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Bern – Die Schweiz wird ihre Ausweisdokumente weiter modernisieren: Bis spätestens Ende 2026 soll erstmals eine biometrische Identitätskarte eingeführt werden. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) entwickelt diese in Zusammenarbeit mit Kantonen und weiteren Bundesstellen. Wie beim bereits etablierten biometrischen Schweizer Pass wird die neue ID-Karte mit einem Chip ausgestattet sein, der biometrische Daten wie Gesichtsbild und zwei Fingerabdrücke speichert. Ziel ist ein höherer Schutz vor Fälschungen und Identitätsmissbrauch.
Sicherheit und EU-Kompatibilität im Fokus
Der Schritt ist nicht nur sicherheitstechnisch motiviert, sondern auch europarechtlich bedingt. Die EU verlangt seit 2021 von ihren Mitgliedstaaten, nur noch biometrische Identitätskarten auszustellen. Zwar ist die Schweiz kein EU-Mitglied, doch das im März 2025 paraphierte institutionelle Abkommen Schweiz–EU sieht vor, dass auch die Schweiz dieser Regelung folgen muss, um die Personenfreizügigkeit zu gewährleisten.
Laut fedpol sollen nicht-biometrische Karten, die vor der Umstellung ausgestellt wurden, weiterhin bis zu ihrem Ablaufdatum – maximal zehn Jahre – für Reisen in die EU gültig bleiben. Doch nach einer Übergangsfrist wird eine nicht-biometrische Identitätskarte nicht mehr zur Einreise in die EU berechtigen. Wer weiterhin auf biometrische Erfassung verzichten möchte, wird künftig auf den biometrischen Pass ausweichen müssen, um international zu reisen.
Freiwilligkeit – mit Einschränkungen
Offiziell bleibt die neue biometrische ID freiwillig. Schweizerinnen und Schweizer können gemäss Ausweisgesetz auch weiterhin eine nicht biometrische Identitätskarte beantragen – allerdings nur zur Verwendung innerhalb der Schweiz. Damit ergibt sich ein faktischer Zwang für Personen, die in der EU unterwegs sind: Wer biometrische Datenerfassung ablehnt, muss künftig auf den teureren Pass ausweichen oder auf Reisen verzichten.
Datenschützerinnen und Datenschützer beobachten diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Die Behörden betonen, dass ein Auslesen der biometrischen Daten nur bei physischer Vorlage möglich sei und ein Zugriff auf Distanz ausgeschlossen werde. Zudem sollen ausschliesslich Länder mit gleichwertigem Datenschutzstandard Zugang zu den Fingerabdrücken erhalten. Kritiker fordern jedoch mehr Transparenz über die technische Umsetzung dieser Schutzmechanismen sowie unabhängige Kontrollen.
Gesellschaftlicher Diskurs bleibt bisher aus
Bemerkenswert ist, dass die Einführung der biometrischen Identitätskarte in der Schweiz bisher weitgehend ohne öffentliche Debatte stattfindet. Dabei handelt es sich um einen massiven Eingriff in die persönliche Privatsphäre: Die dauerhafte Speicherung von Fingerabdrücken – wenn auch nur lokal auf dem Chip – ist in vielen Ländern Gegenstand intensiver Diskussionen über den richtigen Umgang mit biometrischen Daten.
Die Schweiz verweist auf die internationale Entwicklung und die Notwendigkeit, mit technologischen Standards mitzuhalten. So wie Banknoten regelmässig erneuert werden, müssten auch Ausweisdokumente gegen moderne Fälschungstechniken gewappnet sein. Dennoch stellt sich die Frage, wie viel Freiheit Bürgerinnen und Bürger tatsächlich haben, wenn die Ablehnung biometrischer Erfassung mit praktischen Einschränkungen beim Reisen verbunden ist.
Offene Fragen zu Kosten und Umsetzung
Offen bleibt bisher, welche Kosten die neue Karte verursachen wird – sowohl für den Staat als auch für die Bürgerinnen und Bürger. Auch die Frage, wie lange biometrische Daten gespeichert bleiben, ob sie zentral gesichert werden und wer im Inland Zugriff hat, wurde von fedpol noch nicht konkret beantwortet.
Ein Erklärvideo auf der Website www.schweizerpass.ch soll Bürgerinnen und Bürger über die beiden Varianten informieren und zur Wahl ermutigen – doch diese Wahl ist in der Praxis keine gleichwertige mehr.
Fazit
Mit der geplanten Einführung der biometrischen Identitätskarte passt sich die Schweiz einem europäischen Standard an und stärkt die Dokumentensicherheit. Doch die Entwicklungen werfen wichtige Fragen über Datenschutz, Freiwilligkeit und demokratische Kontrolle auf. Für eine offene Gesellschaft ist es entscheidend, dass diese Fragen nicht im Schatten technischer Fortschritte bleiben – sondern im Licht öffentlicher Debatten beantwortet werden.
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