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Der Chef von Schweiz Tourismus verbreitet Unsinn

DMZ –  GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Anton Aeberhard ¦ Walter Fürst ¦

KOMMENTAR

 

Der Chef von Schweiz Tourismus, Martin Nydegger, zeigt sich zufrieden mit dem helvetischen Sonderweg im Winter, verbreitet unsinnige Informationen und verleugnet gar Corona-Hotspots und die Tatsache, dass der Ruf der Schweiz im Ausland massiv gelitten hat. Denn die offenen Skigebiete in der Schweiz sorgten für grössere Ausbrüche des Coronavirus, Quarantäne von ganzen Hotels, bis zu 10'000 Menschen waren betroffen, alleine 5000 davon in Belgien. Eine Belgierin hat sich in ihren Skiferien in der Schweiz mit der britischen Corona-Mutation angesteckt. 

Total 5000 Belgierinnen und Belgier mussten in Quarantäne. Befürchtungen, die Schweiz könnte wegen der Kritik des Auslandes einen Rufschaden erleiden, haben sich leider bewahrheitet. Dieser Imageschaden wird kaum in den nächsten Jahren wieder wett gemacht sein. Das braucht Zeit.

 

So konnte man Stimmen aus dem Ausland vernehmen, die absolut kein Verständnis für das Vorgehen der Schweizer hatten: "Die Entscheidung der Schweiz, die Skigebiete offen zu halten, ist enttäuschend." (Gesundheitsrat-Präsident Franco Locatelli, Italien). "Verzichten Sie auf Skiurlaub in der Schweiz!", warnte auch das deutsche Bundesland Bayern. Rückkehrer aus der Schweiz müssen auch dort für zehn Tage in die Quarantäne. Längst ist bewiesen, dass Skigebiete Hot Spots sind. Die Liste der Fehler und Fehleinschätzungen ist lang. Hier nur einige Beispiele: Bars blieben trotz zahlreicher Infektionen geöffnet. Die Schliessung der Skigebiete erfolgte zu spät. Die Abreise infizierter Personen erfolgte chaotisch. Konzepte sind entweder nicht vorhanden oder werden nicht durchgesetzt, was Bilder der letzten Tag unumstösslich beweisen.

 

"Skifahren um jeden Preis: Die Schweizer treibt es auf die Piste, in den Gletscher-Skigebieten laufen die Lifte schon. Trotz Corona-Pandemie fühlen sich die Eidgenossen sicher. Auch in Verbier im Kanton Wallis, vor kurzem noch der Schweizer Corona Hot-Spot. Der Wintersport scheint hier über allem zu stehen."

Schweiz will Skisaison trotz Corona-Pandemie durchziehen - SWR Aktuell

 

Wegen der Corona-Pandemie waren bisher auch die Pistenrestaurants geschlossen - eigentlich. Aber trotz Anweisung wurden vielerorts die Terrassen für ihre Gäste geöffnet. Der Bundesrat erachtet dies als illegal. In einem anderen Land wäre soviel Ungehorsam undenkbar. Die Schweizer Regierung lässt sich seit Beginn der Pandemie gewaltig auf der Nase 'rumtanzen. Vorschriften scheinen auch nur zum Missachten zu sein, wobei vor allem auch die Kantone hier gehörig mitmischen.

 

Bundesrat ein Dorn im Auge

Dass Skipisten weiter offen bleiben, ist vielen ein Dorn im Auge. Auch dem Bundesrat, obschon er die Öffnungen nicht verhindert hat mit dem Kommentar, dass dies in der Kompetenz der Kantone liege. Aber die Kantone haben bisher bewiesen, dass sie die Situation alles andere als im Griff haben. Weiterhin wird geleugnet, dass der Massenauflauf in den Touristenorten ein Problem darstellt und auch, dass Schulen als Treiber der Pandemie eine der Hauptrollen spielen. Aufatmen können die Wintersportorte allerdings nicht. Bundesrätin Viola Amherd sagt jetzt in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende», dass Schliessungen nötig werden könnten. Endlich! Bei den Bildern dieser Woche muss man einmal mehr die Eigenverantwortung der Leute in Frage stellen. Letztlich sind genau diese Egoisten und Ignoranten verantwortlich zu machen für die vielen Schliessungen von Geschäften und Restaurants. Die Betroffenen Gastronomen und Unternehmer äussern sich dann auch erstaunt über diese Entwicklung.

 

Betroffene sind erstaunt und wütend

Michael Grossenbacher, Agent und Veranstalter, äussert sich auf Facebook dazu: "Mein Dank geht an all die Leute, welche sich in solche Situationen begeben und zusammen mit unzähligen Menschen bei den Skiliften anstehen. Dank euch müssen ab Montag viele Geschäfte nicht mehr öffnen. Dank euch lernen Zehntausende in Kurzarbeit endlich, auch mit etwas weniger Geld durchs Leben zu kommen. Dank euch können Inhaberinnen und Inhaber von Kinos, Theatern, Konzertlokalen, Fitnesscentern, Konzert- und Eventagenturen sowie Technik- und Cateringfirmen es etwas ruhiger angehen. Dank euch haben Gastro-Betriebe nun die Möglichkeit, in aller Ruhe ihre Speisekarten zu erneuern und mal richtig auszuspannen. Dank euch lernt das Gesundheitspersonal, auch mal härter zu arbeiten. Dank euch bleiben unseren Senioren Besuche der nervigen Familie erspart Dank euch müssen demnächst wohl viele Schülerinnen und Schüler nicht mehr zur Schule! Ja, ihr müsst euch nicht einmal darüber Gedanken machen, ob die Betreiber der Skigebiete heute etwas viel Stress haben, weil die Skigebiete wohl ohnehin nicht mehr lange geöffnet haben.

