
DMZ – POLITIK ¦ Sarah Koller ¦
Im politischen Berlin sorgt derzeit ein Vorgang für Aufsehen, der weit über eine bloße Verwaltungsentscheidung hinausreicht: Die Grünen werfen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) vor, eine parlamentarische Anfrage zum sogenannten Maskenskandal zunächst blockiert zu haben – und sehen darin einen schwerwiegenden Angriff auf das Fragerecht des Bundestags.
Vorwurf: Klöckner behindert parlamentarische Kontrolle
Ausgelöst wurde die Kontroverse durch eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion, die sich auf den lange erwarteten Bericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof zur Maskenbeschaffung während der Pandemie bezieht. Doch anstatt die Anfrage wie üblich an die Bundesregierung weiterzuleiten, wurde sie offenbar zunächst von der Bundestagsverwaltung zurückgehalten – mit Billigung von Präsidentin Klöckner.
Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, reagierte scharf. In einem offenen Brief wirft sie Klöckner eine "nicht hinnehmbare Vorzensur" vor. Diese Wortwahl ist bewusst gewählt – und zielt auf ein Grundprinzip der Demokratie: die ungehinderte parlamentarische Kontrolle der Regierung.
Was steht im Sudhof-Bericht?
Im Zentrum der Grünen-Anfrage steht ein Bericht, der selbst nur mit größter Mühe öffentlich geworden ist – und dann nur in einer stark geschwärzten Fassung. Die Sonderbeauftragte Sudhof hatte darin die milliardenschwere Maskenbeschaffung unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgearbeitet. Zwar liegt das Dokument inzwischen dem Haushaltsausschuss vor, doch unter der Einstufung „Nur für den Dienstgebrauch“. Ein Umstand, den viele Abgeordnete als Versuch werten, kritische Fragen zu vermeiden.
Die Grünen fordern die Offenlegung des vollständigen Berichts. Nicht zuletzt, weil es um den Umgang mit Steuergeld in einer akuten Krise geht – und um mögliche Versäumnisse auf höchster Ebene.
Regierung verteidigt sich – doch der Druck steigt
Das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (ebenfalls CDU) weist die Vorwürfe zurück. Der Bericht enthalte „zahlreiche sachliche Mängel“, heißt es. Man habe alles Erforderliche an die Gremien geliefert – allerdings nur in bearbeiteter Form.
Doch auch außerhalb des Parlaments mehren sich kritische Stimmen. Verschiedene Medien sprechen offen von Schlamperei, manche sogar von Vertuschung. Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Schwerdtner, geht noch weiter: Sie fordert den Rücktritt Spahns von seinem Amt als Unionsfraktionschef – ein Tabubruch in der aktuellen politischen Landschaft.
Bundestagsverwaltung lenkt ein – aber Zweifel bleiben
Am späten Nachmittag dann die Wende: Die Bundestagsverwaltung kündigte an, die Anfrage der Grünen nun doch weiterzuleiten. Begründung: Es habe sich lediglich um eine „routinemäßige Prüfung“ gehandelt. Für Irene Mihalic ist das wenig überzeugend. Sie bleibt dabei: Der Vorgang sei politisch motiviert – und gefährde die Integrität des Parlaments.
„Die Bundestagspräsidentin darf sich nicht zur Parteisoldatin machen lassen“, so Mihalic. „Sie ist der gesamten Volksvertretung verpflichtet – nicht nur der eigenen Fraktion.“
Mehr als ein Einzelfall?
Was als Verwaltungsdetail begann, hat sich binnen Stunden zu einer grundsätzlichen Debatte ausgeweitet. Es geht längst nicht mehr nur um eine einzelne Anfrage oder um einen internen Prüfbericht. Im Raum steht die Frage, wie ernst es die Bundestagsführung mit der Unabhängigkeit des Parlaments wirklich meint – gerade in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit.
Das Thema steht heute Nachmittag erneut auf der Tagesordnung im Plenum. Beobachter erwarten eine hitzige Debatte. Während die Union demonstrativ an Jens Spahn festhält, wird die Opposition wohl mit Nachdruck auf vollständige Transparenz pochen.
Eines ist schon jetzt klar: Die Diskussion um parlamentarische Kontrolle ist mit diesem Tag nicht beendet – im Gegenteil. Sie hat gerade erst begonnen.
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