Zwischen Drachen, Bergen und Büchern – Die junge Autorin Annabel Herkströter im Porträt

Annabel Herkströter (Foto: zvg)
Annabel Herkströter (Foto: zvg)

DMZ - KULTUR ¦ Matthias WalterAnnabel Herkströter (Foto: zvg)

INTERVIEW

Annabel Herkströter schreibt, seit sie denken kann. 1995 in Südtirol geboren, entdeckte sie schon früh ihre Liebe zu Geschichten – und ist ihr bis heute treu geblieben. Nach der Matura studierte sie Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Innsbruck und sammelte Erfahrungen an ganz unterschiedlichen Orten: in Bibliotheken ebenso wie in einem Bergführerbüro. Erste literarische Beiträge von ihr erschienen im Komplex Kulturmagazin (Innsbruck) sowie in der St. Pöltener Literaturzeitschrift etcetera. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Schreibpraxis, dem Alltag dazwischen und dem, was sie inspiriert.

 

Annabel, du bist in Südtirol geboren, was ein Paradies – welche Bilder tauchen vor deinem inneren Auge auf, wenn du an deine Kindheit dort denkst? (Nicht jedes Kind wird in so einem wunderbaren Mikrokosmos geboren.)

 

Annabel Herkströter: Als Kind habe ich viel im Freien gespielt und hatte Kontakt zu Tieren. Langeweile gab es so gut wie nie. In der Familie (mein Vater, meine Mutter und ich) sind wir oft wandern gegangen, zu den Schafen. Mein Vater war nämlich Schäfer und hauptberuflich Bergführer.

 

Erst später, in der Teenagerzeit, wurde mir das Leben auf dem Bergbauernhof zu einsam und abgeschieden. Da konnte ich es dann kaum noch erwarten, auszuziehen und ein eigenes Leben zu beginnen.

 

Südtirol ist vielsprachig. Sprichst du auch mehrere Sprachen? Dies könntest du ja gewinnbringend in dein Autorendasein einbringen. Wie kann man sich dort das kulturelle Miteinander vorstellen? Ist es gemeinschaftlicher als anderswo?

 

Annabel Herkströter: Das stimmt, sprachlich sind wir in Südtirol recht gut aufgestellt. Italienisch hatte ich ab der zweiten Grundschulklasse. Außerdem ist Englisch ein Pflichtfach und in der Oberschule hatte ich außerdem Französischunterricht. Ob das kulturelle Miteinander in Südtirol gemeinschaftlicher ist als anderswo, kann ich schwer beurteilen bzw. nur aus meiner eigenen begrenzten Perspektive. Meine Mutter kommt ursprünglich aus Deutschland (NRW) und ist vor über dreißig Jahren durch meinen Vater nach Südtirol gezogen. Dadurch bin ich selbst irgendwie weniger tief in Südtirol verwurzelt als diejenigen, deren Familien bereits seit Generationen hier leben, was ich manchmal auf subtile (oder auch weniger subtile) Art zu spüren bekommen habe. Ich habe in einem kleinen Vierhundertseelendorf die Grundschule besucht und hatte öfter den Eindruck, dort auf eine eingeschworene Gesellschaft zu treffen. Mit den späteren Schulstufen – Mittel- und Oberschule waren je ein Stück weiter von meinem Wohnort entfernt – hat sich dieser Eindruck jedoch gelegt.

 

Ich traue mich jetzt einfach mal zu behaupten, dass in den städtischen Gebieten, wie Meran oder Bozen, etwas mehr kulturelles Miteinander herrscht als in den kleinen Dörfern. Wobei man auch dort heutzutage viel offener ist als vor einigen Jahrzehnten.

 

Wenn du nicht schreibst, nicht arbeitest: was treibst du so Schönes in deiner Freizeit? Südtirol hat sicherlich viel zu bieten.

 

Annabel Herkströter: In meiner Freizeit bin ich sehr gerne mit meinem Hund in der Natur unterwegs. Ich spaziere, wandere und jogge. Ich bin von meinem derzeitigen Wohnort aus sehr schnell zu Fuß im Grünen. Außerdem zeichne ich auch sehr gerne und lese viel.

 

Was für eine Schülerin warst du – Träumerin, Klassenclown, stille Beobachterin?

 

Annabel Herkströter: Als Schülerin war ich eindeutig eine Mischung aus stiller Beobachterin und Träumerin.

 

Hast du schon während deiner Schulzeit angefangen, viel zu schreiben, viel zu lesen? Welche Bücher und Autoren haben dich schon früh begeistert?

 

Annabel Herkströter: Angefangen zu schreiben habe ich ungefähr mit sieben. Vorher habe ich meiner Oma in Deutschland endlose Geschichten am Telefon erzählt. Bücher begeistern mich seit ich denken kann. Als ich selbst noch nicht lesen konnte, hat mir meine Mutter sehr viel vorgelesen. Ein Buch, welches ich als Kind besonders geliebt habe, ist Manuel & Didi von Erwin Moser. Außerdem habe ich damals viele Bücher von Astrid Lindgren gelesen.

 

Erinnerst du dich an dein erstes Gedicht bzw. an deine erste Geschichte? Wie kam alles zustande?

 

Annabel Herkströter: Meine erste Geschichte habe ich in der Schule geschrieben. Ich erinnere mich noch schwach daran, dass sie von einem Drachen und einem goldenen Ei handelte. Außerdem weiß ich noch, dass ich die Abgabe immer länger hinausgezögert habe, weil ich irgendwie kein Ende gefunden habe. Ich glaube, das war eine Art Schlüsselerlebnis. An mein erstes Gedicht habe ich keine deutliche Erinnerung mehr. Das Dichten ist erst etwas später und nach und nach zum Geschichtenschreiben dazugekommen.

