
DMZ – NATUR ¦ Anton Aeberhard ¦
Wie die Anordnung von Bäumen in Wohngebieten die Sterblichkeit beeinflusst – eine bahnbrechende Studie mit Daten von über sechs Millionen Menschen.
Zürich – Dass Grünflächen in Städten gut für die Gesundheit sind, ist längst bekannt. Doch wie genau sollten Bäume in Wohngebieten verteilt sein, damit sie den grösstmöglichen Nutzen bringen? Eine neue, in der Fachzeitschrift The Lancet Planetary Health veröffentlichte Schweizer Langzeitstudie liefert darauf nun fundierte Antworten – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die Stadtplanung.
Ein Forschungsteam um Dengkai Chi von der ETH Zürich analysierte die Wohnumgebung von über sechs Millionen Erwachsenen in der Schweiz zwischen 2010 und 2019. Es ging nicht nur darum, wie viel Baumbestand es in der Nähe gab, sondern auch, wie dieser räumlich angeordnet war – ob zusammenhängend, zersplittert oder verwinkelt. Die Resultate sind eindeutig: Menschen, die in Gegenden mit grossflächigen, zusammenhängenden und strukturell einfachen Baumgruppen leben, haben ein signifikant geringeres Risiko, an natürlichen Ursachen zu sterben.
Struktur zählt mehr als Menge
Zwar zeigte sich auch bei einem höheren Baumanteil in der Wohnumgebung ein leichter Schutzeffekt. Deutlich stärker war dieser jedoch, wenn die Bäume nicht vereinzelt oder fragmentiert standen, sondern in dichten, zusammenhängenden Gruppen mit möglichst einfacher Form. So war etwa ein Anstieg der sogenannten "Aggregation" – ein Mass für die räumliche Nähe von Baumgruppen – mit einem um bis zu 17 Prozent reduzierten Sterblichkeitsrisiko verbunden. Eine starke Fragmentierung dagegen – also viele kleine, isolierte Baumflächen – erhöhte das Risiko signifikant.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht nur das Ausmass, sondern insbesondere die räumliche Konfiguration des Stadtgrüns entscheidend ist", sagt Mitautor Gabriele Manoli, ebenfalls von der ETH Zürich. Die Studie sei die bislang grösste und methodisch umfassendste ihrer Art.
Besonders wichtig in Städten und bei Luftverschmutzung
Besonders ausgeprägt war der schützende Effekt strukturierter Baumlandschaften in stark urbanisierten Gebieten sowie in Gegenden mit hoher Feinstaubbelastung (PM10) und höheren Temperaturen – also genau dort, wo viele Menschen den negativen Effekten von Hitzeinseln und schlechter Luftqualität besonders ausgesetzt sind.
Die Wissenschaftler nutzten hochauflösende Baumkronendaten im Raster von einem Quadratmeter und setzten diese in Beziehung zu Sterblichkeitsdaten der Swiss National Cohort. Ausserdem wurden sozioökonomische, demografische und umweltbezogene Faktoren berücksichtigt, um Störeinflüsse auszuschliessen.
Stadtplanung mit neuen Prioritäten
Die Autoren schlagen vor, Stadtbäume künftig gezielter zu pflanzen – nicht nur um Flächen zu begrünen, sondern um sie ökologisch wirksam zu gestalten. Das heisst: weniger kleine Bauminseln, dafür mehr grössere, verbundene Flächen mit möglichst einfacher Kontur. "Wenn eine Stadt nur wenige neue Bäume pflanzen kann, sollte sie darauf achten, dass diese in bestehenden Gruppen ergänzt werden", so Chi. Ziel sei es, die sogenannte Kohäsion – also die Verbundenheit der Baumgruppen – zu erhöhen.
Zudem empfehlen die Forschenden, bei Stadtumbauten gezielt die Form und Struktur bestehender Baumflächen zu verbessern. Auch ökologische Korridore zwischen fragmentierten Baumbeständen könnten helfen, gesundheitliche wie biodiversitätsfördernde Effekte zu erzielen.
Ein Aufruf an Politik und Städte
Die Studienergebnisse könnten für die Umsetzung internationaler Leitlinien wie der "3-30-300-Regel" neue Impulse liefern. Diese empfiehlt, dass jeder Mensch drei Bäume von seinem Zuhause aus sehen, mindestens 30 Prozent Baumkronenbedeckung im Quartier haben und maximal 300 Meter vom nächsten Grünraum entfernt wohnen sollte. Die Schweizer Studie legt nun nahe, dass zusätzlich die Form und Anordnung dieser Bäume entscheidend ist.
Gerade mit Blick auf den Klimawandel und die alternde Bevölkerung könnten strukturierte Baumlandschaften in Städten eine wichtige Rolle für die öffentliche Gesundheit spielen. "Gesundes Stadtgrün ist nicht nur eine Frage der Fläche – es ist eine Frage der Struktur", fassen die Autoren zusammen.
Quellen:
Chi D, Manoli G, Lin B, et al. Residential tree canopy configuration and mortality in 6 million Swiss adults: a longitudinal study. The Lancet Planetary Health. 2025;9(3):e186–e195.
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