
DMZ - BLICKWINKEL ¦ Matthias Walter
Free Gaza from Hamas. Dann gibt es keine unnötigen Tote mehr. Dann können die vernünftigen Araber, die es zweifelsfrei gibt und die auch ein gutes Leben verdient haben, mit den Israelis zusammenarbeiten, im Rahmen dessen, was machbar ist. Man muss eben überall versuchen, die Extreme rauszustreichen. Die einfachen Leute, die nicht ideologisch verblendet sind und nicht in irrationalem Hass leben, können durchaus koexistieren und zusammenarbeiten. Aber das Böse herrscht an zu vielen Stellen, viele Menschen lassen sich sehr leicht manipulieren, und sind auch gelähmt vor Angst und ohnmächtig gegen faschistische Strukturen – leider.
Der aufkeimende Widerstand gegen die Hamas
In den letzten Wochen hat sich im Gazastreifen ein bemerkenswerter Wandel abgezeichnet: Teile der palästinensischen Bevölkerung, die unter der autoritären Herrschaft der Hamas leben, erheben zunehmend ihre Stimmen gegen die Terrororganisation. Berichte, wie etwa von ZDFheute vom 31. März 2025, dokumentieren, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Palästinenser trotz der bekannten Repressionsgefahr offen gegen die Hamas demonstrieren. Slogans wie „Hamas raus“ hallen durch die Straßen – ein Zeichen tiefer Verzweiflung und wachsender Wut. Diese Proteste, die laut Nahost-Experten wie Sascha Bruchmann die größten seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 darstellen, richten sich nicht nur gegen die wirtschaftliche Misere und Korruption, sondern auch gegen die Verantwortung der Hamas für den anhaltenden Krieg mit Israel und das damit verbundene Leid der Zivilbevölkerung.
Ein prominentes Beispiel ist der Fall von Odai Nasser Saadi Al-Rubai, einem 22-jährigen Palästinenser, der seine Verzweiflung in einem Video öffentlich machte, das sich viral verbreitete. Darin flehte er die Welt um Hilfe an, bevor er, wie seine Familie und Augenzeugen berichten, von Hamas-Kämpfern entführt, gefoltert und schließlich getötet wurde. Seine Leiche, gezeichnet von schwersten Misshandlungen, wurde vor dem Haus seiner Familie abgelegt – eine klare Botschaft der Hamas an potenzielle Kritiker. Dieser Vorfall reiht sich in eine lange Liste von Repressionen ein, die bereits 2019 bei der „Wir wollen leben“-Bewegung sichtbar wurden, als bis zu 3.000 Demonstranten an einem einzigen Tag festgenommen und misshandelt wurden.
Die Strategie der Hamas: Terror als Kontrollinstrument
Die brutale Reaktion der Hamas auf diesen Widerstand entspricht ihrer langjährigen Strategie, jegliche Abweichung von ihrer Ideologie mit Gewalt zu unterdrücken. Wie Amnesty International in mehreren Jahresberichten (z. B. 2021/22, 2022/23) festhält, ist Kritik an der Hamas im Gazastreifen de facto verboten. Sicherheitskräfte der Organisation verwandeln „Polizeistationen“ in Folterzentren, in denen Oppositionelle willkürlich inhaftiert, misshandelt und oft getötet werden. Die Hamas schreckt dabei nicht vor extremen Maßnahmen zurück: Folter, Vergewaltigung, öffentliche Hinrichtungen und sogar das Werfen von Menschen aus Gebäuden sind dokumentierte Methoden, um Angst zu verbreiten und Kontrolle zu sichern.
Besonders erschreckend ist, dass die Hamas auch vor Kindern nicht haltmacht. Berichte wie der von Human Rights Watch vom 16. Juli 2024 über den Angriff am 7. Oktober 2023 zeigen, dass die Organisation gezielt Zivilisten – einschließlich Kinder – als Mittel ihrer Kriegsführung einsetzt, sei es als menschliche Schutzschilde oder als Opfer ihrer Propaganda. Innerhalb des Gazastreifens wurden Kinder ebenfalls Opfer ihrer Repression: Laut Amnesty (2020) wurden Minderjährige inhaftiert und gefoltert, wenn sie verdächtigt wurden, gegen die Hamas zu agieren. Diese Grausamkeit dient nicht nur der Abschreckung, sondern unterstreicht auch die ideologische Radikalität der Hamas, die in ihrer Gründungscharta von 1988 die Auslöschung Israels und die Errichtung eines islamischen Staates als oberstes Ziel definiert.
