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Dübendorf – Mit einem innovativen Beschichtungsverfahren haben Forschende der Empa einen Durchbruch in der Herstellung piezoelektrischer Dünnschichten erzielt. Dank präziser zeitlicher Steuerung ist es ihnen gelungen, funktionale Schichten von höchster Qualität bei niedrigen Temperaturen zu erzeugen – selbst auf isolierenden Substraten. Die neue Methode verspricht Fortschritte in der Halbleitertechnik, Photonik und Quantenforschung und wurde nun in Nature Communications publiziert.
Smartphones, Sensoren oder Quantencomputer – kaum ein Bereich der modernen Technik kommt ohne piezoelektrische Materialien aus. Diese Stoffe erzeugen elektrische Spannung unter mechanischer Verformung und umgekehrt. In der Mikroelektronik ermöglichen sie beispielsweise die Herstellung hocheffizienter Frequenzfilter, Aktoren oder Sensoren.
Entscheidend für die Leistungsfähigkeit dieser Bauteile ist die Qualität der zugrunde liegenden Dünnschichten. Bisherige Herstellungsverfahren stießen dabei jedoch an Grenzen – insbesondere, wenn es um isolierende Unterlagen und niedrige Prozesstemperaturen ging. Hier setzt das neue Verfahren der Empa an.
Präzise Pulstechnik als Schlüssel
Grundlage des Ansatzes ist das sogenannte Hochleistungsimpulsmagnetronsputtern (HiPIMS), ein etabliertes Beschichtungsverfahren für besonders dichte Hartstoffschichten. Dabei wird Material aus einem festen Target durch energiereiche Plasma-Pulse herausgelöst und auf ein Substrat übertragen. Die Herausforderung bei der Anwendung auf piezoelektrische Materialien: Auch unerwünschte Argon-Ionen aus dem Prozessgas gelangen in die Schicht – mit potenziell verheerenden Folgen für die elektrische Funktion.
Dem Doktoranden Jyotish Patidar gelang es, das Verfahren entscheidend weiterzuentwickeln. Durch präzise Steuerung des Timings konnten nur die gewünschten Target-Ionen beschleunigt und deponiert werden – die störenden Argon-Ionen hingegen wurden elegant ausgespart. "Wenn wir die Spannung exakt im richtigen Moment anlegen, treffen nur die Zielionen auf das Substrat – mit exzellenter Ausbeute", erklärt Projektleiter Dr. Sebastian Siol.
Durchbruch auf isolierenden Substraten
Ein noch grösseres Hindernis stellte bislang die Beschichtung isolierender Materialien wie Glas oder Saphir dar. Da sich hier keine Spannung anlegen lässt, war die gezielte Ionenbeschleunigung bisher nicht möglich – ein Problem, das nun ebenfalls gelöst wurde. Das Empa-Team nutzte dabei die Elektronen aus dem Magnetron-Plasma, um die Substratoberfläche kurzzeitig negativ aufzuladen. Diese sogenannte „Elektronendusche“ ermöglicht es, im exakten Moment die gewünschten Ionen auf das Substrat zu lenken – ganz ohne direkte Spannung.
Das neue Verfahren trägt den Namen Synchronized Floating Potential HiPIMS (SFP-HiPIMS) und markiert laut Siol einen Paradigmenwechsel: „Wir können piezoelektrische Dünnschichten nun bei niedrigen Temperaturen und auf nichtleitenden Substraten in gleichwertiger oder sogar besserer Qualität als bisher herstellen.“
Relevanz für Halbleiter- und Quantentechnologie
Die Möglichkeit, hochqualitative Schichten bei niedrigen Temperaturen zu erzeugen, eröffnet neue Wege für die Integration piezoelektrischer Materialien in empfindliche Elektronikkomponenten. Besonders in der Halbleiterindustrie, wo viele Prozesse keine hohen Temperaturen und keine leitfähigen Substrate erlauben, stellt das Verfahren eine willkommene Innovation dar.
Darüber hinaus bietet die Methode auch vielversprechendes Potenzial für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien und photonischen Bauteilen. Die Empa arbeitet bereits mit Partnerinstitutionen an ersten Anwendungen in diesen Feldern. Parallel dazu soll SFP-HiPIMS mithilfe von maschinellem Lernen und automatisierten Experimenten weiter verfeinert werden.
Wissenschaftlich dokumentiert und patentiert
Die Ergebnisse der Empa-Forschenden wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und sind bereits zum Patent angemeldet. Für die Zukunft plant das Team, das Verfahren auch für andere funktionale Materialien wie ferroelektrische Schichten zu adaptieren – ein weiterer möglicher Baustein für die Elektronik von morgen.
Publikation:
J. Patidar et al.: Low temperature deposition of functional thin films on insulating substrates enabled by selective ion acceleration using synchronized floating potential HiPIMS. Nature Communications (2025), DOI: 10.1038/s41467-025-59911-y
Herausgeber:
empa.ch
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