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Jens Spahn an der Spitze – Die Union hat nichts verstanden

DMZ –  POLITIK  ¦ Anton Aeberhard ¦  

KOMMENTAR

 

Die Wahl Jens Spahns zum neuen Vorsitzenden der Unionsfraktion ist nicht weniger als ein alarmierendes Signal. 91,3 Prozent Zustimmung sprechen nicht für Geschlossenheit, sondern für eine kollektive Realitätsverweigerung innerhalb der CDU/CSU. Denn Spahn steht nicht für Erneuerung, Integrität oder politisches Feingefühl – sondern für ein Politikverständnis, das selbst innerhalb der eigenen Partei immer wieder scharf kritisiert wurde. Eine Partei, die Jens Spahn zu ihrem wichtigsten Vertreter im Parlament macht, hat den Knall offenbar immer noch nicht gehört.

 

Ein Politiker mit beachtlicher Bilanz – im Negativen

Die Liste der Verfehlungen Spahns ist lang – und dokumentiert ein politisches Wirken, das geprägt ist von Eigeninteresse, fehlender Transparenz und mangelndem Verantwortungsbewusstsein. Eine unvollständige Übersicht:

  • Maskendeals während der Pandemie: Als Bundesgesundheitsminister kaufte Spahn überteuerte Masken, teilweise von CDU-nahen Unternehmen. Seine Ministeriumsstrategie bestand darin, Deals auch dann nicht zu stoppen, wenn sie erkennbar über Marktpreisen lagen – bezahlt aus Steuergeldern. Die Prozesse rund um zahlreiche Klagen gegen das Gesundheitsministerium dauern bis heute an.

  • Immobilienspekulationen: Gemeinsam mit seinem Ehemann kaufte Spahn während seiner Amtszeit als Gesundheitsminister eine Villa für mehrere Millionen Euro – mitten in der Pandemie, während Millionen Menschen um ihre Existenz bangten. Die Finanzierung durch die Sparkasse Westmünsterland warf Fragen auf, insbesondere angesichts seiner politischen Nähe zur Bank und seiner vorherigen Tätigkeit im Aufsichtsrat des Instituts.

  • Intransparente Lobbyverbindungen: Spahn hatte jahrelang enge Verbindungen zur Pharmalobby, war selbst an einer PR-Agentur beteiligt, die Gesundheitsunternehmen beriet, und positionierte sich regelmäßig zugunsten der Privatversicherungen – in einem Ministeramt, das eigentlich für Gemeinwohl statt Einzelinteressen zuständig sein sollte.

  • Kommunikationsdesaster während Corona: Kaum ein Minister sprach während der Pandemie so oft von „neuen Erkenntnissen“, nachdem vorherige Einschätzungen sich als falsch oder voreilig erwiesen hatten. Der Umgang mit Schnelltests, Impfstoffbeschaffung und Schutzverordnungen war von Planlosigkeit geprägt – während Spahn gleichzeitig durch autoritäre Alleingänge auffiel, etwa beim versuchten Aufbau eines zentralen Patientendatenregisters ohne ausreichende Datenschutzprüfung.

  • Annäherung an die AfD: Erst kürzlich sprach sich Spahn dafür aus, AfD-Abgeordnete in Bundestagsausschüssen „wie andere Oppositionspolitiker“ zu behandeln – eine massive Relativierung der demokratischen Brandmauer gegen den Rechtsextremismus. Dass er diese Position später zurückzog, nachdem der Verfassungsschutz die AfD erneut als gesichert rechtsextrem einstufte, zeigt nicht Einsicht, sondern politischen Opportunismus.

 

Das Problem ist größer als Spahn

Dass ein Politiker mit dieser Vorgeschichte und diesem Kurs ausgerechnet in Zeiten multipler Krisen zum parlamentarischen Sprachrohr der Union aufsteigt, ist nicht nur ein Versagen der Personalpolitik – es ist ein Symptom eines tieferliegenden Problems. Die CDU/CSU beweist damit, dass sie weder aus der Pandemie gelernt noch ihre innerparteiliche Nähe zu Wirtschafts- und Lobbyinteressen aufgearbeitet hat. Auch die deutliche Warnung des Verfassungsschutzes wird nicht zum Anlass genommen, klare Kante gegen rechts zu zeigen – im Gegenteil: Man tastet vorsichtig die Grenzen der Zusammenarbeit ab.

 

Diese Wahl ist eine vertane Chance für glaubwürdige Erneuerung. Statt einen integren, unbefleckten Pragmatiker mit Rückhalt in der Mitte der Gesellschaft zu wählen, hat sich die Union für einen machtbewussten Taktierer mit beschädigtem Ruf entschieden. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei Spahn selbst – sondern bei allen Abgeordneten, die ihn gewählt haben.


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