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Zwischen Kuratierung und Kalkül – was Microsofts MSN-Startseite über unser Medienverhalten verrät

DMZ – MEDIEN ¦ Lena Wallner ¦           

KOMMENTAR

 

Wer heute MSN aufruft – jene Startseite, die Microsoft vielen Nutzerinnen und Nutzer im Edge-Browser wie ein vorgefertigtes Frühstück serviert –, sieht auf den ersten Blick: Vielfalt. Und auf den zweiten: Verwirrung. Zwischen internationalen Krisen und Katzenvideos, Wirtschaftsanalysen und Promi-Klatsch ergibt sich ein digitales Patchwork, das nicht nur unser Informationsverhalten widerspiegelt, sondern es mitprägt – subtil, aber nachhaltig.

 

Nachrichtenmix im Algorithmus-Labor 

Microsoft selbst beschreibt die MSN-Inhalte als Auswahl aus einem „Netzwerk vertrauenswürdiger Partner“. Was genau diese Vertrauenswürdigkeit definiert, bleibt allerdings ebenso nebulös wie die Algorithmen, die Inhalte sortieren und gewichten. Auf Nachfrage verweist das Unternehmen auf Automatisierung – eine elegante Umschreibung dafür, dass menschliche Redaktionen hier kaum noch kuratieren, sondern Maschinen priorisieren.

 

Und die Maschine, das lehrt uns die Praxis, liebt Reichweite. Sie bevorzugt Themen, die Emotionen wecken, Klicks versprechen, Verweildauer erhöhen. Was journalistisch relevant ist, interessiert sie wenig. Was populär ist, sehr.

 

Wenn das Feuilleton neben Fitnesshacks steht 

Die redaktionelle Gleichbehandlung aller Inhalte – seriös oder seicht, faktengetrieben oder gefällig – wird auf der MSN-Startseite nicht nur visuell, sondern auch strukturell vollzogen. Artikel des Deutschlandfunks erscheinen im selben Design wie Boulevardstücke von Promiflash oder Werbeinhalte, die sich als Ratgeber tarnen. Eine Differenzierung findet nicht statt. Die Lesenden? Müssen selbst unterscheiden – oder sie lassen es bleiben.

 

Diese Nivellierung ist keine Petitesse. Sie schwächt langfristig das Vertrauen in journalistische Angebote und stärkt ein Medienbild, in dem alle Inhalte gleich gültig – oder gleich beliebig – erscheinen. Und das in einer Zeit, in der Medienkompetenz wichtiger denn je wäre.

 

Die stille Verschiebung des Diskurses 

Die MSN-Startseite ist kein Medium im klassischen Sinn, aber sie ist ein mächtiger Verteiler. Wer regelmäßig dort seine Informationen bezieht – und das tun Millionen weltweit –, nimmt einen Informationsfilter wahr, der nicht nach Relevanz oder Sorgfalt sortiert, sondern nach vermuteter Klickfreude.

 

Damit wird MSN zu einem Beispiel für eine stille, aber folgenreiche Verschiebung: Die journalistische Auswahl, einst ein Akt redaktioneller Verantwortung, wird zunehmend zum Ergebnis eines ökonomisch programmierten Wahrscheinlichkeitsmodells. Mediennutzung verkommt zur Interaktion mit einem Blackbox-Algorithmus.

 

Microsofts Verantwortung: Mehr als technischer Betrieb 

Als globaler Tech-Gigant trägt Microsoft Verantwortung. Nicht nur für Datensicherheit und Benutzerfreundlichkeit, sondern auch für die Inhalte, die es sichtbar macht – und damit für das Informationsklima, das es mitgestaltet. Die Behauptung, MSN sei nur Aggregator, greift zu kurz. Wer Inhalte präsentiert, trifft Auswahlentscheidungen. Und wer sie algorithmisch trifft, muss diese Entscheidungen transparent machen.

 

Das geschieht bislang nicht. Es gibt keine öffentlich einsehbare Liste aller Partner, keine Kriterienkataloge, keine Kennzeichnung algorithmisch bevorzugter Beiträge. In einer Zeit, in der Desinformation zur geopolitischen Waffe geworden ist, ist diese Intransparenz keine technische Schwäche – sie ist ein demokratisches Problem.

 

Leserinnen und Leser sind nicht bloß Klickzahlen 

Es wäre zu billig, die Verantwortung vollständig auf die Nutzenden abzuwälzen – nach dem Motto: Wer sich nicht auskennt, ist selbst schuld. Wer ein digitales Nachrichtenportal betreibt, prägt mit jeder Schlagzeile, mit jeder Platzierung das Medienbild seiner Leser:innen. Die MSN-Startseite ist keine unbedeutende Randerscheinung – sie ist ein Fenster, durch das Millionen in die Welt blicken.

 

Gerade deshalb braucht es mehr als Klicklogik: Es braucht redaktionelle Verantwortung, transparente Strukturen – und den Mut, journalistische Qualität sichtbar zu machen, auch wenn sie nicht am meisten „performt“. 


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