so viele große Konzerne ihre Produkte durch Illustrationen in ein warmes Licht zu rücken versuchen. Man denke da nur an Starbucks, Twitter, Snapchat, Pringles, die Red Bull Werbespots, Google mit seinen Animationsvideos zu besonderen Jahrestagen, etc. etc. Weil Illustrationen als ehrlich und authentisch gelten, können sie eine Marke emotional aufladen. Dies geschieht indirekt, auf einer unbewussten, sinnlich-abstrakten Ebene, welche von Fotos nicht so leicht erreicht wird.
Im kommerziellen Bereich ist die Aufmerksamkeit für das Produkt, nebst der erwähnten «emotionalen Dimension», natürlich einer der wichtigsten Gründe für die Verwendung von Illustrationen. Im Überfluss der Angebote sticht die individuelle Note einer Illustration hervor. Fotos findet man überall und dauernd – Illustrationen eher nicht. Außerdem hat jeder Illustrator seine eigene »Handschrift«, jede Illustration ist somit ein Unikat. Das gilt für Fotografien um einiges weniger, oder wird viel geringer wahrgenommen. Deshalb eignet sich die Verwendung der Illustration ideal als Alleinstellungsmerkmal und zur Definition einer Firmenidentität (Corporate Identity).
Ein weiterer Vorteil der Illustration liegt oft auch in der Abstraktion: eine Zeichnung kann verallgemeinern, z. B. einen Typ Mensch oder gar nur das Konzept »Mensch« darstellen. Der Betrachter erkennt sich leichter in einem Strichmännchen wieder, als in einem Foto, das eine bestimmte Person (also nicht ihn) zeigt. Hierin liegt laut dem US Amerikanischen Cartoon Künstler Scott McCloud übrigens der Schlüssel zum Erfolg der Comics.
Schließlich existieren viele Gebiete in der Wissenschaft und Technik, deren Themen sich gar nicht fotografisch erfassen lassen, sei es weil sie zu klein, zu groß oder gar unsichtbar sind. Könnten wir die Funktionsweise einer Zelle oder den Aufbau eines Atomkerns ohne erklärende Zeichnung begreifen?
Abschliessend gibt es noch drei Punkte die ich besonders hervorheben möchte: Eine Illustration kann man mit wenigen Strichen immer wieder neu und (etwas) anders aussehen lassen. Dies zur Unterhaltung des eigenen Publikums. Sie kann von Worten begleitet werden – muss aber nicht. Verzichtet man gezielt auf textliche Zusätze und bedient sich international etablierter Muster und Zeichen (viele davon geprägt durch die Welt der Comics), wird eine Illustration in den meisten Fällen universal verstanden. So lassen sich Sprachbarrieren geschickt umgehen. Überdies lassen sich Zeichnungen im überschaubaren finanziellen Rahmen animieren, wohingegen ein Film mit Darstellern, Sets, Kamerateam etc. wesentlich höhere Kosten verursacht. Gleichzeitig führt eine animierte Illustration die gleichartige Gestaltung (das Corporate Design) nahtlos fort.
Bevor es hier mit der Party weitergeht, möchte ich Euch noch einige Illustratoren ans Herz legen. Zuallererst die ganz wunderbare Olivia Aloisi, ohne die RRRrrrr höchstens ein Glückskeks ohne Biscuit wäre: illustra.ch/index.html, dann die tolle Fatima Vidal: www.instagram.com/_fatimavidal_/?hl=de und zuletzt die unvergleichliche und nicht minder grandiose www.brigitta-garcia-lopez.com.
Quellenangaben: mache ich in der Regel ja eigentlich nie. Denn zu vielfältig sind in der Regel all die Quellen, die ich jeweils für die Kolumne nutze. Bei der Illustration konnte ich aber sehr von Klemens Mayas Diplomarbeit profitieren, die er 2006 für die FH Augsburg anfertigte.
So und nun erhebt Euch bitte. Zieht Eure besten Kleider an, geht die Treppe hinunter und öffnet die Tür. Von da geht es auf die Strasse hinaus. Nehmt Euren Wagen oder doch viel eher die Strassenbahn. Wir fahren an den Paradeplatz, zum Münsterhof um genau zu sein. Dort betreten wir den Ballsaal des Zunfthauses zur Meisen.
