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Politisches Beben in Berlin: AfD-Verbot spaltet die Republik

DMZ – POLITIK ¦ Lena Wallner ¦     

KOMMENTAR

 

Kurz vor der Amtsübernahme von Friedrich Merz als Bundeskanzler steht Deutschland vor einer kontroversen Debatte: Soll die Alternative für Deutschland (AfD) verboten werden? Auslöser ist die Einstufung des Bundesamts für Verfassungsschutz, das die Partei nun als „gesichert rechtsextremistisch“ einordnet. Die politischen Reaktionen könnten kaum gespaltener sein – während die Opposition klare Forderungen stellt, hadert die künftige Regierungskoalition mit einer einheitlichen Linie.

 

Opposition drängt auf Konsequenzen

Die Opposition sieht in der Verfassungsschutz-Einstufung einen dringenden Handlungsauftrag. Linken-Chefin Heidi Reichinnek und Parteikollege Jan van Aken nennen ein Verbotsverfahren „überfällig“. Unterstützung kommt von den Grünen: Abgeordneter Kassem Taher Saleh verweist auf langjährige Forderungen seiner Partei. Auch aus der SPD gibt es deutliche Worte. Serpil Midyatli, stellvertretende Parteivorsitzende, fordert: „Das Verbot muss kommen.“ Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) stimmt zu, ebenso wie der sächsische CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz, der seit Jahren vor rechtsextremem Einfluss warnt und einen Verbotsantrag initiiert hat.

 

Regierungskoalition in der Zwickmühle

In der künftigen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD herrscht hingegen Vorsicht. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hebt die fundierte, über 1100-seitige Analyse des Verfassungsschutzes hervor, ohne ein Verbot explizit zu fordern. Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, betont die Notwendigkeit einer abgestimmten Haltung mit der Union. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz mahnt vor übereilten Schritten: Ein Verbotsverfahren müsse juristisch wasserdicht und strategisch durchdacht sein, um politischen Schaden zu vermeiden.

 

Union im Zwiespalt

Besonders in der CDU/CSU sorgt die Debatte für Spannungen. Jens Spahn, Kandidat für den Fraktionsvorsitz der Union, hatte kürzlich vorgeschlagen, die AfD bei der Vergabe von Ausschussposten gleichzubehandeln – ein Vorschlag, der parteiübergreifend auf Empörung stieß. SPD-Politikerin Mast nutzte die neue Verfassungsschutz-Einstufung, um solchen Ideen eine klare Absage zu erteilen. CSU-Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz geht noch weiter: Eine „gesichert rechtsextreme“ Partei könne keine normale Rolle im Parlament spielen, sagt sie. Die Nominierung von AfD-Abgeordneten für führende Posten sei kaum mehr denkbar.

 

Friedrich Merz, der designierte Kanzler, schweigt bislang zu den Entwicklungen. Sein Generalsekretär Carsten Linnemann bekräftigt die Abgrenzung zur AfD, will sich aber auf „reale Probleme“ der Bürger konzentrieren. CSU-Chef Markus Söder betont die „Brandmauer“ zur AfD, warnt jedoch vor einer Dämonisierung der Partei. Anders sieht es Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): Er spricht sich offen für ein Verbot aus – eine Position, die in der Union bislang selten ist.

 

Eine Zerreißprobe für Merz

Die Einstufung der AfD ist nicht nur ein sicherheitspolitisches Alarmsignal, sondern auch ein Lackmustest für die Standfestigkeit der neuen Regierungskoalition. Noch bevor Merz seinen Amtseid leistet, steht er vor einer der größten Herausforderungen seiner Kanzlerschaft. Ein Verbotsverfahren birgt Risiken: Es könnte die AfD als Märtyrer inszenieren oder juristisch scheitern. Doch auch Untätigkeit könnte als Schwäche ausgelegt werden.

 

Fazit: Demokratie am Scheideweg

Die Debatte um ein AfD-Verbot rückt die Frage nach dem Schutz der Demokratie ins Zentrum der deutschen Politik. Die Verfassungsschutz-Einstufung zwingt alle Parteien, Farbe zu bekennen. Für Friedrich Merz beginnt die Kanzlerschaft nicht mit einem Blumenstrauß, sondern mit einer Zerreißprobe, die das Land noch lange beschäftigen wird. Wie die Koalition – und die Gesellschaft – mit dieser Herausforderung umgeht, wird die politische Landschaft nachhaltig prägen.


 

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