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Schweizer Rechtsextreme gründen heimlich neue Partei

DMZ –  POLITIK ¦ Sarah Koller ¦                

 

Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass sich in der Schweiz seit mehreren Jahren eine neue rechtsextreme Partei formiert hat – und dies bislang weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Grundlage für die Enthüllung war ein Datenleck, das die «Aargauer Zeitung» publik machte und das vom Tagesanzeiger aufgegriffen wurde.

 

Die Partei trägt den schlichten Namen „Nationalpartei“ und existiert bereits seit 2022. Sie entstand nach der Auflösung der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), die in der Vergangenheit durch neonazistische Aktivitäten auffiel. Die Gründung der Nationalpartei erfolgte jedoch im Verborgenen – bis auf ein Postfach im thurgauischen Weinfelden und eine einfache Webseite ist die Organisation kaum öffentlich sichtbar.

 

Laut internen Dokumenten, die im Rahmen des Datenlecks bekannt wurden, steht an der Spitze der Partei Otto R., der bereits in der Vergangenheit durch seine Mitgliedschaft in neonazistischen Netzwerken und extremistischen Gruppierungen auffiel. So war er in den 1990er-Jahren Teil der Patriotischen Front, die mit Anschlägen auf Asylunterkünfte in Verbindung gebracht wird, und Mitglied des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour. Otto R. selbst bekennt sich zu einer „authentischen“ Linie des Nationalsozialismus, wie interne Parteipapiere zeigen. Im Parteiprogramm wird diese Ideologie jedoch nur „in verpackter Form“ dargestellt, um die Strafverfolgung zu umgehen.

 

Auf einem Foto vom Gründungstreffen ist neben Otto R. auch ein Vertreter der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) sowie ein Mitglied des Neonazi-Netzwerks Hammerskins zu sehen, was die Vernetzung der Partei mit anderen rechten Gruppierungen unterstreicht.

 

Doch nicht nur die Biografien einiger Beteiligter geben Anlass zur Sorge. Auch der öffentliche Auftritt der Partei im Internet entlarvt ihre Ideologie. Auf ihrer Website stilisiert sich die Nationalpartei als „Stimme des Bürgers“ und „aufbauende politische Kraft“, die sich gegen den angeblichen Zerfall der nationalen Identität stellt. In verschwörungsideologischer Sprache ist dort von den „Machenschaften volksfremder Kreise“ die Rede, die angeblich eine „soziale Verelendung“ und Umweltzerstörung durch „Masseneinwanderung“ verursachten.

 

Diese Rhetorik bedient zentrale Muster extrem rechter Ideologien: ein völkisches Weltbild, eine ethnisch definierte „Volksgemeinschaft“, die gegen „Fremde“ verteidigt werden müsse, sowie eine Ablehnung der pluralistischen Demokratie. Auch der „dosierte Abbau der Bevölkerungszahlen zur Entlastung der Umwelt“ lässt aufhorchen – ein menschenfeindlicher Gedanke, der an neurechte Konzepte von „Bevölkerungsaustausch“ und „Remigration“ erinnert. Diese Narrative zielen auf Ausgrenzung, Abwertung und letztlich die Entrechtung ganzer Bevölkerungsgruppen ab.

 

Die Nationalpartei sieht sich als Sammelbewegung zur „Verteidigung jener Werte, die uns Generationen übergreifend verbinden“. In ihrer Selbstdarstellung mischt sie Heimatpathos mit Untergangsszenarien und einer offen antipluralistischen Ideologie. Die Modernisierung der Schweiz durch Migration und gesellschaftlichen Wandel wird als „dramatische, scheinbar unumkehrbare Veränderung“ beschrieben, der man sich mit einem „Widerstandsgeist“ entgegenstellen müsse. Das Vokabular ist martialisch, die Tonalität alarmistisch – und klar gegen das demokratische Selbstverständnis der Schweiz gerichtet.

 

Auch wenn die Nationalpartei bislang keinerlei politische Relevanz entfalten konnte, ist ihre Existenz nicht harmlos. Sie steht exemplarisch für eine neue Strategie der rechtsextremen Szene: Tarnung, Selbstverharmlosung und schrittweise Mobilisierung über kulturelle und identitäre Themen. Diese Strategie zielt nicht auf Wahlerfolge – sie will Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs nehmen und rechtsextreme Narrative normalisieren.

 

In einer demokratischen Gesellschaft mit einer klaren Ablehnung von Faschismus und Rassismus sollte dieser Entwicklung wachsam und entschieden begegnet werden. Die Enthüllungen über die Nationalpartei zeigen, dass rechtsextreme Strukturen in der Schweiz keineswegs der Vergangenheit angehören – sie agieren im Schatten weiter.


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