Zum Glück gibt es euch, die sich selbstlos in Menschenansammlungen stürzen! Merci viu Mau!" 

 

Fehlende oder mangelhafte Schutzkonzepte

Die meisten gesichteten "Schutzkonzepte" sind unzureichend, Abstände werden nicht eingehalten, Masken werden nicht von allen getragen, Gondeln sind übervoll, die Anströme der Touristen kaum zu bewältigen. Im Bündnerland sind sogar Restaurants und Terrassen an den Pisten geöffnet. Die stete Ausrede der Betreiber, dass sie über Schutzkonzepte verfügen, stimmt nur teilweise. Denn ein Schutzkonzept stellt erst eines dar, wenn es dann auch eingehalten oder durchgesetzt wird. Die Verantwortlichen sind längst gefunden und werden hoffentlich zur Rechenschaft gezogen. 

 

Skitourismus hat fast nur Schattenseiten

Viele Skifahrer lieben diesen Sport besonders, weil sie sich an der frischen Luft bewegen können und dabei der Natur ganz nah sind. Dies wird aktuell auch oft als Gegenargument gebraucht, wenn sie von Menschen als unverantwortlich bezeichnet werden, gerade während der Corona Pandemie. Das Skifahren hat sich in den letzten Jahren ohnehin zu einem derart beliebten Sport entwickelt, dass Skigebiete immer mehr auf Vergrösserung, Zusammenschlüsse und Modernisierungen setzen. Wenn der Naturschnee ausbleibt, wird eben mit Wasserspeichern und Schneekanonen nachgeholfen. Dies alles geht oftmals zu Lasten der örtlichen Natur und der Umwelt.

Um Skipisten überhaupt zur Verfügung stellen zu können, muss natürlich erst einmal Platz geschaffen werden. Dafür finden Abholzungen und Rodungen von Waldstücken statt, ausserdem wird der Boden planiert, um ihn ebenerdig genug für kommende Skifahrer zu machen. Dadurch wird der Untergrund allerdings so hart, dass er kein Wasser mehr aufnehmen kann. Die Folgen sind Überflutungen, Erosion sowie Schlamm- und Gerölllawinen. Die Rodung der Bäume erhöht im Winter auch zusätzlich die Lawinengefahr.

 

Wenn der natürliche Schnee ausbleibt, müssen gerade tieferliegende Skigebiete einen Notfallplan zur Hand haben, damit die Skifahrer nicht enttäuscht werden. Dafür werden zahlreiche Schneekanonen eingesetzt, wodurch sich nach Meinung des WWF der Klimawandel nur noch verschlimmern könnte, denn für die künstliche Beschneiung werden reichlich Wasser und Energie benötigt. Pro Hektar Kunstschnee wird jährlich etwa eine Million Liter Wasser verbraucht, was etwa dem Bedarf einer Grossstadt wie Hamburg entspricht. Messungen zufolge führen einige Flüsse in den Alpen bereits 70 Prozent weniger Wasser als vor der Einführung von Schneekanonen.

 

Eingriff in die Natur - fehlende Verantwortung

Die ernüchternde Nachricht für alle Skifans: Wirklich umweltfreundlich ist der Pistenspass tatsächlich nicht. So werden für Skigebiete teilweise ganze Ökosysteme umgebaut. Zwar verlaufen manche Pisten auch über Almen und natürliche Rasenflächen. Trotzdem müssen für ihre Anlegung oftmals Wälder gerodet, Böden planiert und mitunter sogar Felsen gesprengt oder Flüsse umgeleitet werden.

 

Gerade durch das Freeriden abseits der präparierten Skipisten dringen Skifahrer in den natürlichen Lebensraum von Wildtieren ein, wie Gämsen, Steinböcken, Rehen, Rotwild, Schneehasen und vielen Vogelarten. Da die Tiere, auch wenn sie keinen Winterschlaf machen, trotzdem in einen Ruhemodus mit verlangsamtem Stoffwechsel fallen, droht im schlimmsten Fall der Erschöpfungstod, wenn sie von den Skifahrern aufgeschreckt werden und flüchten. Auch der Einsatz von Schneekanone, deren Lärm mit einer starkbefahrenen Strasse zu vergleichen ist, schadet den Wildtieren.

Auch wenn Hotels, Liftanlagen und Schneekanonen viel Energie verbrauchen, ist das Hauptproblem bei den Negativeffekten auf die Umwelt die Anreise mit dem eigenen PKW. Jährlich erreichen etwa 45 bis 50 Millionen Skitouristen die Alpen und nur wenige Prozent davon reisen mit der Bahn an. Dadurch ergibt sich, dass rund 85 Prozent des CO²-Ausstosses im Wintertourismus auf die eigene Anreise zurückzuführen sind. 

 

Saison 2020/2021 mit Covid19 noch fragwürdiger

Die Hoffnung der Umweltverbände, der Politik und der Mehrheit der Bevölkerung war die Hoffnung gross, dass sich in der aktuellen Situation automatisch und logischerweise Vernunft einstellen wird und der Skitourismus zum Erliegen kommt, um der Pandemie nicht noch zusätzlich zur internationalen Weiterverbreitung zu verhelfen. Leider auch hier - Fehlanzeige! 


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