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Warum der ökologische Landbau in der Schweiz 2024 an Schwung verliert

DMZ – LANDWIRTSCHAFT ¦ MM ¦ AA ¦

 

Neuchâtel – Zum ersten Mal seit 2010 stagniert die Zahl der Biobetriebe in der Schweiz. Laut der aktuellen landwirtschaftlichen Strukturerhebung des Bundesamts für Statistik (BFS) blieben 2024 exakt 7889 Betriebe im Biolandbau – ein unerwarteter Stillstand in einem Sektor, der lange als Zukunftsmodell der Landwirtschaft galt. Die Gründe sind vielfältig, zeigen aber ein zentrales Problem auf: Die Rahmenbedingungen für den ökologischen Landbau verschlechtern sich zusehends, während gleichzeitig die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen weiter zunehmen.

 

Ein Trend bricht – erstmals seit 14 Jahren

Zwischen 2010 und 2023 nahm die Zahl der Biobetriebe stetig zu. Im Jahr 2024 jedoch verharrt sie erstmals auf Vorjahresniveau – ein klares Signal, dass der Schwung verloren geht. Besonders deutlich zeigt sich das in strukturschwächeren Kantonen wie dem Wallis (–3,7%) und St. Gallen (–2,2%), während nur einige wenige Regionen wie Genf (+6,8%) oder Zürich (+3,9%) noch nennenswerte Zuwächse verzeichneten.

 

Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Landwirtinnen und Landwirte sehen sich mit steigenden Betriebskosten, wachsendem bürokratischen Aufwand, sinkender Planungssicherheit und einer insgesamt nachlassenden politischen Förderung konfrontiert. Zwar ist die Nachfrage nach Bioprodukten weiterhin stabil, doch der Preis- und Kostendruck auf dem Markt wächst – insbesondere durch Billigimporte und unzureichende Margen im Detailhandel.

 

Zunehmende ökonomische Unsicherheit bremst Umstellungen

Die Umstellung auf Biolandbau ist kostenintensiv und risikobehaftet. Wer heute vom konventionellen zum ökologischen Anbau wechseln will, sieht sich oft mit einem Investitionsstau konfrontiert – von der Anschaffung neuer Maschinen bis hin zur Umstellung der Tierhaltung. Zugleich wird der gesellschaftliche Druck auf die Landwirtschaft immer stärker – etwa durch Klimaziele, Biodiversitätsstrategien oder Tierwohlforderungen – ohne dass die Betriebe dafür ausreichend abgefedert werden.

 

Ein Bio-Betrieb ist per Definition stärker reguliert und kontrolliert, was für viele kleinere Betriebe eine kaum leistbare zusätzliche Belastung darstellt. Gleichzeitig sind die Subventionen für den Biolandbau in der Agrarpolitik nur begrenzt gestiegen, obwohl der Aufwand deutlich höher liegt.

 

Leistungen für Umwelt und Gesellschaft bleiben unbeantwortet

Die Tatsache, dass fast ein Fünftel (18,4%) der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz inzwischen biologisch bewirtschaftet wird, zeigt: Der Wille zur Transformation ist vorhanden. Doch ohne entsprechende politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen droht die Bewegung zu kippen. Besonders besorgniserregend: In manchen Regionen weichen Landwirt:innen nach der Bio-Umstellung wieder auf konventionelle Methoden aus – ein Rückschritt mit weitreichenden Folgen für Umwelt und Biodiversität.

 

Dass ausgerechnet in einem Jahr, in dem Bio-Zuckerrüben (+37%), Ölpflanzen (+17%) und Soja (+15%) an Fläche zulegen konnten, die Gesamtzahl der Biobetriebe stagniert, zeigt: Die strukturelle Krise liegt nicht in der Produktion selbst, sondern in der politischen und marktwirtschaftlichen Einbettung.

 

Konsolidierung der Landwirtschaft schreitet voran

Parallel dazu schreitet der strukturelle Wandel weiter: Die Gesamtzahl der Landwirtschaftsbetriebe sank 2024 auf 47 075 (–1,3%), während die durchschnittliche Betriebsgrösse leicht auf 22,1 Hektaren stieg. Insbesondere kleinere Betriebe mit unter 30 ha Fläche verschwinden zunehmend, während Grossbetriebe wachsen. Auch das beeinflusst die Dynamik im Biolandbau – denn gerade kleinere Höfe gelten als besonders geeignet für die nachhaltige Produktion im Einklang mit natürlichen Kreisläufen.

 

Der Rückgang bei Tierbeständen – insbesondere bei Schweinen (–3,7%) und Milchkühen (–0,9%) – spiegelt die ökonomische Unsicherheit im Sektor wider. Gleichzeitig zeigt die stabile Geflügelhaltung (13,2 Mio. Tiere), dass industrielle Tierproduktion unter relativ stabilen Marktbedingungen weiterläuft – ein Widerspruch zur gesellschaftlich gewünschten nachhaltigen Tierhaltung.

 

Politik in der Pflicht: Strukturwandel ökologisch gestalten

Der Stagnation im Biolandbau muss entgegengewirkt werden – nicht nur aus Sicht der Umwelt, sondern auch mit Blick auf Ernährungssouveränität, Klimaschutz und regionale Wertschöpfung. Dafür braucht es eine klare agrarpolitische Strategie: gezielte Förderungen, faire Marktbedingungen, stärkere Unterstützung bei der Umstellung und mehr Verbindlichkeit bei der öffentlichen Beschaffung von Bioprodukten.

 

Wenn die Politik weiterhin vorrangig auf Masse und Produktivität setzt, statt Qualität und Nachhaltigkeit zu fördern, droht ein Rückfall in veraltete Strukturen. Dabei liegt gerade in der Förderung des Biolandbaus ein Schlüssel zur langfristigen Sicherung der Schweizer Landwirtschaft.

 

Fazit

Der Stillstand beim Biolandbau 2024 ist ein Warnsignal – und eine Mahnung zugleich. Nur mit konsequenter politischer Unterstützung, fairen Marktbedingungen und gesellschaftlicher Anerkennung kann die Schweizer Landwirtschaft eine ökologische und ökonomisch tragfähige Zukunft sichern. Das Zeitfenster für eine nachhaltige Neuausrichtung schliesst sich rasch – jetzt ist entschlossenes Handeln gefragt.

 

 

 

Quellen:

Bundesamt für Statistik (BFS), Landwirtschaftliche Strukturerhebung 2024

Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)

Eigene Recherchen und Einordnung

 

Herausgeber

admin.ch


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