· 

Erfolgreich unvollendet – Warum die Ampelregierung besser war als ihr Ruf

DMZ – POLITIK ¦ Sarah Koller ¦    

 

Trotz chaotischer Außenwirkung hat die Ampelkoalition mehr erreicht als frühere Regierungen. Zweifel begleiten nun die neue schwarz-rote Bundesregierung.

 

Berlin – Im Rückblick wirkt der Niedergang der Ampelregierung wie ein Paradebeispiel politischer Zerwürfnisse: ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP, das sich in öffentlichen Streitigkeiten erschöpfte, anstatt geschlossen zu handeln. Doch eine neue Untersuchung der Bertelsmann Stiftung rückt das Bild zurecht – und kommt zu einem bemerkenswerten Schluss: Trotz massiver Selbstblockaden war die Ampel in der Umsetzung ihrer Regierungsziele erfolgreicher als ihre Vorgänger.

 

Laut der Analyse der Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp und Theres Matthieß erfüllte die Koalition zwischen 2021 und 2024 insgesamt 236 der 453 im Koalitionsvertrag formulierten Vorhaben – rund 52 Prozent. In relativen Zahlen mag das enttäuschen, insbesondere im Vergleich zur Kanzlerschaft Angela Merkels, deren Koalitionen bis zu 80 Prozent der Versprechen realisierten. Doch in absoluten Zahlen übertraf die Ampel sowohl die große Koalition von 2013 bis 2017 als auch die von 2018 bis 2021. Und sie setzte deutlich ambitioniertere Ziele.

 

Ambition trifft Realität

Das Problem der Ampel sei nicht mangelnder Wille, sondern der eigene Anspruch gewesen, so die Autoren. „An ihren selbst gesetzten hohen Maßstäben ist die Koalition letztlich gescheitert“, heißt es in der Untersuchung. Doch gescheitert im eigentlichen Sinne sei sie nicht. Vielmehr sei sie „erfolgreich unvollendet“ geblieben – eine Koalition, die viel wollte, viel anstieß und dabei an der eigenen Komplexität zerschellte.

 

Diese Bewertung fällt gerade auch im Lichte der bevorstehenden Regierungszeit der neuen schwarz-roten Koalition ins Gewicht. Der aktuelle Koalitionsvertrag unter CDU-Chef und designiertem Kanzler Friedrich Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil sei laut Studie „weniger ambitioniert und unklar formuliert“. Bereits vor der offiziellen Amtsübernahme gebe es interne Auseinandersetzungen über die Auslegung zentraler Passagen – ein mögliches Warnsignal.

 

Mehr Substanz als erwartet

Dass die Ampelkoalition trotz innerer Spannungen und externer Krisen – vom Ukrainekrieg über Energieengpässe bis zur Inflation – in vielen Politikfeldern lieferte, überrascht viele Beobachter. Die Zahl der vollständig umgesetzten Vorhaben liegt bei 45 Prozent, weitere sieben Prozent wurden zumindest teilweise realisiert. Weitere 98 Projekte befanden sich bei Regierungsende in der Umsetzung.

 

„Die Koalition hat einen enormen politischen Output generiert – was angesichts der Dauerkrisen und des parteipolitischen Konfliktpotenzials beachtlich ist“, sagt Studienautor Vehrkamp. Besonders in Bereichen wie Digitalisierung, Klimaschutz und Bürgerrechte habe die Ampel sichtbare Fortschritte erzielt – auch wenn diese vielfach vom begleitenden Streit überlagert wurden.

 

Kein Vertrauensvorschuss für Schwarz-Rot

Ob die nun startende Bundesregierung aus CDU und SPD an diese Bilanz anknüpfen kann, ist aus Sicht der Bertelsmann Stiftung offen. Der neue Koalitionsvertrag erinnere eher an den „unvollständigen Vertrag“ der schwarz-gelben Regierung 2009 bis 2013, heißt es. Damals waren viele Versprechen vage geblieben, die Regierungsarbeit wenig kohärent.

 

Die Wissenschaftler mahnen: Nur aus der Kritik an der Ampel zu lernen, reicht nicht. Entscheidend sei, wie strukturell mit den Ursachen des politischen Stillstands umgegangen werde – etwa mit der zunehmenden Polarisierung, dem gestiegenen öffentlichen Druck und den internen Machtspielen der Koalitionspartner.

 

Fazit: Mehr geleistet, als man ihr zutraut

Was bleibt, ist ein differenzierter Blick auf eine Regierung, die oft an der eigenen Inszenierung scheiterte – aber substanziell mehr zustande brachte als viele vermutet hatten. Vielleicht liegt der eigentliche Mangel der Ampel nicht in der Politik, sondern in der fehlenden Fähigkeit, Erfolge auch kommunikativ zu vermitteln.


Fehler- und Korrekturhinweise

Wenn Sie einen Fehler entdecken, der Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollte, teilen Sie ihn uns bitte mit, indem Sie an intern@mittellaendische.ch schreiben. Wir sind bestrebt, eventuelle Fehler zeitnah zu korrigieren, und Ihre Mitarbeit erleichtert uns diesen Prozess erheblich. Bitte geben Sie in Ihrer E-Mail die folgenden Informationen sachlich an:

  • Ort des Fehlers: Geben Sie uns die genaue URL/Webadresse an, unter der Sie den Fehler gefunden haben.
  • Beschreibung des Fehlers: Teilen Sie uns bitte präzise mit, welche Angaben oder Textpassagen Ihrer Meinung nach korrigiert werden sollten und auf welche Weise. Wir sind offen für Ihre sinnvollen Vorschläge.
  • Belege: Idealerweise fügen Sie Ihrer Nachricht Belege für Ihre Aussagen hinzu, wie beispielsweise Webadressen. Das erleichtert es uns, Ihre Fehler- oder Korrekturhinweise zu überprüfen und die Korrektur möglichst schnell durchzuführen.

Wir prüfen eingegangene Fehler- und Korrekturhinweise so schnell wie möglich. Vielen Dank für Ihr konstruktives Feedback!


 

Unterstützen Sie uns jetzt!

Seit unserer Gründung steht die DMZ für freien Zugang zu Informationen für alle – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir möchten, dass jeder Mensch kostenlos faktenbasierte Nachrichten erhält, und zwar wertfrei und ohne störende Unterbrechungen.

Unser Ziel ist es, engagierten und qualitativ hochwertigen Journalismus anzubieten, der für alle frei zugänglich ist, ohne Paywall. Gerade in dieser Zeit der Desinformation und sozialen Medien ist es entscheidend, dass seriöse, faktenbasierte und wissenschaftliche Informationen und Analysen für jedermann verfügbar sind.

Unsere Leserinnen und Leser machen uns besonders. Nur dank Ihnen, unserer Leserschaft, existiert die DMZ. Sie sind unser größter Schatz.

Sie wissen, dass guter Journalismus nicht von selbst entsteht, und dafür sind wir sehr dankbar. Um auch in Zukunft unabhängigen Journalismus anbieten zu können, sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.

Setzen Sie ein starkes Zeichen für die DMZ und die Zukunft unseres Journalismus. Schon mit einem Beitrag von 5 Euro können Sie einen Unterschied machen und dazu beitragen, dass wir weiterhin frei berichten können.

Jeder Beitrag zählt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!


Kommentar schreiben

Kommentare: 0