
DMZ – JUSTIZ ¦ Sarah Koller ¦
Von der Forschung zur klinischen Prüfung: Frankreich testet als erstes Land einen innovativen nasalen COVID-19-Impfstoff am Menschen.
TOURS – Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie beginnt in Frankreich ein vielversprechender neuer Abschnitt in der Impfstoffentwicklung: Mit der Genehmigung der französischen Arzneimittelbehörde ANSM und der Ethikkommission CPP startet am Universitätsklinikum Tours (CHRU) das klinische Prüfprogramm MUCOBOOST. Im Zentrum steht ein neuartiger, nasaler COVID-19-Impfstoff der Biotechnologie-Firma Lovaltech, der nicht nur vor Infektionen schützen, sondern auch die Übertragung des Virus effektiv verhindern soll.
Der Impfstoff basiert auf einer innovativen Technologie, die gezielt die Schleimhäute der Atemwege stimuliert – dem Hauptangriffspunkt von SARS-CoV-2. Entwickelt wurde der Kandidat vom Forschungsteam BioMAP des französischen Agrarforschungsinstituts INRAE und der Universität Tours. Die Besonderheit: Der Impfstoff wird als Nasenspray verabreicht und soll eine besonders effektive Immunantwort dort erzeugen, wo das Virus den Körper als Erstes befällt.
Klinische Studien starten im April – 36 Freiwillige in Phase I
Im Rahmen der nun beginnenden klinischen Phase-I-Studie werden zunächst 36 gesunde Freiwillige im Alter von 18 bis 55 Jahren in drei Gruppen unterschiedlichen Dosierungen des Impfstoffs erhalten. Diese sogenannte „Dosis-Eskalationsstudie“ dient vor allem dazu, die Verträglichkeit und Immunantwort zu bewerten und die optimale Dosis für die zweite Phase zu bestimmen. Die erste Verabreichung soll noch im April am Zentrum für klinische Forschung (CIC) in Tours erfolgen, weitere Teilnehmer werden ab Juni auch am Pariser Cochin-Pasteur-Zentrum eingeschlossen.
Die Probanden durchlaufen innerhalb von zwölf Monaten acht Studienbesuche, darunter eine Eingangsuntersuchung, die Verabreichung des Impfstoffs und sechs Nachuntersuchungen mit biologischen Proben. Erste Ergebnisse zur Immunreaktion und Sicherheit werden für Herbst 2025 erwartet.
Phase II beginnt 2026 – Vergleich mit mRNA-Impfstoffen
Ab Anfang 2026 soll in Phase II an fünf französischen Standorten (Tours, Saint-Étienne, Lyon, Paris und Dijon) mit 202 gesunden Teilnehmenden untersucht werden, wie effektiv der nasale Impfstoff im Vergleich zu mRNA-Impfstoffen die Virusverbreitung reduziert. Ziel ist es, zu zeigen, dass die nasale Immunisierung eine überlegene Schutzwirkung direkt an der Eintrittspforte des Virus entfaltet – und damit einen entscheidenden Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten kann.
Warum Nasalimpfstoffe eine neue Generation der Immunisierung darstellen
Klassische Impfstoffe, darunter auch mRNA-basierte, erzeugen eine systemische Immunantwort im ganzen Körper. Doch genau dort, wo SARS-CoV-2 in den Körper eindringt – in Nase und Lunge – ist diese Reaktion oft zu langsam oder zu schwach. Der neue Ansatz von Lovaltech verspricht hingegen eine lokale Immunantwort an den Schleimhäuten und eine raschere Virusabwehr. Dies könnte nicht nur die Erkrankung selbst verhindern, sondern auch die Ansteckung anderer Personen unterbinden.
Lovaltech: Innovation aus der Region Centre-Val de Loire
Hinter dem Impfstoff steht die 2022 gegründete Biotech-Firma Lovaltech mit Sitz in Tours. Sie ging aus einem Forschungsprojekt der INRAE und der Universität Tours hervor, das ursprünglich ein Impfstoffkonzept gegen Toxoplasmose bei Schweinen verfolgte – eine Plattform, die nun erfolgreich auf das Coronavirus übertragen wurde. Die Firma wurde mehrfach ausgezeichnet (u.a. beim Innovationswettbewerb i-Lab 2022) und wird finanziell durch das französische Bildungs- und Gesundheitsministerium, die Region Centre-Val de Loire sowie durch EU-Fördermittel unterstützt.
Die industrielle Umsetzung übernimmt APTAR, ein weltweit führender Anbieter von Applikationssystemen in der Pharmabranche. Dadurch ist bereits jetzt sichergestellt, dass der Impfstoff bei erfolgreichem Studienverlauf schnell in großem Maßstab produziert werden kann.
Ein Schritt in Richtung globaler Pandemievorsorge
„Diese Innovation bietet die Chance, Impfstrategien grundlegend zu überdenken“, sagt Patrick Barillot, Präsident und Mitgründer von Lovaltech. Der Impfstoff sei nicht nur für COVID-19 von Bedeutung, sondern könne künftig auch für andere respiratorische Viren adaptiert werden – von Influenza bis RSV. Frankreich könnte damit eine Vorreiterrolle in der Entwicklung und Produktion von Schleimhautimpfstoffen einnehmen.
Ein Blick zurück: Fünf Jahre Forschung auf dem Weg zur klinischen Reife
- 2020: Erste Projektidee und Entwicklung eines nasalen Impfstoffs im BioMAP-Labor.
- 2021: Erste Präklinische Tests zeigen Blockierung der Virusübertragung im Hamstermodell.
- 2022: Gründung von Lovaltech, Start der industriellen Impfstoffentwicklung.
- 2023–2024: Abschluss regulatorischer Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit.
- 2025: Start der klinischen Prüfung am Menschen.
Mit dem MUCOBOOST-Programm geht Frankreich den nächsten logischen Schritt in der COVID-19-Impfstoffentwicklung – und eröffnet die Perspektive auf eine neue Generation von Vakzinen, die nicht nur schützen, sondern die Pandemie an der Wurzel packen: bei der Übertragung.
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