DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Daniel Birkhofer ¦
"Kontaktverbot, Grenzschließung, Ausgangssperre, Einsatz des Militärs im Inland, Bewegungsdatenüberwachung, Zwangsisolierung, Notstandsgesetze – die Eindämmung eines Virus, gegen das es bislang weder Medikamente noch Impfstoffe gibt, kann solche Maßnahmen rechtfertigen. Die Einschränkung von Grundrechten zum Schutze aller ist ein auch in modernen Demokratien vorgesehenes Mittel der Krisen- und Katastrophenbewältigung. Die meisten Ärzte und Virologen raten derzeit zum Einsatz dieser Mittel, um Leben zu retten und die Verbreitung des Virus soweit zu verlangsamen, dass die Gesundheitssysteme nicht überfordert werden. Bei aller Unschärfe der Probabilistik ist das logisch und vernünftig. Drastische Maßnahmen sind notwendig – jetzt, in der Krise.
Warum also ein Unbehagen verspüren? Warum diese Ausnahmemaßnahmen dennoch als unheimlich empfinden? Weil sie bei uns bisher nicht zum Einsatz kamen? Oder weil ihr Einsatz zeigt, wie groß die abzuwehrende Gefahr wirklich ist? Beides spielt wohl eine Rolle. Beides ist aber auch Teil der inneren Logik von Krisen: Die Exzeptionalität der Gegenmaßnahmen bezeugt, dass die Herausforderung ‚historisch‘ ist – die größte „seit dem 2. Weltkrieg,“ wie vielfach betont wird. Doch es gibt noch ein anderes Unbehagen, das nicht unmittelbar in der Krisen-Logik aufgeht. Es stellt sich ein, wenn man sich an die Zeit vor der Krise erinnert, wenn man ihre Gegenwärtigkeit beobachtet und wenn man an die Folgen nach ihrem Ende denkt."
… "Sind wir schon oder noch fähig, über die Krise hinauszudenken? Oder wird das alles „the new normal?"
"Entsprechend wird die Krise jetzt schon und wieder als Zäsur gedacht, die die Welt verändern wird – weniger durch das Virus als durch die Formen seiner Bekämpfung."
Vereinfachte Verwaltung, vereinfachte Geldflüsse, bessere Versorgung und vor allem bessere Vorsorge – so die positiven Aussichten. Doch aus der Krise zu lernen lässt sich sehr schnell damit verwechseln, den Krisenmodus auf Dauer zu stellen.
Und das wirft dann doch unzeitgemäße, aber berechtigte Fragen auf:
Wollen wir diese Krisenzukunft?
Wollen wir kontaktlose Bildung, reinen Versandhandel und die Möglichkeit, das öffentliche Leben in noch kürzerer Zeit als jetzt einzustellen, wenn es nötig ist?
Und vor allem entscheidend: Werden wir die Notmaßnahmen wirklich zurückfahren, wenn die Krise vorbei ist?"
Gedanken sind da, um gedacht zu werden... "Denken ist erlaubt, vielen bleibt es erspart." (Sartre)
Quelle: geschichtendergegenwart
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