Dies ist das Finale und das wollen wir gebührend feiern: Mit Gin, Champagner und Gebäck!
Ladys and Gentleman:
Here we go! All Killers - No Fillers!
RRRrrrr proudly presents:
Die Ultimative Art Playlist!
Die 35 schönsten Songs aller Zeiten über Bilder, Künstler und Malerei.
Johann Strauss II, Walzer: Illustrationen
https://www.youtube.com/watch?v=hM_WC0ZlTms
Respighi: Three Botticelli pictures for Orchestra
https://www.youtube.com/watch?v=nRxORN5yAuw
Nat King Cole: Mona Lisa
https://www.youtube.com/watch?v=UmJVv1AG5go
Miles Davis: Venus de Milo
https://www.youtube.com/watch?v=1X6h2TxA18c
Don McLean: Vincent
https://www.youtube.com/watch?v=oxHnRfhDmrk
Juke Ross: Colour Me
https://www.youtube.com/watch?v=je559p7W92E
The Rolling Stones: Paint it Black
https://www.youtube.com/watch?v=O4irXQhgMqg
The Stranglers: Golden Brown
https://www.youtube.com/watch?v=z-GUjA67mdc
Black Lips: Modern Art
https://www.youtube.com/watch?v=5GDyfn1MUgE
Coldplay: Yellow
https://www.youtube.com/watch?v=yKNxeF4KMsY
Peter Bjorn and John: Blue Period Picasso
https://www.youtube.com/watch?v=62_8urLKdQ8
Greenday: Boulevard Of Broken Dreams
https://www.youtube.com/watch?v=Soa3gO7tL-c
The Paper Kites - Paint
Nat King Cole: Orange Colored Sky
https://www.youtube.com/watch?v=ad6EL-qTGl8
Dr Rubberfunk, Ben Castle: Canvas Cathedral
https://www.youtube.com/watch?v=6M4yndt3ggA
Ozyyymagiccc: Orange
https://www.youtube.com/watch?v=4_YtcVPJC98
Kölsch: Grey
https://www.youtube.com/watch?v=mVM8D0BQLyY
Kiiara: Gold
https://www.youtube.com/watch?v=sO9cBXRcBvo
The Paper Kites: Paint
https://www.youtube.com/watch?v=D7pB1IcnK3Q
Quantic: Painting Silhouettes
https://www.youtube.com/watch?v=DO2GA7oB3MU
Ill Biskits: Illustrations
https://www.youtube.com/watch?v=iGDdLBoSFWE
Paul Mccartney and Wings: Picasso’s Last Words
https://www.youtube.com/watch?v=9NobdV5Kxw8
Cory Wong feat Kimbra: Design
https://www.youtube.com/watch?v=n5Q0fDlHSZQ
Coldplay: Viva La Vida
https://www.youtube.com/watch?v=dvgZkm1xWPE
Lady Gaga: Applause
https://www.youtube.com/watch?v=pco91kroVgQ
The Lonely Island: Mona Lisa
https://www.youtube.com/watch?v=MoPDDgyHu6w
Michael Wyckoff: The Museum
https://www.youtube.com/watch?v=I0QyWlqfrtA
Madonna: Masterpiece
https://www.youtube.com/watch?v=nxDWBmlAT8A
Kid Cudi: By Design
https://www.youtube.com/watch?v=vrSmvjGV-ls
Tiesto, Stevie Appleton: Blue
https://www.youtube.com/watch?v=FIw508aafBA
GoldFish, Cat Dealers: Colours & Lights
https://www.youtube.com/watch?v=_VmZg2Fk3jg
Amaris – Blurred
https://www.youtube.com/watch?v=-sMpkeNv7p0
Lana Del Rey: Big Eyes
https://www.youtube.com/watch?v=Col9Av1ydS4
Mychael Danna, Rob Simonsen: ArtGallery
https://www.youtube.com/watch?v=ispxbMZFcuE
Lightcore: Canvas
https://www.youtube.com/watch?v=aYa-vHYVhDk
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