Konkrete Fälle und deren Auswirkungen
Neben Odai gibt es weitere dokumentierte Fälle, die die Skrupellosigkeit der Hamas verdeutlichen. Hamza H., ein Veteran der „Wir wollen leben“-Bewegung, berichtete ZDFheute von wiederholten Inhaftierungen und Misshandlungen durch die Hamas. Nur durch Bestechung seiner Familie entkam er dem Tod. Ebenso starb Nasser Abu Obeid im Oktober 2022 in einem Hamas-Gefängnis unter Foltervorwürfen, ohne dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden (Amnesty 2022/23). Diese Vorfälle sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines systematischen Musters, das die Hamas anwendet, um ihre Macht zu festigen.
Die Auswirkungen auf die palästinensische Gesellschaft sind verheerend. Die Angst vor Repressionen erstickt viele Proteste im Keim, doch die wachsende Verzweiflung – angesichts von Krieg, Zerstörung und wirtschaftlichem Kollaps – treibt immer mehr Menschen dazu, das Risiko einzugehen. ZDF-Korrespondent Thomas Reichart merkt an, dass die öffentliche Kritik an der Hamas ein Zeichen dafür ist, wie geschwächt die Organisation möglicherweise ist – sie wagt es bislang nicht, die Proteste massiv niederzuschlagen, was auf einen Mangel an Ressourcen oder Rückhalt hindeuten könnte.
Internationale Perspektive und Kontextualisierung
International wird das Vorgehen der Hamas gegen die eigene Bevölkerung zunehmend thematisiert. Human Rights Watch und Amnesty International fordern wiederholt, dass die Hamas für ihre Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen wird – sei es für den Terror gegen Israel oder die Unterdrückung der Palästinenser. Der UN-Bericht vom 12. Juni 2024 (Tagesspiegel) wirft der Hamas explizit Folter, Mord und Entführung vor, während er gleichzeitig Israel für seine Kriegsführung kritisiert. Diese Doppelbelastung des Konflikts verschärft die humanitäre Krise im Gazastreifen, wo 1,9 Millionen Menschen vertrieben wurden und über 41.500 Tote zu beklagen sind (Amnesty, 6. Oktober 2024).
Die Proteste und die Reaktion der Hamas werfen ein Licht auf die zentrale Frage: Wie kann eine Organisation, die vorgibt, den palästinensischen Widerstand zu verkörpern, ihre eigene Bevölkerung derart terrorisieren? Die Antwort liegt in ihrer Ideologie und ihrem Machtanspruch. Die Hamas sieht jede Infragestellung ihrer Autorität als Bedrohung ihres Ziels, einen totalitären islamistischen Staat zu schaffen. Dabei wird die Bevölkerung instrumentalisiert – als Opfer, als Schutzschilde oder als Propagandamaterial, wie es auch in der Desinformationsstrategie der Hamas sichtbar wird (Tagesschau, 28. November 2023).
Fazit: Ein Volk zwischen zwei Fronten
Die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen steht zwischen zwei Feuern: der israelischen Militäroffensive und der brutalen Herrschaft der Hamas. Der aufkeimende Widerstand zeigt, dass viele Palästinenser die Hamas nicht länger als Befreier, sondern als Unterdrücker wahrnehmen. Doch der Preis für diesen Widerstand ist hoch – Entführung, Folter und Mord sind die Antwort der Hamas auf jede Form von Dissens. Die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, doch die Straflosigkeit, die sowohl die Hamas als auch andere Akteure im Konflikt genießen, erschwert dies erheblich.
Die Geschichten von Odai, Hamza und anderen sind nicht nur tragische Einzelfälle, sondern Symbole eines Volkes, das in seiner Suche nach Freiheit und Würde von der eigenen Führung verraten wird. Die Hamas mag sich als Speerspitze des palästinensischen Widerstands inszenieren, doch ihre Taten – vom Foltern junger Demonstranten bis hin zum Missbrauch von Kindern – enthüllen ein Regime, das seine Macht auf Terror und Unterdrückung gründet. Wie lange dieser Widerstand trotz der brutalen Repression anhalten kann, bleibt ungewiss – doch er zeigt, dass der Wille zur Veränderung unter den Palästinensern ungebrochen ist, selbst unter den schwersten Bedingungen.
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