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Langfristige hormonelle Veränderungen nach schwerem COVID-19: Hinweise auf beschleunigten Alterungsprozess

DMZ – MEDIZIN ¦ Anton Aeberhard ¦      

 

Neue brasilianische Studie zeigt: Reduzierte Hormonspiegel könnten altersbedingte Folgeerkrankungen begünstigen

 

Eine aktuelle Studie der Universität Campinas (Brasilien) legt nahe, dass schwere Verläufe von COVID-19 langfristige hormonelle Veränderungen verursachen, die mit einem beschleunigten Alterungsprozess in Verbindung stehen könnten. Die im Fachjournal Diseases veröffentlichte Untersuchung verglich Blutproben von 49 Patient:innen nach überstandener schwerer COVID-19-Erkrankung mit denen einer gesunden Kontrollgruppe – mit alarmierenden Ergebnissen.

 

Langzeitfolgen über akute Erkrankung hinaus 

Mehr als 700 Millionen Menschen weltweit haben sich seit Beginn der Pandemie mit dem Coronavirus infiziert, über sieben Millionen sind daran gestorben. Während sich viele vollständig erholen, kämpfen besonders Betroffene mit schweren Verläufen häufig über Monate hinweg mit sogenannten Long-COVID-Symptomen – darunter Erschöpfung, kognitive Beeinträchtigungen, Muskelschmerzen und Atemnot.

 

Wissenschaftler:innen sehen in diesen Beschwerden Parallelen zu altersbedingten Erkrankungen. Die nun veröffentlichte Studie geht der Frage nach, ob SARS-CoV-2 schwerwiegende, langanhaltende Auswirkungen auf Hormone und Wachstumsfaktoren haben kann, die zentrale Prozesse des Alterns beeinflussen.

 

Analyse über 15 Monate hinweg 

Die Forschenden untersuchten Blutproben von Patient:innen sechs sowie fünfzehn Monate nach ihrer Genesung. Erfasst wurden unter anderem die Konzentrationen von Wachstumshormon (GH), Insulin-ähnlichem Wachstumsfaktor-1 (IGF-1), dem neurotrophen Faktor BDNF, dem platelet-derived growth factor (PDGF) sowie weiteren hormonellen und neurobiologischen Substanzen.

 

Dabei zeigte sich: GH, IGF-1, BDNF und PDGF waren bei den Genesenen signifikant reduziert – und zwar dauerhaft. Die Spiegel blieben auch mehr als ein Jahr nach der Infektion erniedrigt. Andere Faktoren wie Insulin, Oxytocin oder Ghrelin zeigten hingegen keine bleibenden Veränderungen.

 

Alarmsignal für Alterungsprozesse 

Insbesondere GH und IGF-1 spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulation des biologischen Alterns. Ihre anhaltend niedrigen Spiegel deuten auf eine möglicherweise beschleunigte Zellalterung hin. Auch die reduzierte Konzentration von BDNF – wichtig für die Gesundheit des Nervensystems – könnte kognitive Langzeitfolgen begünstigen, wie sie bei Long-COVID-Patient:innen beobachtet werden.

 

PDGF wiederum ist essenziell für die Geweberegeneration und Immunantwort. Ein dauerhaft erniedrigter Spiegel könnte langfristige Auswirkungen auf Heilungsprozesse und die Abwehrfähigkeit des Körpers haben.

 

Mögliche Ursachen: Entzündung und Hypophysen-Dysfunktion 

Die Forscher:innen vermuten, dass chronische Entzündungen oder eine durch das Virus geschädigte Hypophyse (Hirnanhangdrüse) für die anhaltenden hormonellen Veränderungen verantwortlich sein könnten. Bereits frühere Studien hatten gezeigt, dass Infektionen Alterungsprozesse beschleunigen können – etwa durch Schädigung von Organen oder dauerhafte Aktivierung des Immunsystems.

 

Forderung nach Langzeitbetreuung und Forschung 

Die Ergebnisse unterstreichen, dass schwere COVID-19-Erkrankungen über die akute Krankheitsphase hinaus erhebliche biologische Folgen haben können. Die Autor:innen sprechen sich dafür aus, Long-COVID-Betroffene langfristig medizinisch zu begleiten und gezielte Therapieansätze zu entwickeln, um den hormonellen Veränderungen entgegenzuwirken.

 

Diese Studie liefert ein weiteres Puzzlestück zum Verständnis der Langzeitfolgen von COVID-19. Die nachgewiesene Reduktion altersrelevanter Hormone könnte ein bislang unterschätzter Risikofaktor für Folgeerkrankungen sein. Für die betroffene Patientengruppe bedeutet das: Nicht nur die Symptome, sondern auch stille biologische Prozesse verdienen langfristige Aufmerksamkeit – und wissenschaftliche Priorität.

 

 

 

Quelle der Studie:

Alice Cuchi-Cabral et al., Diseases 2025, 13(7), 209.

DOI: https://doi.org/10.3390/diseases13070209 


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