Rückkehr mit Nebenwirkungen: Wenn der Boden plötzlich wankt – Sunita Williams und Butch Wilmore zurück aus dem All

DMZ – INTERNATIONAL ¦ A. Aeberhard ¦

 

Sie standen wieder auf der Erde – und fühlten sich doch wie Fremde. 286 Tage nach dem Start kehrten die NASA-Astronauten Sunita Williams (59) und Butch Wilmore (61) im März 2025 auf den blauen Planeten zurück. Geplant war ein Kurztrip, geworden ist daraus eine Reise, die Körper und Geist forderte – und wohl für immer Spuren hinterlassen wird.

 

Ein Testflug mit Tücken 

Ursprünglich sollte der Starliner, Boeings ehrgeizige Raumkapsel, acht Tage im Orbit bleiben. Ein reiner Testlauf, so war es gedacht. Doch wie so oft in der Raumfahrt: Was auf dem Reißbrett funktioniert, folgt im All eigenen Gesetzen. Kurz nach dem Andocken an die Internationale Raumstation (ISS) traten technische Probleme auf, hartnäckig wie Sternenstaub. Die Rückkehr? Verschoben. Immer wieder.

 

Fast zehn Monate später landeten Williams und Wilmore schließlich sicher – aber nicht unversehrt. „Mein Körper hat sich an eine andere Welt gewöhnt“, sagte Williams nach der Rückkehr. „Und jetzt wehrt er sich gegen die alte.“

 

Der Körper verlernt die Erde 

In der Schwerelosigkeit macht der menschliche Körper Dinge, die auf der Erde undenkbar wären – oder gefährlich. Die Knochen, vom Gewicht befreit, beginnen sich abzubauen. Zwei Prozent Knochenmasse pro Monat – ein Wert, der sich im Alltag kaum greifen lässt, im All aber messbar ist. Und spürbar.

 

Besonders betroffen sind Hüfte, Oberschenkel, Wirbelsäule. Das Ergebnis: Einmal zu schnell aufgestanden – und der Kreislauf streikt. Ein Schritt zu viel – und das Gleichgewicht versagt.

 

Der menschliche Körper lebt in einem fragilen Dialog mit der Schwerkraft. Wird dieser Dialog unterbrochen, entstehen Missverständnisse. Flüssigkeiten steigen in den Kopf, das Herz lernt, mit weniger Gegendruck zu pumpen. Nach der Rückkehr rächt sich diese Anpassung: Schwindel, Übelkeit, niedriger Blutdruck, manchmal sogar kurze Ohnmachtsanfälle – als würde der eigene Körper einem die Rückkehr übelnehmen.

 

Augen, Rücken, Schlaf – nichts ist wie vorher 

Besonders tückisch ist das sogenannte SANS-Syndrom: Eine Veränderung des Sehnervs, bei der plötzlich die Welt verschwimmt – nicht nur metaphorisch. Wer monatelang in einer Umgebung lebt, in der Oben und Unten keine Bedeutung haben, verliert irgendwann auch das innere Koordinatensystem. Die Folge: Rückenschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, ein verändertes Schmerzempfinden. Und Schlaf – der wird oft zum Kampf.

 

„Ich hatte das Gefühl, in meinem eigenen Körper nicht mehr zu Hause zu sein“, beschreibt Wilmore in einem NASA-Interview die ersten Tage nach der Rückkehr.

 

Reha statt Ruhm 

Zwei Stunden Sport am Tag im All – das war das Minimum. Laufband, Fahrrad, Krafttraining gegen das Vergessen der Muskulatur. Und doch reicht es kaum, um den Absturz in die Erdrealität abzufedern. Nach der Landung beginnt ein mühseliger Weg: Physiotherapie, Gleichgewichtstraining, medizinische Betreuung. Tage, an denen selbst das Aufstehen wie ein kleines Raumfahrtmanöver wirkt.

 

Williams beschrieb es nüchtern: „Du wachst auf, willst dich drehen – und dein Körper widersetzt sich. Als wäre er noch oben.“

 

Was wir aus dieser Mission lernen müssen 

Diese Reise ist mehr als ein persönliches Kapitel zweier Veteranen der Raumfahrt. Sie ist ein medizinisches Protokoll, eine Warnung, ein Zukunftssignal. Wer auf den Mars will, muss wissen, was mit dem Menschen passiert, wenn er der Erde zu lange den Rücken kehrt. Und wie man ihn zurückholt – gesund.

 

„Wir haben gelernt, dass wir für Langzeitmissionen noch lange nicht vorbereitet sind“, sagte ein NASA-Mediziner. Was im Orbit funktioniert, ist nicht zwingend erdkompatibel. Und der Starliner? Boeings Prestigeprojekt wurde zur Geduldsprobe – technisch sicher, aber strategisch angeschlagen.

 

Mensch bleiben im All 

Diese Mission zeigt vor allem eines: Der Mensch ist kein Roboter. Er ist ein an die Erde gebundenes Wesen – in Körper, Kreislauf und Kopf. Und jeder Flug hinaus ist auch ein Flug nach innen: zu den Grenzen dessen, was wir ertragen, lernen und heilen können.


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