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Die möglichen und widersprüchlichen Pläne hinter der US-Zollpolitik laufen auf einen Konflikt mit der FED hinaus

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦    

KOMMENTAR

 

Das WSJ hat vor zwei Tagen bereits einen

Hintergrundbericht gebracht, demzufolge US-Finanzminister Bessent, unter den teilweise als Zombie-Schwätzer zu bezeichnenden Leuten der Trump-Clique eine Ausnahme mit Fachwissen, den Präsidenten von dem Zoll-Moratorium für 90 Tage überzeugen konnte. Bessent plant demnach, die Zölle zu nutzen, um China zu isolieren, diese also für den Wirtschaftskrieg gegen den Hauptgegner einzusetzen. Ich übersetze das in klaren Worten: Die Länder sollen weltweit erpresst werden, in diesem Handelskrieg auf der Seite der USA zu stehen.

 

Wenn der Bericht so zutrifft, wäre Bessent einer, der die Zölle nicht wie von Trump behauptet, wirtschafts- und finanzpolitisch (Ausgleich Handelsbilanz, Staatfinanzierung, Abbau Defizit, Investitionen in Inlandsindustrie) einsetzen möchte, sondern als Machtinstrument im Wirtschaftskrieg gegen China, welches explizit den Verzicht auf Zölle sogar zum Ziel hat, um die „Verbündeten“ zu disziplinieren. Ebenso wäre aber klar, dass es im Trump-Universum auch ganz andere Ideen und Konzepte gibt, gegen die Bessent sich – vorläufig! – durchsetzen musste und konnte.

 

Die jüngsten Aktionen würden dazu durchaus passen, denn gestern wurden die nächste Schritte im Chip-Krieg bekannt: Nvidia darf selbst leistungsschwächere KI-Chips nicht mehr nach China liefern und der niederländische ASML-Konzern, der exklusiv für die Chip-Produktion notwendige Maschinen herstellt, meldete ebenfalls neue Beschränkungen. Beide Aktien rasselten nach unten, andere Chip-Werte auch.

 

Dieser Wirtschaftskrieg ist auch ein Chip-Krieg und dahinter steht eigentlich ein AI-Krieg, da es letztlich um die Führende Rolle in der zukünftig führenden Technologie überhaupt geht – und das ist definitiv AI.

 

Dieser Teil der Trump-Aktionen ist nicht neu. Bereits unter Obama begannen die USA, China auf diesen Sektoren auszutrocknen und das ist immer weiter verschärft worden. Was aber ganz sicher neu ist: Diesen Wirtschaftskrieg mit Zöllen führen zu wollen und zudem geopolitisch so, dass man „Verbündete“ beleidigt, bedroht, bis auf kulturelle Ebene diffamiert und sie mit eben diesen Zöllen nun erpressen will, ist tatsächlich neu. Hinzu kommt, hier sehen wir vielleicht sogar erst den Anfang, die militärische Ebene. Die reicht vom Spiel mit bisherigen Sicherheitsleistungen (Nato, Europa) über klar geäußerte Gebietsansprüche (Kanada, Grönland) bis zur direkten militärischen Drohung (Panama).

 

Es wäre natürlich naiv, die Amerikaner der letzten Dekaden als Engel der Fairness und Gralshüter der gegenseitigen Interessen zu bezeichnen. Das war schon immer eine knallharte Machtpolitik und auch die Wahl der Instrumente ist nicht feiner geworden. Aber das ist nun eine Steigerung, die man schon mit einer gewissen Fassungslosigkeit wahrnehmen muss.

Wie dieser Feldzug der Rücksichtslosigkeit nun weiter geht, ist vollkommen offen, denn zuerst mal haben diese genialen Feldherrn sich selbst am meisten geschwächt. Dass das mit dem nicht nur dafür vollkommen ungeeigneten Zoll-Instrumentarium funktionieren soll, ist sehr zu bezweifeln. Kein geringerer als der FED-Chef sagt nun glasklar, was ich zuletzt selbst und aus vielen Quellen zitiert hatte: Die Zölle erzeugen bei hoher Verschuldung zugleich eine Rezession und eine steigende Inflation. Daher, Powell ist da für einen Notenbanker ungewöhnlich deutlich, kann die FED ihr Doppelmandat nicht mehr erfüllen, denn zugleich die Wirtschaft stimulieren und Inflation bekämpfen, geht nicht. Was Powell nicht anspricht, weil er es nämlich nicht befeuern möchte: Die Kapitalmärkte quittieren diese unlösbare Aufgabe längst mit Signalen einer Finanzkrise, da alle Assets inklusive Dollar gleichzeitig sinken, also insbesondere die Zinsen steigen, was die Staatsfinanzierung sowie in den USA die der Gesamtwirtschaft gefährdet.

 

Es könnte also sein, dass Trump hier auf allen Ebenen seine Macht und seine Optionen überschätzend nicht nur große Teil der Welt brüskiert hat – übrigens ohne jeden tieferen Grund oder Zweck – sondern auch seine eigenen Finanzen ruiniert. Die Wahl von Zöllen als eines der dümmsten Instrumente ist dabei nur ein Teil der Sache, die Vorstellung, damit und mit welcher Macht auch immer, dem Rest der Welt schlicht in die F…. zu treten, damit die danach besonders zuverlässig seine Interessen unterstützt, passt gewissermaßen dazu.

 

Leider sind Macht und Einfluss der USA, von der Rolle der nationalen Märkte über die Dominanz im Finanz- und Währungssystem so groß, dass dieser Spuk nicht nur so weiter gehen kann, sondern auch viele massiv schädigen sowie in den Abgrund ziehen kann. Wäre das eine Volkswirtschaft wie UK, so hätten bereits die Kapitalmärkte dem Sang und Klanglos den Stecker gezogen. Das ist in den USA auch möglich, aber keineswegs so schnell, keineswegs zwingend und leider auch nicht für den Rest der Welt so geräuschlos wie in UK.

 

Wie auch immer das also weiter geht, wäre es ebenso naiv, China bessere Absichten und feinere Methoden zu unterstellen. Eine eigenständige europäische Rolle ist also wichtiger denn je und es ist schmerzlich, dass die seit Jahrzehnten gut begründeten Hinweise, das zu tun, nicht verfolgt wurden. Die Themen liegen lange auf dem Tisch: Eine europäische Außen- und Verteidigungspolitik, tiefe europäische Kapitalmärkte, Digitalisierung, KI.

 

Es ist nun an der Zeit, das endlich mal zu machen. Die Ressourcen dazu sind vorhanden!


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