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Bern – Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) ruft zu mehr Transparenz und Menschlichkeit bei zwangsweisen Rückführungen auf dem Luftweg auf. In ihrem heute veröffentlichten Bericht bemängelt die Kommission unzureichende Informationen für Betroffene, Verständigungsschwierigkeiten und problematische medizinische Rahmenbedingungen während der Rückführungen. Besonders sensibel zeigt sich die NKVF bei der Begleitung von Familien und Kindern.
Informationsdefizite und mangelnde Vorbereitung
Die NKVF beobachtete im Rahmen ihres Vollzugsmonitorings von Januar bis Dezember 2024 insgesamt 66 zwangsweise Rückführungen, darunter 53 Sonderflüge (Vollzugsstufe 4) sowie 13 Rückführungen der Stufen 2 und 3. Besonders im Fokus standen dabei 51 Familien mit insgesamt 97 Kindern.
Obwohl sich die polizeilichen Begleitpersonen laut Kommission grundsätzlich um einen respektvollen Umgang und klare Kommunikation bemühten, werden betroffene Personen oftmals erst unmittelbar bei der Anhaltung über die bevorstehende Rückführung informiert – teilweise ohne verständliche Erläuterungen zu Ablauf und Gründen. Die Folge seien Verunsicherung, psychischer Stress und ein erhöhtes Konfliktpotenzial.
Die Kommission fordert daher verpflichtende Vorbereitungsgespräche spätestens 72 Stunden vor der Rückführung sowie umfassende Informationen beim Zeitpunkt der Anhaltung – insbesondere auch in kindgerechter Form.
Kinder als Dolmetscher eingesetzt
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Verständigung. In mehreren Fällen seien Sprachbarrieren zwischen den Betroffenen und dem Begleitpersonal nicht angemessen überbrückt worden. In vier dokumentierten Fällen wurden sogar Kinder als Übersetzerinnen und Übersetzer herangezogen – ein Vorgehen, das die NKVF ausdrücklich verurteilt. Sie fordert den Einsatz professioneller Dolmetschdienste und betont, dass Kinder keinesfalls in die Rolle der Vermittlung gedrängt werden dürfen.
Eingeschränkte medizinische Versorgung und übermäßiger Zwang
Auch bei der medizinischen Betreuung während der Rückführungen sieht die Kommission erheblichen Verbesserungsbedarf. So würden ärztliche Untersuchungen häufig unter mangelnder Wahrung der Privatsphäre oder gar im Beisein von Polizei stattfinden. In Einzelfällen seien medizinische Checks sogar unter Zwang erfolgt, notwendige Hilfsmittel oder Reserve-Medikamente fehlten. Die NKVF fordert hier dringend die Einhaltung medizinischer Standards und einen respektvollen Umgang mit den Bedürfnissen vulnerabler Personen.
Zwar sei der Umgang des Begleitpersonals mit den Rückzuführenden insgesamt professionell gewesen, insbesondere im Hinblick auf Kleinkinder. Dennoch dokumentierte die Kommission weiterhin routinemäßige und teils präventive Fesselungen – etwa bei der Ankunft am Flughafen oder trotz kooperativen Verhaltens. Der wiederholte Einsatz des sogenannten Kerberos-Gurts werfe ebenfalls Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf.
Appell an Behörden: Menschenrechte achten, Standards verbessern
Die NKVF versteht ihren Bericht als konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der Rückführungspraxis. „Zwangsmaßnahmen müssen transparent, nachvollziehbar und verhältnismäßig sein – und sie dürfen niemals die Würde der Betroffenen verletzen“, betont Livia Hadorn, Geschäftsführerin der Kommission.
Die vollständige Analyse sowie die Empfehlungen der NKVF stehen auf Deutsch zur Verfügung. Zusammenfassungen in Französisch und Italienisch sind beigefügt.
Hintergrund:
Die NKVF ist ein unabhängiges nationales Gremium, das die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in geschlossenen Institutionen überwacht – darunter auch bei Abschiebungen. Ihre Aufgabe ist es, durch Beobachtungen, Berichte und Empfehlungen menschenrechtswidrigen Praktiken vorzubeugen und Transparenz zu schaffen.
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