 

Du hast dich dann für Vergleichende Literaturwissenschaft entschieden – was hat dich daran entscheidend gereizt?

 

Annabel Herkströter: An meinem Studienfach fand ich faszinierend, dass man sehr frei ist in der Auswahl von Themen, die man beispielsweise in einer Seminar- oder Abschlussarbeit behandeln möchte. Man arbeitet z.B. mit literarischen Texten und der wissenschaftlichen Literatur dazu und hat dann die Möglichkeit, alles in einen größeren kulturellen oder gesellschaftlichen Zusammenhang zu setzen. Das Studium ist sehr vielseitig und z.T. auch fächerübergreifend, und verlangt vernetztes Denken. Es hat mir oft dabei geholfen, Zusammenhänge verschiedenster Art zu verstehen.

 

Welche sind deine Lieblingsautoren und Lieblingswerke?

 

Annabel Herkströter: Es fällt mir sehr schwer, mich für einen bestimmten Autor oder ein Werk zu entscheiden – unheimlich viel gefällt mir. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben auf jeden Fall Die Wand von Marlen Haushofer, Die Legende vom heiligen Trinker von Joseph Roth und Elefant von Martin Suter.

 

Du warst u.a. in Bibliotheken und in einem Bergführerbüro tätig. Da hattest du bestimmt auch viel Kundenkontakt. Bist du da richtig aufgegangen?

 

Annabel Herkströter: Sowohl die Bibliotheksarbeit als auch der Job im Bergführerbüro (diesen übe ich z.T. noch immer aus) haben mir viel Spaß gemacht. In der Bibliothek war es interessant zu sehen, welche Bücher die Leserinnen und Leser besonders mochten und praktisch immer ausgeliehen waren. Die Tätigkeit im Bergführerbüro ist spannend für mich, weil ich in der Freizeit selbst gerne in den Bergen unterwegs bin und die Bergführer, mit denen ich viel in Kontakt stehe, so angenehme und gelassene Zeitgenossen sind.

 

Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus? Nach dem Aufstehen geht es sozusagen direkt an den Schreibtisch für mehrere Stunden?

 

Annabel Herkströter: Nach dem Frühstück gehe ich als erstes mit meinem Hund nach draußen. Danach setze ich mich an den Schreibtisch. An einem guten Tag kann ich mehrere Stunden am Stück arbeiten. Wenn ich nicht so zügig vorankomme, ist es besser, ich befasse mich zwischendurch einmal mit etwas anderem, um Abstand zur Idee bzw. zum Text zu gewinnen. Das hilft fast immer und dann geht es auch umso besser voran.

 

Dein Buch heißt „Tragisch bis heiter“. Das klingt nach Leben. Willst du kurz und knapp verraten, worum es in diesem Buch geht?

 

Annabel Herkströter: Das Buch Tragisch bis heiter enthält mehrere Kurzgeschichten, die von den unterschiedlichsten Begebenheiten erzählen. Wie der Titel verrät, ist zwischen ernster Handlung und witzigen Stellen alles vertreten. Da ich auf die Schnelle schwer auf alle Geschichten eingehen kann, greife ich einfach eine heraus. Sie trägt den Titel „Das Museum der Wahrheit“ und handelt von einer jungen Frau, die in einem Museum per Knopfdruck Szenen aus ihrem Leben zu sehen bekommt und auf diese Weise mit ihren Erinnerungen konfrontiert wird, und sich mit ihnen auseinandersetzen muss. Wie bei allen Geschichten in dem Band, ist die Handlung fiktional; jedoch fließen unweigerlich immer auch persönliche Erfahrungen mit ein.

 

Können sich die Leser auf weitere Werke von dir freuen? Oder willst du noch nicht zu viel verraten?

 

Annabel Herkströter: Ich habe auf jeden Fall vor, weitere Bücher und Texte zu veröffentlichen. Aktuell arbeite ich an einem neuen Buch. Es wird ebenfalls ein Erzählband – dieses Mal mit weniger, aber dafür etwas längeren Erzählungen. Voraussichtlich wird es in den nächsten Monaten erscheinen. Außerdem bemühe ich mich, immer wieder etwas in Magazinen oder Anthologien zu veröffentlichen.

 

Was bedeutet dir das Schreiben ganz persönlich? Gibt es da einen tieferen Grund, den du vielleicht verraten möchtest?

 

Annabel Herkströter: Das Schreiben bedeutet mir sehr viel und war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Wenn ich nicht zum Schreiben komme, werde ich schnell unzufrieden. Es ist mir immer wieder ein Bedürfnis, Erlebtes – wenn auch meist in abgewandelter Form – oder auch frei Erfundenes zu Papier zu bringen.

 

Abschließend, liebe Annabel: du bist selbst noch jung. Was würdest du angehenden Autoren raten, wenn sie ihr erstes Buch schreiben wollen? Vielleicht wärst du ja auch eine gute Mentorin…

 

Annabel Herkströter: Angehenden Autoren würde ich immer raten, dranzubleiben und sich nicht durch Hindernisse entmutigen zu lassen. Ich glaube, dass sich Hartnäckigkeit lohnt. Mir ist bewusst, dass es in gewisser Weise riskant ist, eine schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen, da man ja nie weiß, ob man Erfolg damit haben wird. Dennoch empfehle ich allen, es weiter zu versuchen – so mache ich es auch.

 

Danke dir, Annabel, für die Einblicke – und weiterhin viel Freude beim Schreiben! Es war mir eine große Freude, mit dir zu sprechen. Ich bin mir sicher, dass man noch viel von dir hören wird – deine Stimme verspricht eine lange und spannende literarische Laufbahn. Und wer weiß – vielleicht setzen wir unser Gespräch irgendwann fort. Bis bald!

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